Urteil vom 03. Juli 2000 - 2 BvG 1/96
Datum der Entscheidung: | 2000/07/03 |
L e i t s a t z
zum Urteil des Zweiten Senats
vom 3. Juli 2000
- 2 BvG 1/96 -
Die Verwaltungszuständigkeit für "Bundesautobahnen und sonstige Bundesstraßen des Fernverkehrs" im Sinne von Art. 90 Abs. 2 GG reicht jedenfalls nicht weiter als die damit korrespondierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes für "den Bau und die Unterhaltung von Landstraßen für den Fernverkehr" nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG. Dies begrenzt zugleich die Weisungsbefugnis im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvG 1/96 -
Verkündet am 3. Juli 2000
Rieger
Regierungsangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
über den Antrag festzustellen, dass
das Land Schleswig-Holstein dadurch gegen Artikel 85 Absatz 3 des Grundgesetzes verstößt, dass das Ministerium für Wirtschaft, Technik und Verkehr des Landes Schleswig-Holstein sich weigert, der Weisung des Bundesministeriums für Verkehr vom 26. Juli 1995 (StB 15/38.10.00/19 SH 95) über die Abstufung der Bundesstraße B 75 zwischen Lübeck (A 226) und Bad Oldesloe (B 404) zum Ende des laufenden Rechnungsjahres in die sich aus dem Landesrecht ergebende Straßenklasse zu folgen,
Antragstellerin: | Bundesregierung, vertreten durch den Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Krausenstraße 17-20, Berlin |
Mozartstraße 4-10, Bonn -
Antragsgegnerin: | Landesregierung des Landes
Schleswig-Holstein, vertreten durch die Ministerpräsidentin, Landeshaus, Düsternbrooker Weg 70, Kiel |
Holstenstraße 37, Kiel -
hat das Bundesverfassungsgericht - Zweiter Senat - unter Mitwirkung der Richterinnen und Richter
Präsidentin Limbach,
Sommer,
Jentsch,
Hassemer,
Broß,
Osterloh,
Di Fabio
auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 28. März 2000 durch
für Recht erkannt:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Der Bund-Länder-Streit betrifft die Weigerung des Landes Schleswig-Holstein, entsprechend einer Weisung des Bundes nach Art. 85 Abs. 3 GG ein Teilstück der Bundesstraße B 75 in eine Straßenklasse nach Landesrecht abzustufen.
I.
1. Die heutige Bundesstraße B 75 verbindet die Hansestädte Hamburg und Lübeck. Sie war vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes Reichsstraße und hat gemäß Art. 134 Abs. 4 GG in Verbindung mit § 24 Abs. 4 FStrG den Status einer Bundesstraße erhalten.
In den Jahren 1937/38 war dazu im Wesentlichen parallel die Autobahn Hamburg-Lübeck (A 1) als Reichsautobahn gebaut worden. Eine Veränderung der Straßenklasse der damaligen Reichsstraße hatte dies nicht zur Folge.
Die in Streit stehende Weisung betrifft das Teilstück der Bundesstraße B 75 zwischen Lübeck (A 226) und Bad Oldesloe (B 404).
2. a) In seinen "Bemerkungen 1986 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes" äußerte der Bundesrechnungshof Zweifel daran, ob rund 3.500 Kilometer Bundesstraßen, die in unmittelbarer Nähe parallel zu Bundesautobahnen verlaufen, noch dem weiträumigen Verkehr dienten. Er forderte den Bundesminister für Verkehr auf, für 54 Teilstrecken zu prüfen, ob die Einstufung als Bundesfernstraße weiterhin gerechtfertigt sei. Gegebenenfalls sei durch Weisung eine Abstufung zu erreichen (BTDrucks 10/6138, Nr. 16).
Eine daraufhin vom Bundesminister für Verkehr eingeleitete Untersuchung ergab, dass rund 1.500 Kilometer Bundesstraßen in einem mittleren Abstand von nicht mehr als fünf Kilometern parallel zu Autobahnen verliefen und mit diesen ausreichend verknüpft seien.
Der Bundesminister für Verkehr teilte daraufhin den obersten Straßenbaubehörden der Länder mit Schreiben vom 15. Mai 1987 mit, dass beabsichtigt sei, zunächst 1.500 Kilometer Bundesstraßen abzustufen, weil insoweit die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 FStrG nicht mehr vorlägen. Für weitere 1.400 Kilometer Bundesstraßen, die ebenfalls die Voraussetzungen einer Bundesfernstraße nicht mehr erfüllten, solle die Entscheidung vorerst zurückgestellt werden, da für diese Strecken Maßnahmen im Bedarfsplan vorgesehen seien oder sie im Zonenrandgebiet verliefen. Das Schreiben enthielt als Anlage ein Verzeichnis der im jeweiligen Land gelegenen Strecken sowie die Bitte, die Abstufung dieser Straßen einzuleiten und die entsprechenden Abstufungsverfügungen zu übersenden. In dieser Anlage war das hier streitige Teilstück der B 75 dem zweiten Abstufungsschritt vorbehalten, weil es im Zonenrandgebiet belegen war.
b) Nach der Wiedervereinigung kam der Bundesminister für Verkehr auf die bisher zurückgestellten Abstufungsvorhaben zurück und kündigte den Ländern mit Schreiben vom 23. März 1994 die sofortige Umsetzung seines "Abstufungskonzepts für autobahnparallele Bundesstraßen" an.
Das Landesministerium zeigte dem Bundesminister für Verkehr im Juli 1994 schriftlich seine Bereitschaft zur Abstufung verschiedener Strecken an. Es wies jedoch darauf hin, dass eine Abstufung des streitigen Abschnitts der B 75 nicht beabsichtigt sei, da die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 FStrG weiterhin erfüllt seien. Eine Abstufung wäre daher rechtswidrig.
Hierauf erwiderte der Bundesminister für Verkehr mit Schreiben vom 23. August 1994, er halte auch nach Prüfung der...
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