Urteil Nr. B 6 KA 38/17 R des Bundessozialgericht, 2018-06-27

Judgment Date27 Junio 2018
ECLIDE:BSG:2018:270618UB6KA3817R0
Judgement NumberB 6 KA 38/17 R
CourtDer Bundessozialgericht (Deutschland)
Kassen(zahn)ärztliche Vereinigung - Abtretungsvereinbarungen über vertrags(zahn)ärztliches Honorar - keine generelle Nichtigkeit, wenn die behandelten Versicherten nicht zugestimmt haben - keine Einschränkung in der Weise, dass nur an Kreditinstitute abgetreten werden darf - Geltung der zum bürgerlichen Recht entwickelten Grundsätze
Leitsätze

1. Abtretungsvereinbarungen über vertrags(zahn)ärztliches Honorar sind auch dann nicht generell nichtig, wenn die Versicherten, die in der Praxis behandelt worden sind, nicht zugestimmt haben.

2. Die Kassen(zahn)ärztliche Vereinigung darf die Abtretung der Honorarforderungen ihrer Mitglieder nicht in der Weise einschränken, dass nur an Kreditinstitute abgetreten werden darf.

Tenor

Auf die Revisionen des Klägers und des Beigeladenen werden das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 16. Juni 2016 und der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mainz vom 26. Februar 2015 geändert. Es wird festgestellt, dass der Beigeladene Gläubiger der Honoraransprüche des Klägers gegen die Beklagte für das Quartal III/2013 geworden ist.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in allen Rechtszügen.

Tatbestand

Umstritten ist die Wirksamkeit der Abtretung von Honoraransprüchen eines Vertragszahnarztes gegen die Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZÄV).

Der Kläger ist zur vertragszahnärztlichen Versorgung im Bezirk der beklagten KZÄV zugelassen. Am 15.12.1992 trat er alle bestehenden und zukünftigen Honorarforderungen gegen die Beklagte an seine frühere Ehefrau ab. Mit Beschluss vom 12.9.2008 wurde über sein Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet. Am 22.9.2008 trat die frühere Ehefrau die Honoraransprüche an den beigeladenen Vater des Klägers ab. Am 30.9.2008 erklärte der Insolvenzverwalter gegenüber dem Kläger, dass dessen Vermögen aus der Tätigkeit als Zahnarzt nicht mehr zur Insolvenzmasse gehöre und Ansprüche aus dieser Tätigkeit nicht im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden könnten. Mit Wirkung zum 1.4.2009 gab die Gläubigerversammlung das Vermögen des Klägers aus seiner zahnärztlichen Tätigkeit frei. Im August 2009 trat die frühere Ehefrau des Klägers die gegen die Beklagte gerichteten Ansprüche im vollen Umfang an den Kläger ab, der sie wiederum am 22.6.2011 im Rahmen einer Globalzession an seinen beigeladenen Vater abtrat.

Im September 2013 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie werde sein Honorar nach Erledigung der Pfändungen künftig auf sein Girokonto überweisen. Die Beklagte blieb auf den Hinweis des Klägers, sie müsse die Globalzession an seinen Vater beachten, bei ihrer Absicht. Daraufhin erhob der Kläger am 4.10.2013 Klage mit dem Ziel, die Beklagte zu verpflichten, die Abtretungen vom 15.12.1992 und 22.9.2008 zu beachten. Das SG hat die Klage als unzulässig angesehen, weil ihr eine bereits früher erhobene Feststellungsklage über die Wirksamkeit der Abtretung vom 22.6.2011 entgegenstehe und der Kläger nicht berechtigt sei, Ansprüche des Beigeladenen in eigenem Namen geltend zu machen. Im Übrigen sei die Globalzession auch nicht wirksam, weil sie von § 8 S 2 der Abrechnungsordnung <AbrO> der Beklagten erfasst werde. Danach sei die Abtretung von Honoraransprüchen gegenüber der Beklagten nur wirksam, wenn ein Kreditinstitut Zessionar sei (Gerichtsbescheid vom 26.2.2015). Das LSG hat die Berufung des Klägers nach Beiladung des Vaters zurückgewiesen. Eine Anfechtungs- und Leistungsklage sei unzulässig, weil die Beachtung der Abtretung keinen Verwaltungsakt darstelle. Im Übrigen sei die Klage jedenfalls unbegründet, weil der Kläger allein Gläubiger der Honorarforderung sei. Die zu Gunsten des beigeladenen Vaters erfolgten Abtretungen seien gegenüber der Beklagten im Hinblick auf § 8 S 2 der seit dem 1.1.2005 geltenden AbrO unwirksam (Urteil vom 16.6.2016).

Mit ihren Revisionen machen der Kläger und der Beigeladene in erster Linie geltend, das Abtretungsverbot des § 8 S 2 AbrO sei mit höherrangigem Recht unvereinbar und deshalb unwirksam. Die Satzungskompetenz der Beklagten reiche nicht so weit, Regelungen über die Abtretbarkeit vertragszahnärztlicher Honoraransprüche mit Wirkung gegenüber solchen Personen festzuschreiben, die der Satzungsgewalt der Körperschaft nicht unterliegen. Im Übrigen werde die Abtretung des Klägers vom 15.12.1992 an seine frühere Ehefrau vom Abtretungsverbot des § 8 S 2 AbrO von vorneherein nicht erfasst, weil dieses erst zum 1.1.2005 in Kraft getreten sei. Schließlich verstoße diese Regelung gegen die von Art 12 Abs 1 GG geschützte Berufsfreiheit und den in Art 14 Abs 1 GG garantierten Eigentumsschutz. Im Lichte dieser grundrechtlichen Bestimmungen seien vertragszahnärztliche Honorarforderungen übertragbar. Dem Interesse des Zahnarztes, künftige Honorarforderungen zum Zwecke der Kreditsicherung und Finanzierung an Dritte zu übertragen, werde durch die satzungsrechtliche Zulassung von Abtretungen allein an Kreditinstitute nicht ausreichend Rechnung getragen. Die Beklagte als Schuldnerin der Honoraransprüche werde durch die Vorschriften der §§ 404, 406 bis 410 BGB hinreichend geschützt.

