Urteil Nr. I ZR 176/18 des I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs, 20-02-2020

ECLIECLI:DE:BGH:2020:200220UIZR176.18.0
Docket NumberI ZR 176/18
Date20 Febrero 2020
CourtI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs
ECLI:DE:BGH:2020:200220UIZR176.18.0
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 176/18 Verkündet am:
20. Februar 2020
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Das Boot II
UrhG § 32 Abs. 2 Satz 2, § 32a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 und 2
a) Bei der Bestimmung einer weiteren angemessenen Beteiligung im Sinne von § 32a UrhG geht es
ebenso wie bei der Anwendung des § 32 Abs. 2 Satz 2 UrhG darum, dass das Tatgericht im Rahmen
seines weit gefassten Ermessens gemäß § 287 Abs. 2 ZPO im Einzelfall die nach den Umständen
sachgerechteste Bewertungsart auszuwählen und anzuwenden hat, um der vom Gesetzgeber ledig-
lich generalklauselartig und unspezifisch gefassten Aufgabe gerecht zu werden, eine an gemessenen
Beteiligung des Urhebers an den Vorteilen der Auswertung des von ihm (mit)geschaffenen Werks si-
cherzustellen.
b) Im Rahmen dieses weit gefassten Ermessens kann das Tatgericht auch tarifvertragliche Bestimmun-
gen oder gemeinsame Vergütungsregeln indiziell h eranziehen, die auf den in Rede stehenden Sach-
verhalt sachlich und/oder p ersonell nicht anwendbar sind, sofern es die sachlichen Übereinstimmun-
gen und Unterschiede des Einzelfalls in den Blick nimmt und diesen durch eine unter Umständen
modifizierende Anwendung dieser Bestimmungen Rechnung trägt.
c) Voraussetzung der Verpflichtung des Dritten auf Leistung einer weiteren angemessenen Beteiligung
gemäß § 32a Abs. 2 Satz 1 UrhG ist, dass diesem Nutzungsrechte übertragen oder eingeräumt wor-
den sind und er aus der Nutzung dieser Rechte Erträgnisse oder Vorteile erzielt hat, zu denen die
vereinbarte Gegenleistung für die Übertragung oder Einräumung dieser Nutzungsrechte in einem
auffälligen Missverhältnis steht. Bei der Prüfung des auffälligen Missverhältnisses gemäß § 32a Abs.
2 Satz 1 UrhG ist daher nur der Teil der vereinbarten Gegenleistung zu berücksichtigen, der auf die
Übertragung oder Einräumung der vom Dritten verwerteten Nutzungsrechte entfällt.
d) Bei dwer Bestimmung de r vereinbarten Gegenleistung im Rahmen des § 32a Abs. 2 Satz 1 UrhG
sind etwaige Ansprüche des Urhebers auf weitere angemessene Beteiligung nach § 32a Abs. 1 Satz
1 UrhG jedenfalls dann nicht zu berücksichtigen, wenn er sie noch nicht durchgesetzt hat.
BGH, Urteil vom 20. Februar 2020 - I ZR 176/18 - OLG Stuttgart
LG Stuttgart
- 2 -
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 2. Oktober 2019 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Koch, den Richter
Dr. Löffler, die Richterinnen Dr. Schwonke und Dr. Schmaltz sowie den Richter
Odörfer
für Recht erkannt:
Auf die Revisionen des Klägers und der Beklagten wird das Urteil
des Oberlandesgerichts Stuttgart - 4. Zivilsenat - vom 26. Septem-
ber 2018 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht
zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger war Chefkameramann des von der Bavaria Atelier GmbH (heu-
te: Bavaria Film GmbH, nachfolgend: Produktionsgesellschaft) in den Jahren
1980/1981 hergestellten Filmwerks "Das Boot". Die Beklagten sind öffentlich-
rechtliche Rundfunkanstalten, die zusammen mit dem in einem gesonderten
Rechtsstreit in Anspruch genommenen Westdeutschen Rundfunk (WDR) in der
Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in der Bun-
desrepublik Deutschland (ARD) zusammengeschlossen sind.
1
- 3 -
Von dem Film "Das Boot" wurde bereits 1980/1981 eine Kinofassung, eine
Spielfilmfassung und eine Fernsehfassung in Form einer dreiteiligen und einer
sechsteiligen Fernsehserie hergestellt. Der Film wurde national und internatio-
nal im Kino, im Fernsehen und auf verschiedenen Bild-/Tonträgern (Videokas-
sette, DVD) ausgewertet. 1997 wurde eine weitere längere Spielfilmfassung
("Director's Cut") hergestellt, die zunächst national und international im Kino
und sodann im Fernsehen und auf Bild-/Tonträgern ausgewertet wurde. Die
Produktionsgesellschaft oder ihre Tochtergesellschaft lizenzierten die Fassun-
gen des Films "Das Boot" an die Beklagten und den WDR zur Auswertung im
deutschen Fernsehen.
Der Kläger erhielt für seine Mitwirkung an der Produktion des Films eine
Pauschalvergütung, die nach seinem Vorbringen 172.900 DM und nach dem
Vorbringen der Beklagten 292.900 DM betrug. Nach seiner Auffassung steht
diese an ihn gezahlte Pauschalvergütung ("Buy-Out-Vergütung") in einem auf-
fälligen Missverhältnis im Sinne von § 32a UrhG zu den von den Verwertern
aus der umfangreichen Werknutzung gezogenen Erträgen und Vorteilen.
Der Kläger hatte zunächst die Produktionsgesellschaft, den WDR und den
Vertreiber von Bild-/Tonträgern im Rahmen einer Stufenklage zur Vorbereitung
von Ansprüchen auf angemessene weitere Beteiligung auf Auskunftserteilung
und Rechnungslegung in Anspruch genommen (vgl. dazu BGH, Urteil vom
22. September 2011 - I ZR 127/10, GRUR 2012, 496 = WRP 2012, 565 - Das
Boot I; OLG München, GRUR-RR 2013, 276). Sodann hat er diese Parteien auf
Zahlung und Feststellung der Zahlungspflicht für die Zukunft in Anspruch ge-
nommen (vgl. OLG München, GRUR-RR 2018, 225; Revision beim Bundesge-
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