Urteil Nr. B 8 SO 4/17 R des Bundessozialgericht, 2018-12-06
Judgment Date | 06 Diciembre 2018 |
ECLI | DE:BSG:2018:061218UB8SO417R0 |
Judgement Number | B 8 SO 4/17 R |
Court | Der Bundessozialgericht (Deutschland) |
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 7. November 2016 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Kosten für die Inanspruchnahme eines Integrationshelfers während der Teilnahme an Angeboten der offenen Ganztagsschule (OGS) der R. im Monat April 2013.
Der Kläger ist 2006 mit dem sog Down-Syndrom geboren, aus dem Folgeerkrankungen (geistige Behinderung mit allgemeiner Entwicklungsstörung und nicht altersentsprechendem Instruktionsverständnis) resultieren. Außerdem besteht eine Muskelhypotonie und eine deutliche Retardierung der expressiven Sprache. Bei ihm sind ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie die Merkzeichen "G" und "H" festgestellt. Er ist im streitigen Zeitraum der Pflegestufe II nach dem Sozialgesetzbuch Elftes Buch - Soziale Pflegeversicherung - (SGB XI) zugeordnet gewesen.
Ab August 2008 besuchte der Kläger eine integrative Kindertagesstätte und erhielt Leistungen der heilpädagogischen Frühförderung. Vor der Einschulung wurden in einem pädagogischen Gutachten vom 22.2.2012 ein sonderpädagogischer Förderbedarf vorrangig im Bereich geistige Entwicklung sowie in den Bereichen Sprache und Kommunikation und soziale/emotionale Entwicklung festgestellt sowie verschiedene Förderziele beschrieben. Die Förderung sei im gemeinsamen Unterricht einer Regelgrundschule möglich. Der Kläger wurde zum Schuljahr 2012/2013 eingeschult und sowohl während der Zeit des gemeinsamen Unterrichts am Vormittag als auch während der OGS-Zeit am Nachmittag, die er regelmäßig bis 15 Uhr (Ende der Schulaufgabenbetreuung) besuchte, durchgehend von Integrationskräften betreut, die bei dem Beigeladenen beschäftigt waren. Zeiten für die Begleitung in der OGS wurden vom Beigeladenen gesondert berechnet (694,69 Euro für April 2013).
Auf den vor der Einschulung gestellten Antrag des Klägers auf Übernahme der Kosten für einen Integrationshelfer für die gesamte Anwesenheitszeit in der Schule, auch für die Teilnahme an der nachmittags stattfindenden OGS, bewilligte die Beklagte die Kostenübernahme für eine Integrationskraft während des vormittäglichen Schulbesuchs im Umfang von maximal 21 Wochenstunden (bestandskräftiger Bescheid vom 30.5.2012). Mit gesondertem Bescheid bewilligte sie für die Teilnahme an der OGS (nur) einkommens- und vermögensabhängige Leistungen des familienunterstützenden Dienstes (FuD) im Umfang von maximal 24 Wochenstunden und setzte hierfür einen monatlichen Kostenbeitrag aus Einkommen von 1339,19 Euro ab Oktober 2012 fest, der unmittelbar an den FuD zu zahlen sei (Bescheid vom 23.7.2012, Widerspruchsbescheid unter Beteiligung sozial erfahrener Dritter vom 28.9.2012). Die OGS sei keine Maßnahme zur angemessenen Schulbildung. Da sie erst im Anschluss an den regulären Unterricht stattfinde, diene sie nicht der Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht. Es handle sich um ein außerschulisches Angebot.
Während das Sozialgericht (SG) Detmold die Beklagte verurteilt hat, die Kosten des Integrationshelfers auch für die OGS zu übernehmen (Urteil vom 28.10.2014), hat das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 7.11.2016). Die Maßnahmen seien nicht erforderlich für das Erreichen der Eingliederungsziele gewesen, da der Besuch der OGS weder rechtlich noch tatsächlich erforderlich gewesen sei, um am vormittäglichen gemeinsamen Schulunterricht teilzunehmen. Die OGS sei keine Schulpflichtveranstaltung, sondern lediglich ein außerunterrichtliches Angebot. Es sei deshalb davon auszugehen, dass das für den Schulbesuch maßgebliche Bildungsziel auch ohne Besuch der OGS hätte erreicht werden können. Die mit der OGS geförderte Integration in die Klassengemeinschaft könne eine Erforderlichkeit nicht begründen. Dass der Schulbesuch erleichtert worden sein dürfte, sei lediglich mittelbare Folge des Besuchs der OGS. Insbesondere sei die in der OGS erfolgte Hausaufgabenbetreuung nicht erforderlich gewesen. Zwar möge insoweit ein objektiv finaler Bezug zur erfolgreichen Beschulung im gemeinsamen Unterricht bestehen; die Betreuung der Hausaufgaben hätte jedoch auch im häuslichen Bereich erfolgen können. Die Auffassungen der Lehrkräfte, dass ohne die Teilnahme an der OGS der Lernerfolg des Klägers an der R. fraglich gewesen wäre, würden nicht geteilt, da es am finalen Bezug zum vormittäglichen gemeinsamen Unterricht fehle.
Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - (SGB XII). Das LSG habe seine besondere Situation und seine individuellen Bildungsziele nicht berücksichtigt. Die Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung seien auf die Bedürfnisse des behinderten Schülers ausgerichtet. Der Besuch der OGS sei für den Schulbesuch erforderlich und geeignet gewesen. Hätte er als einziger Schüler der Klasse nicht an der OGS teilgenommen, wären seine Bildungsziele nicht erreichbar gewesen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 7. November 2016 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 28. Oktober 2014 mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Beklagte verurteilt wird, dem Kläger 694,69 Euro zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.
Der Beigeladene stellt keinen Antrag.
EntscheidungsgründeDie Revision ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>). Der Senat kann mangels ausreichender Feststellungen des LSG nicht beurteilen, ob der geltend gemachte Anspruch besteht.
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 23.7.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.9.2012 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte die Übernahme von Kosten eines Integrationshelfers während des Besuchs der OGS abgelehnt hat. In zeitlicher Hinsicht haben die Beteiligten den Streitgegenstand auf den Monat April 2013 begrenzt. Da die für April 2013 angefallenen Kosten vom Kläger an den Beigeladenen bereits gezahlt worden sind, macht er gegen die Beklagte mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (vgl BSGE 110, 301 = SozR 4-3500 § 54 Nr 8, RdNr 9) nur noch einen Anspruch auf Erstattung der Kosten auf Grundlage von § 15 Abs 1 Satz 4 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - <SGB IX> (in der Normfassung des SGB IX vom 19.6.2001, BGBl I 1046) geltend.
Ob die Beklagte in der Sache als örtlicher Träger der Sozialhilfe endgültig sachlich (§ 97 Abs 1 SGB XII iVm § 3 Abs 2 SGB XII und § 1 Abs 1 Landesausführungsgesetz zum SGB XII für das Land Nordrhein-Westfalen
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