Urteil Nr. I ZR 193/18 des I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs, 20-02-2020

ECLIECLI:DE:BGH:2020:200220UIZR193.18.0
Docket NumberI ZR 193/18
Date20 Febrero 2020
CourtI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs
ECLI:DE:BGH:2020:200220UIZR193.18.0
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 193/18 Verkündet am:
20. Februar 2020
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Kundenbewertungen auf Amazon
GG Art. 5 Abs. 1 Satz 1; UWG § 3 Abs. 1, § 3a, § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1, § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 2;
HWG § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11
a) Den Anbieter eines auf der Online-Handelsplattform Amazon angebotenen Produkts trifft für nicht von ihm
veranlasste Kundenbewertungen keine wettbewerbsrechtliche Haftung, wenn er sich diese Bewertungen
nicht zu eigen macht.
Für die Beurteilung, ob eine wegen wettbewerbswidriger Werbung in Anspruch genommene Person sich
fremde Äußerungen zu eigen macht, k ommt es entscheidend darauf an, ob sie nach außen erkennbar die
inhaltliche Verantwortung für die Äußerungen Dritter übernimmt oder den zurechenbaren Anschein erweckt,
sie identifiziere sich mit ihnen. Dieser Maßstab gilt auch im Heilmittelwerberecht.
b) Ob das Angebot auf der Online-Handelsplattform Amazon eine Garantenstellung mit der Rechtspflicht be-
gründet, eine Irreführung durch Kundenbewertungen abzuwenden, bestimmt sich nach den Umständen des
konkreten Einzelfalls und bedarf einer Abwägung.
c) Bei dieser Abwägung ist zu berücksichtigen, dass Kundenbewertungssysteme auf Online -
Handelsplattformen gesellschaftlich erwünscht sind und verfassungsrechtlichen Schutz genießen. Das Inte-
resse von Verbraucherinnen und Verbrauchern, sich zu Produkten zu äußern und sich vor dem Kauf über
Eigenschaften, Vorzüge und Nachteile eines Produkts aus verschiedenen Quellen, zu denen auch Bewer-
tungen anderer Kunden gehören, zu info rmieren oder auszutauschen, wird durch die Meinungs- und Infor-
mationsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt. Bei einem Angebot von Arzneimitteln oder Medizin-
produkten kann allerdings das Rechtsgut der öffentlichen Gesundheit bei der Abwägung zu berücksichtigen
sein.
d) Gibt der Anbieter eines auf einer Online-Handelsplattform angebotenen Produkts selbst irreführende oder
gefälschte Kundenbewertungen ab, bezahlt er dafür oder können ihm die Kundenbewertungen aus anderen
Gründen als Werbung zugerechnet werden, haftet er als Täter, gegebenenfalls Mittäter, eines W ettbewerbs-
verstoßes.
BGH, Urteil vom 20. Februar 2020 - I ZR 193/18 - OLG Hamm
LG Essen
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Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhand-
lung vom 14. November 2019 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Koch,
den Richter Dr. Löffler, die Richterin Dr. Schwonke, den Richter Feddersen und
die Richterin Dr. Schmaltz
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesge-
richts Hamm vom 11. September 2018 wird auf Kosten des Klägers
zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger, der Verband Sozialer Wettbewerb e.V., ist ein eingetragener
Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen
Interessen seiner Mitglieder gehört.
Die Beklagte vertreibt Kinesiologie-Tapes. Im Jahre 2013 bewarb sie die
Tapes mit der Angabe, diese seien zur Schmerzbehandlung geeignet. Da dies
medizinisch nicht gesichert nachweisbar ist, gab die Beklagte gegenüber dem
Kläger auf dessen Abmahnung eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab.
Sie verpflichtete sich dazu, zukünftig für Kinesiologie-Tapes und insbesondere
für das Produkt "Gitter Tape" nicht mehr mit Werbeaussagen wie "Kleben Sie
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