Urteil Nr. I ZR 115/16 des I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs, 30-04-2020

ECLIECLI:DE:BGH:2020:300420UIZR115.16.0
Docket NumberI ZR 115/16
Date30 Abril 2020
CourtI. Zivilsenat
ECLI:DE:BGH:2020:300420UIZR115.16.0
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 115/16 Verkündet am:
30. April 2020
Uytterhaegen
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Metall auf Metall IV
Richtlinie 2001/29/EG Art. 2 Buchst. c, Art. 4 Abs. 1, Art. 5 Abs. 3 Buchst. d, i und k,
Art. 8 Abs. 1; Richtlinie 2006/115/EG Art. 9 Abs. 1 Buchst. b; UrhG § 16, § 17, § 24,
§ 51, § 57, § 63, § 85 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 und 2, § 96 Abs. 1
a) Die Übernahme eines im Wege des elektronischen Kopierens (Sampling) ent-
nommenen Audiofragments in ein neues Werk stellt eine Vervielfältigung im Sinne
des Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2001/29/EG und des nach dieser Vorschrift
richtlinienkonform auszulegenden § 85 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 UrhG dar, wenn das
Audiofragment nach dem Hörverständnis eines durchschnittlichen Musikhörers in
wiedererkennbarer Form übernommen wird.
b) Das Vervielfältigungsrecht des Tonträgerherstellers gemäß § 85 Abs. 1 Satz 1 Fall
1 UrhG kann durch das Recht zur freien Benutzung nach dem mit Blick auf die
Richtlinie 2001/29/EG richtlinienkonform auszulegenden § 24 Abs. 1 UrhG nur
eingeschränkt werden, sofern die Voraussetzungen einer der in Art. 5 dieser
Richtlinie in Bezug auf das Recht des Tonträgerherstellers aus Art. 2 Buchst. c
dieser Richtlinie vorgesehenen Ausnahmen oder Beschränkungen erfüllt sind.
c) Der deutsche Gesetzgeber hat von der in Art. 5 Abs. 3 Buchst. k der Richtlinie
2001/29/EG vorgesehenen Möglichkeit, eine eigenständige Schrankenregelung für
die Nutzung von Werken oder sonstigen Schutzgegenständen zum Zwecke von
Pastiches vorzusehen, keinen Gebrauch gemacht.
- 2 -
d) Der in den Richtlinien 2001/29/EG und 2006/115/EG vorgesehene Inhalt der Ver-
wertungsrechte determiniert auch die im Falle ihrer Verletzung zu untersagenden
Handlungsmodalitäten. Ist allein das in Art. 2 der Richtlinie 2001/29/EG und § 85
Abs. 1 Satz 1 Fall 1 UrhG vorgesehene Vervielfältigungsrecht verletzt, das dem
Inhaber die Handlungsmodalitäten der unmittelbaren oder mittelbaren, vorüberge-
henden oder dauerhaften, auf jede Art und Weise und in jeder Form ganz oder
teilweise erfolgenden Vervielfältigung vorbehält, so darf dieser Schutz nicht über
eine Anwendung des § 96 Abs. 1 UrhG in den Bereich von Handlungsmodalitäten
ausgedehnt werden, die anderen Verwertungsrechten (im Streitfall: dem Verbrei-
tungsrecht gemäß Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/115/EG) vorbehalten
sind.
e) Hebt das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der Entscheidung über eine Ur-
teilsverfassungsbeschwerde neben Revisionsurteilen auch ein vorangegangenes
Berufungsurteil auf, ohne die aufhebende Wirkung dieses Ausspruchs zu be-
schränken, erstreckt sich die Aufhebung auch auf die in diesem Berufungsurteil
getroffenen tatsächlichen Feststellungen, auf die deshalb im wiedereröffneten Re-
visionsverfahren nicht zurückgegriffen werden kann.
BGH, Urteil vom 30. April 2020 - I ZR 115/16 - OLG Hamburg
LG Hamburg
- 3 -
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche
Verhandlung vom 9. Januar 2020 durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Koch, den Richter Dr. Löffler, die Richterin Dr. Schwonke, den Richter
Feddersen und die Richterin Dr. Schmaltz
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hanseatischen
Oberlandesgerichts Hamburg - 5. Zivilsenat - vom 7. Juni 2006
aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entschei-
dung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht
zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Kläger sind Mitglieder der Musikgruppe "Kraftwerk". Diese veröffent-
lichte im Jahr 1977 einen Tonträger, auf dem sich das Musikstück "Metall auf
Metall" befindet. Die Beklagten zu 2 und 3 sind die Komponisten des Titels "Nur
mir", den die Beklagte zu 1 mit der Sängerin Sabrina Setlur auf im Jahr 1997
erschienenen Tonträgern eingespielt hat.
Die Kläger behaupten, die Beklagten hätten etwa zwei Sekunden einer
Rhythmussequenz aus dem Titel "Metall auf Metall" elektronisch kopiert ("ge-
sampelt") und dem Titel "Nur mir" in fortlaufender Wiederholung unterlegt, ob-
wohl es ihnen möglich gewesen wäre, die übernommene Rhythmussequenz
selbst einzuspielen. Sie meinen, die Beklagten hätten damit ihr Leistungs-
schutzrecht als Tonträgerhersteller verletzt. Hilfsweise stützen sie sich auf ihr
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