Urteil vom 03.02.2022 - BVerwG 7 C 2.21

Judgment Date03 Febrero 2022
ECLIDE:BVerwG:2022:030222U7C2.21.0
Neutral CitationBVerwG 7 C 2.21
CitationBVerwG, Urteil vom 03.02.2022 - 7 C 2.21 -
Record Number030222U7C2.21.0
Registration Date05 Mayo 2022
Applied RulesGG Art. 74 Abs. 1 Nr. 17, 18, 29, Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2,UVPG § 2 Abs. 1,BBodSchG §§ 1, 2 Abs. 2,BNatSchG § 1 Abs. 1 und 3 Nr. 2, § 7 Abs. 1 Nr. 2, § 63 Abs. 1, § 64 Abs. 1 Nr. 2
Subject MatterUmweltschutzrecht, insbesondere Chemikalienrecht und Immissionsschutzrecht
CourtDas Bundesverwaltungsgericht

BVerwG 7 C 2.21

  • VG Halle - 18.06.2019 - AZ: 8 A 327/18 HAL
  • OVG Magdeburg - 20.05.2021 - AZ: 2 L 77/19

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 3. Februar 2022
durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schemmer,
Dr. Löffelbein, Dr. Wöckel und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Bähr
für Recht erkannt:

  1. Auf die Revision der Beklagten wird der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 20. Mai 2021 geändert. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle vom 18. Juni 2019 wird zurückgewiesen
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens
Gründe I

1 Der Kläger, ein 1995 gegründeter, eingetragener Verein, der sich bundesweit für die Belange des Bodenschutzes einsetzt, begehrt seine Anerkennung als Naturschutzvereinigung.

2 Nach § 2 Satz 2 seiner Satzung ist der Zweck des Vereins der Schutz und die Erhaltung des Bodens als Naturkörper mit seinen natürlichen Funktionen, seiner Archiv- und Nutzungsfunktionen sowie als Grundlage für Landschaftspflege und Naturschutz.

3 Mit Bescheid vom 15. November 2016 erkannte das Umweltbundesamt den Kläger als Umweltvereinigung an und lehnte zugleich seinen Antrag auf Anerkennung als Naturschutzvereinigung ab, nachdem das Bundesamt für Naturschutz sein Einvernehmen hierzu nicht erteilt hatte. Die Anerkennung einer Vereinigung als Naturschutzvereinigung erfordere neben dem Vorliegen der Voraussetzungen der Anerkennung als Umweltvereinigung, dass die Vereinigung "im Schwerpunkt die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege fördert". Dies setze voraus, dass die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege gegenüber anderen Zielen der Vereinigung überwögen. Der Kläger fördere Ziele des Umweltschutzes und auch Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege, diese jedoch nicht im Schwerpunkt. Der satzungsgemäße Zweck des Klägers entspreche den Zielen des Bundes-Bodenschutzgesetzes. Der Bodenschutz habe zwar Schnittmengen mit den Zielen des Naturschutzes und der Landschaftspflege. Die Ziele des Naturschutzes nähmen jedoch die vielfältigen Wechselbeziehungen der Naturgüter im Naturhaushalt, die biologische Vielfalt und die Natur als Lebensraum für Pflanzen und Tiere in den Blick. Dies erfordere einen holistischen Ansatz von Schutzbestrebungen und Maßnahmen, der mit der Beschränkung auf den Schutz eines einzelnen Umweltmediums, wie dem Boden, nicht zu verwirklichen sei. Der Schutz einzelner Umweltmedien sei dem klassischen Umweltschutz zuzuordnen. Das Widerspruchsverfahren blieb erfolglos.

4 Die hiergegen gerichtete Klage vor dem Verwaltungsgericht hatte keinen Erfolg. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht die Beklagte verpflichtet, ihn als Naturschutzvereinigung anzuerkennen. Der Kläger fördere die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege durch Erhaltung der Funktion der Böden im Naturhaushalt. Der satzungsgemäße Zweck des Klägers stimme im Wesentlichen mit dem in § 1 Satz 1 BBodSchG geregelten Zweck des Bundes-Bodenschutzgesetzes überein, nachhaltig die Funktionen des Bodens zu sichern und wiederherzustellen. Der Kläger fördere nach seiner Satzung die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege auch im Schwerpunkt. Für die Anerkennung sei ausreichend, dass ein wesentlicher Teil des satzungsgemäßen Aufgabenbereichs der Vereinigung auf die Förderung der Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege gerichtet sei. Entscheidend sei eine ausreichende Kompetenz der Vereinigung im Naturschutz und in der Landschaftspflege.

5 Die Beklagte hat die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision eingelegt. Sie macht geltend: Das Oberverwaltungsgericht lege den Begriff des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu weit aus. Bodenschutz sei nicht in allen Fällen mit dem Erhalt der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts gleichzusetzen. Der erforderliche holistische Ansatz könne nicht mit den Wechselwirkungen innerhalb nur eines Naturgutes begründet werden. Weiter lege das Oberverwaltungsgericht das Tatbestandsmerkmal "im Schwerpunkt" rechtsfehlerhaft aus. Zu verlangen sei, dass die Vereinigung nach ihrer Satzung die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege gegenüber anderen Zielen überwiegend verfolge.

6 Die Beklagte beantragt,
den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 20. Mai 2021 zu ändern und die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

7 Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8 Der Kläger verteidigt den angefochtenen Beschluss. Sein satzungsgemäßer Aufgabenbereich sei nicht auf das Umweltmedium Boden als räumlich abgrenzbarer Teil der Erdoberfläche begrenzt, sondern verfolge einen funktionalen und damit medienübergreifenden Ansatz. Eine Förderung der Ziele von Naturschutz und Landschaftspflege "im Schwerpunkt" erfordere nicht, dass sämtliche in § 1 BNatSchG genannten und konkretisierten Ziele gleichermaßen und mit gleicher Intensität verfolgt würden. Keines der dort genannten und konkretisierten Ziele sei ohne einen Schutz des Bodens realisierbar.

II

9 Die Revision hat Erfolg. Sie ist zulässig und begründet.

10 Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Er stellt...

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