Urteil Nr. III ZR 3/21 des III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs, 27-01-2022

ECLIECLI:DE:BGH:2022:270122UIIIZR3.21.0
Docket NumberIII ZR 3/21
Date27 Enero 2022
CourtIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs
ECLI:DE:BGH:2022:270122UIIIZR3.21.0
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 3/21
Verkündet am:
27. Januar 2022
Uytterhaegen
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Klarnamenpflicht, Facebook
BGB § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 (A., Bd.); TMG § 13 Abs. 6 Satz 1 aF; Richtlinie
95/46/EG Art. 6 und 7
a) Zeitlicher Bezugspunkt für die Frage, ob eine Bestimmung in Allgemeinen Ge-
schäftsbedingungen unwirksam ist, ist im Individualprozess der Zeitpunkt, zu dem
die Bestimmung in den jeweiligen Vertrag einbezogen worden ist. Wurde der Ver-
tragspartner des Verwenders durch die Bestimmung zu diesem Zeitpunkt unange-
messen benachteiligt, ist sie von Anfang an als unwirksam anzusehen und kann
nicht nachträglich Wirksamkeit erlangen (Anschluss an BGH, Urteil vom 3. Novem-
ber 1999 - VIII ZR 269/98).
b) Der bis zum 30. November 2021 geltende § 13 Abs. 6 Satz 1 TMG, wonach der
Diensteanbieter die Nutzung von Telemedien unter Pseudonym zu ermöglichen
hat, soweit dies technisch möglich und zumutbar ist, ist mit der Richtlinie 95/46/EG
vom 24. Oktober 1995 (Datenschutz-Richtlinie) vereinbar.
c) Bei einer vor Geltung der Verordnung (EU) 2016/679 vom 27. April 2016 (Daten-
schutz-Grundverordnung) in einen Vertrag über die Nutzung eines sozialen Netz-
werks einbezogenen Bestimmung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen ei-
nes Anbieters, nach welcher der Vertragspartner abweichend von § 13 Abs. 6
Satz 1 TMG bei der Nutzung des Netzwerks den im täglichen Leben gebrauchten
Namen zu verwenden hat, ist im Zweifel eine unangemessene Benachteiligung
des Vertragspartners anzunehmen.
BGH, Urteil vom 27. Januar 2022 - III ZR 3/21 - OLG München
LG Traunstein
- 2 -
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 9. Dezember 2021 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Herrmann und die
Richter Reiter, Dr. Kessen, Dr. Herr und Liepin
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Oberlandesge-
richts München - 18. Zivilsenat - vom 8. Dezember 2020 aufgeho-
ben und wie folgt neu gefasst:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts
Traunstein - 8. Zivilkammer - vom 2. Mai 2019 teilweise abge-
ändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, es zu dulden, dass der Kläger sei-
nen Profilnamen für sein unter dem Profil https://www.f.
.com/g. angelegtes Nutzerkonto in
ein Pseudonym ändert, und dem Kläger unter Verwendung
des gewählten Profilnamens Zugriff auf die Funktionen dieses
Kontos zu gewähren.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits in erster und zweiter Instanz ha-
ben der Kläger zu 60 % und die Beklagte zu 40 % zu tragen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Von Rechts wegen
- 3 -
Tatbestand
Der Kläger unterhält ein privates Nutzerkonto für ein von der Muttergesell-
schaft der Beklagten betriebenes weltweites soziales Netzwerk (fortan: Netz-
werk), dessen Anbieterin für Nutzer mit Sitz in Deutschland die Beklagte ist. Die
Parteien streiten - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - dar-
über, ob der Kläger berechtigt ist, das Netzwerk unter Verwendung eines Pseu-
donyms zu nutzen.
Der Kläger gab als Namen für sein Profil zunächst "G. M. " an. Im
März 2018 forderte die Beklagte ihn auf, seinen Namen innerhalb der nächsten
sieben Tage zu überprüfen. Nach Ablauf dieses Zeitraums könne er sich erst
wieder anmelden, wenn er seinen Namen aktualisiert habe. Am 23. März 2018
sperrte die Beklagte sein Nutzerkonto und schaltete es erst nach Änderung des
Profilnamens in "D. O. " wieder frei.
Zum 19. April 2018 änderte die Beklagte die von ihr für die Nutzung des
Netzwerks vorgegebenen Nutzungsbedingungen. Die geänderten Nutzungsbe-
dingungen, denen der Kläger am 30. April 2018 zustimmte, lauten auszugsweise
wie folgt:
"3. Deine Verpflichtungen gegenüber F. und unserer Gemein-
schaft
Wir stellen dir und anderen diese Dienste bereit, um unsere Mission vor-
anzubringen. Im Gegenzug ist es notwendig, dass du folgende Verpflich-
tungen eingehst:
1. Wer F. nutzen kann
Wenn Personen hinter ihren Meinungen und Handlungen stehen, ist un-
sere Gemeinschaft sicherer und kann stärker zur Rechenschaft gezogen
werden. Aus diesem Grund musst du Folgendes tun:
1
2
3

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