Der Kläger und der Beigeladene beantragen,
das Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 16.6.2016 und den Gerichtsbescheid des SG Mainz vom 26.2.2015 zu ändern und festzustellen, dass der Beigeladene Gläubiger der Honoraransprüche des Klägers gegen die Beklagte für das Quartal III/2013 geworden ist.

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Erlass eines Verwaltungsaktes, der die Wirksamkeit der Abtretungen ihr gegenüber feststelle. Im Übrigen sei § 8 S 2 der AbrO wirksam. Rechtsgrundlage sei § 79 Abs 3 S 1 Nr 1 SGB V, wonach die Vertreterversammlung die Satzung und sonstiges autonomes Recht zu beschließen hat. Einschränkungen der Abtretbarkeit seien dem bürgerlichen Recht nicht fremd, wie sich für vertraglich vereinbarte Ausschlüsse bereits aus § 399 BGB ergebe. Auch auf satzungsrechtlicher Grundlage könnten Abtretungsausschlüsse verbindlich festgelegt werden. Einer Ermächtigungsgrundlage zur Regelung der Rechtsverhältnisse Dritter bedürfe sie - die Beklagte - insoweit nicht. Normadressat des § 8 S 2 AbrO sei der Vertragszahnarzt. Dritte seien durch diese Regelung allenfalls faktisch betroffen, da es einem Vertragszahnarzt nicht mehr möglich sei, ihnen Honorarforderungen zu übertragen. Im Übrigen komme es für die Wirksamkeit eines Abtretungsausschlusses nicht auf den Tag des Abschlusses der Abtretungsvereinbarung, sondern auf den Tag an, an dem der - möglicherweise - abgetretene Anspruch entstanden sei. Das sei bei Honoraransprüchen jedenfalls frühestens nach Ablauf des Quartals der Fall, für das Honorar bewilligt werde. Deshalb ändere selbst die Wirksamkeit eines 1992 zwischen dem Kläger und seiner damaligen Ehefrau geschlossenen Abtretungsvertrages nichts an der fehlenden Abtretbarkeit der Honoraransprüche für das hier betroffene Quartal III/2013, weil lange vor Abschluss dieses Quartals - nämlich zum 1.1.2005 - die AbrO um den beschränkten Abtretungsausschluss in § 8 S 2 ergänzt worden sei. Rechtliche Bedenken gegen die Vereinbarkeit dieser Regelung mit höherrangigem Recht seien nicht gerechtfertigt. Die Ungleichbehandlung von Kreditinstituten und anderen Zessionaren sei nicht willkürlich. Sie - die Beklagte - sei daran interessiert, Unklarheiten über die Person des Gläubigers von Honoraransprüchen auszuschließen. Durch den Ausschluss von Zessionaren, die nicht über eine Banklizenz verfügen, könne sie sicherstellen, dass die Honorarzahlung vom Zessionar hinreichend professionell abgewickelt und dokumentiert werde und ihr hierdurch zusätzlicher Aufwand und zusätzliche Kosten nicht entstünden. Mit der Möglichkeit, Honoraransprüche an Kreditinstitute abzutreten, werde den berechtigten Kredit- und Finanzierungsinteressen ihrer Mitglieder ausreichend Rechnung getragen. Schließlich seien alle Abtretungen, die der Kläger bzw seine frühere Ehefrau vorgenommen hätten, unwirksam, weil ihnen nach § 134 BGB das strafrechtlich geschützte Verbot der Verletzung von Privatgeheimnissen (§ 203 StGB) entgegenstehe.

Entscheidungsgründe

ie Revisionen des Klägers und des Beigeladenen sind begründet. Beide haben Anspruch auf die begehrte Feststellung, dass der Beigeladene Gläubiger der Honorarforderungen des Klägers für das Quartal III/2013 ist.

1. Die Klage ist als Feststellungsklage (§ 55 Abs 1 Nr 1 SGG) zulässig.

a) Eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage kommt nicht in Betracht, weil die Beklagte über die Wirksamkeit der Abtretung der Honoraransprüche des Klägers an den Beigeladenen nicht durch Verwaltungsakt entschieden hat und auch nicht durch Verwaltungsakt entscheiden muss. Ein Verweis auf die allgemeine Leistungsklage, kraft derer der Beigeladene die Auszahlung des vertragszahnärztlichen Honorars des Klägers an sich verlangen könnte, würde den Rechtsschutzansprüchen des Klägers und des Beigeladenen nicht gerecht. Der Kläger könnte selbst keine Leistungsklage erheben, weil er nach eigener Auffassung nicht mehr Gläubiger der Zahlungsansprüche ist und das Honorar im Übrigen bereits an ihn ausgezahlt worden ist; die Kombination einer Zahlungsklage des Beigeladenen und einer Feststellungsklage des Klägers - bezogen auf dasselbe Klageziel - erscheint in der hier vorliegenden Konstellation nicht sachgerecht.

b) Die Beteiligten haben übereinstimmend den Rechtsstreit auf die Feststellung der Gläubigerstellung des Beigeladenen bezüglich des Honoraranspruchs für das Quartal III/2013 beschränkt. In diesem Quartal hat die Beklagte erstmals explizit das Begehren des Klägers, die Zessionarsstellung seines beigeladenen...

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