Urteil Nr. B 8 SO 5/17 R des Bundessozialgericht, 2018-08-28
Judgment Date | 28 Agosto 2018 |
ECLI | DE:BSG:2018:280818UB8SO517R0 |
Judgement Number | B 8 SO 5/17 R |
Court | Der Bundessozialgericht (Deutschland) |
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 14. Dezember 2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Im Streit ist die Erstattung von Kosten für eine 2009 durchgeführte Maßnahme ("Petö-Block-Therapie") in Höhe von insgesamt 6262,80 Euro.
Der 1994 geborene Kläger leidet an einer Tetraparese, Visus- und Sprachstörung (Grad der Behinderung von 100; Merkzeichen B, G, RF, aG und H). Für seinen Schulbesuch im Jahr 2009 an einem Förderzentrum für körperliche und motorische Entwicklung übernahm der Beklagte eine Schulbegleitung für 26 bzw 27,5 Stunden wöchentlich. Seinen Antrag (Schreiben vom 20.11.2008) auf Übernahme der Kosten für eine im Jahr 2009 vorgesehene Petö-Block-Therapie lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom 8.1.2009; Widerspruchsbescheid vom 7.4.2009). Der Kläger nahm vom 30.3. bis 24.4., 27.7. bis 21.8. und 12. bis 30.10.2009 an der Maßnahme teil. Die Kosten hierfür in Höhe von insgesamt 6262,80 Euro wurden mit privater Unterstützung beglichen.
Die gegen die Ablehnung der Kostenübernahme durch den Beklagten gerichtete Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben (Urteil des Sozialgerichts <SG> Schleswig vom 30.8.2013; Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts <LSG> vom 14.12.2016). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, der Beklagte sei nicht zur Kostenerstattung verpflichtet. Zwar komme die Petö-Therapie grundsätzlich als Leistung der sozialen Rehabilitation in Betracht. Bei der konkret durchgeführten Maßnahme habe es sich aber um eine solche der medizinischen Rehabilitation gehandelt, weil sie direkt an der Behandlung der behinderungsbedingten Störung angesetzt habe. Mit der Therapie habe ausschließlich eine Förderung der grobmotorischen Fähigkeiten des Klägers erreicht werden sollen. Hierfür sei der Beklagte nicht leistungspflichtig, weil die Petö-Therapie keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung sei. Auf die mit der Maßnahme verbundenen positiven Auswirkungen auf den Schulbesuch sei insoweit nicht abzustellen.
Mit seiner Revision rügt der Kläger (sinngemäß) die Verletzung der § 53 Abs 1 Satz 1, § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) und § 12 Nr 1 Eingliederungshilfe-Verordnung (Eingliederungshilfe-VO) und macht einen Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 103 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) geltend. Die Petö-Therapie sei als Hilfe zur angemessenen Schulbildung darauf gerichtet gewesen, ihm durch die motorischen Verbesserungen den Schulbesuch zu erleichtern. Das LSG habe einen Therapiebericht (vom 23.7.2013) unzutreffend gewürdigt und sei verpflichtet gewesen, seinen Beweisanträgen über den Zusammenhang der motorischen und kognitiven Fähigkeiten nachzugehen.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 14. Dezember 2016 und des Sozialgerichts Schleswig vom 30. August 2013 sowie den Bescheid des Beklagten vom 8. Januar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. April 2009 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm 6.262,80 Euro zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
EntscheidungsgründeDie zulässige Revision ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Kostenerstattung für die 2009 durchgeführte Maßnahme.
Gegenstand des Verfahrens (§ 95 SGG) ist der Bescheid des Beklagten vom 8.1.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7.4.2009, bei dessen Erlass sozial erfahrene Dritte beteiligt wurden (§ 116 Abs 2 SGB XII in der Normfassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003, BGBl I 3022; nichts Abweichendes bestimmt § 7 Abs 1 Satz 2 Schleswig Holsteinisches
Richtiger Beklagter ist Kiels Oberbürgermeister als beteiligtenfähige Behörde iS von § 70 Nr 3 SGG. Danach sind Behörden beteiligtenfähig (Behördenprinzip), sofern - wie hier (§ 62 Landesjustizgesetz-SH vom 17.4.2018, GVBl 231, bis 31.5.2018 § 5 Ausführungsgesetz zum SGG
Von Amts wegen zu beachtende Verfahrensmängel liegen nicht vor. Insbesondere ist eine Beiladung der Leistungserbringerin nach § 75 Abs 2 Satz 1 Alt 1 SGG (echte notwendige Beiladung) nicht erforderlich, da diese bei einem Streit um die Erstattung bereits verauslagter Kosten nicht einmal mittelbar betroffen ist (stRspr; vgl nur BSG Urteil vom 20.4.2016 - B 8 SO 20/14 R - Juris RdNr 13 mwN).
Rechtsgrundlage für die begehrte Kostenerstattung ist § 15 Abs 1 Satz 4 Alt Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - <SGB IX> (in der Normfassung des Gesetzes vom 19.6.2001 <BGBl I 1046> nachfolgend: SGB IX aF; vgl nunmehr § 18 Abs 6 Satz 1 Alt 2 SGB IX in der Normfassung des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen, Bundesteilhabegesetz - BTHG vom 23.12.2016 <BGBl I 3234>, nachfolgend SGB IX nF). Danach sind selbstbeschaffte Leistungen zu erstatten, wenn der Rehabilitationsträger eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (hierzu vgl zB BSGE 102, 126 = SozR 4-3500 § 54 Nr 3, RdNr 11; anders bei von vornherein auf Geldleistungen gerichteten Ansprüchen, vgl zB BSGE 103, 171 = SozR 4-3500 § 54 Nr 5, RdNr 12). Diese Voraussetzungen liegen nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) nicht vor.
Als Rechtsgrundlagen für die ursprünglich beantragte Sachleistung kommt § 19 Abs 3 SGB XII (in der Normfassung des Gesetzes zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung <RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz> vom 20.4.2007, BGBl I 554) iVm § 53 Abs 1 Satz 1, § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII (jeweils in der Normfassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003, BGBl I 3022; § 54 SGB XII für die Zeit ab 5.8.2009 in der Normfassung des Gesetzes zur Regelung des Assistenzpflegebedarfs im Krankenhaus vom 30.7.2009, BGBl I 2495) in Betracht.
Der Beklagte ist als örtlicher Träger der Sozialhilfe (§ 3 Abs 2 SGB XII iVm § 1 Abs 1 AG-SGB XII) für die als Eingliederungshilfe beantragte Petö-Therapie sachlich zuständig. Nach § 97 Abs 1 und 2 SGB XII iVm § 2 Abs 1 AG-SGB XII ist der örtliche Träger der Sozialhilfe ua für (alle) Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen sachlich zuständig. Seine örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 98 Abs 1 SGB XII. Der...
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