Urteil vom 07.10.2020 - BVerwG 2 C 7.20

JurisdictionGermany
Judgment Date07 Octubre 2020
Neutral CitationBVerwG 2 C 7.20
Subject MatterVersorgungsrecht
Registration Date17 Febrero 2021
CourtDas Bundesverwaltungsgericht
Record Number071020U2C7.20.0

BVerwG 2 C 7.20

  • VG Neustadt a. d. Weinstraße - 11.06.2018 - AZ: VG 3 K 83/18.NW
  • OVG Koblenz - 14.02.2020 - AZ: OVG 10 A 11420/18

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 7. Oktober 2020
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden, Dr. Hartung
und Dollinger sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hampel
ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:

  1. Auf die Revisionen des Klägers und der Beklagten wird das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 14. Februar 2020 dahingehend geändert, dass die erneute Entscheidung über den Antrag des Klägers vom 7. Februar 2014 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts zu erfolgen hat.
  2. Im Übrigen werden die Revisionen zurückgewiesen.
  3. Die Kosten des Verfahrens tragen die Beteiligten je zur Hälfte.
Gründe I

1 Der Kläger begehrt die Aufhebung von Bescheiden, mit denen die Beklagte das Ruhen eines Teils seines Ruhegehalts wegen Versorgungsleistungen aus einer zwischenstaatlichen Verwendung festgestellt hat.

2 Der im Jahr 1945 geborene Kläger ist Soldat im Ruhestand. Während seiner aktiven Dienstzeit war er von Januar 1987 bis September 1990 in einer Einrichtung der NATO (NAMMA) tätig. Er war hierfür von der Beklagten beurlaubt und erhielt von der NATO als Versorgung Kapitalbeträge in Höhe von 42 641,18 DM.

3 Die Beklagte versetzte den Kläger mit Ablauf des 31. März 1998 in den Ruhestand. Mit Bescheid vom 1. April 1998 stellte sie fest, dass die Versorgungsbezüge in Höhe von monatlich 289,69 DM ruhen.

4 Mit Schreiben vom 7. Februar 2014 beantragte der Kläger die Neufestsetzung des Ruhensbetrags und die Nachzahlung zu viel einbehaltener Versorgungsbezüge. Dies lehnte die Beklagte ab und wies den Widerspruch hiergegen zurück. Die Klage des Klägers auf Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung und Nachzahlung blieb vor dem Verwaltungsgericht erfolglos.

5 Das Oberverwaltungsgericht hat die Beklagte bei Berufungszurückweisung im Übrigen verpflichtet, über den Antrag des Klägers vom 7. Februar 2014 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Der Kläger habe einen noch unerfüllten Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Antrag. Der Ruhensbescheid sei von Anfang an rechtswidrig gewesen. Die Beklagte hätte den monatlichen Ruhensbetrag auf die Höhe des verrenteten Kapitalbetrags in Höhe von monatlich 130,09 DM reduzieren müssen. Richtig sei, dass der Ruhensbescheid keinen zeitlichen Endpunkt enthielt. Der Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung habe sich nicht zu einem Anspruch auf Aufhebung des Ruhensbescheids verdichtet.

6 Hiergegen richten sich die wechselseitigen Revisionen des Klägers und der Beklagten.

7 Der Kläger beantragt, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 14. Februar 2020 abzuändern und das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 11. Juni 2018 sowie den Bescheid der Generalzolldirektion vom 21. Februar 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Januar 2018 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, über den Antrag des Klägers vom 7. Februar 2014 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden sowie die Beklagte zu verurteilen, ihm zu Unrecht einbehaltene Versorgungsbezüge nachzuzahlen nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit, hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, nach Rücknahme des Ruhensbescheids und Neubescheidung die sich ergebenden Beträge verzinslich an den Kläger auszukehren, und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, sowie die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

8 Die Beklagte beantragt (sinngemäß), die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 11. Juni 2018 vollständig zurückzuweisen und das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 14. Februar 2020 aufzuheben, soweit es dem entgegensteht, sowie die Revision des Klägers zurückzuweisen.

II

9 Die zulässigen Revisionen des Klägers und der Beklagten, über die der Senat in sachdienlicher Auslegung ihres Begehrens (§ 88 VwGO) und gemäß § 101 Abs. 2, § 141 Satz 1 und § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, sind jeweils zum Teil begründet.

10 Die für die Zulässigkeit der Revision des Klägers erforderliche Beschwer ist gegeben, weil sich die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts nicht mit der des Klägers deckt und für ihn insoweit ungünstig ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 3. Dezember 1981 - 7 C 30.80 u.a. - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 157 S. 51 f., vom 30. Mai 1984 - 4 C 58.81 - BVerwGE 69, 256 und vom 18. Juli 2013 - 5 C 8.12 - BVerwGE 147, 216 Rn. 11 ff.). Maßgeblich ist insoweit insbesondere, dass das Berufungsgericht den Ruhensbescheid vom 1. April 1998 entgegen der Rechtsauffassung des Klägers nicht wegen der Aufzehrung des Kapitalbetrags und des damit verbundenen Fehlens einer zeitlichen Begrenzung als rechtswidrig angesehen hat.

11 Das Berufungsurteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

12 Der Kläger hat einen Anspruch aus § 51 Abs. 5 VwVfG i.V.m. § 48 VwVfG auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Antrag vom 7. Februar 2014. Der Bescheid vom 1. April 1998 ist rechtswidrig, weil die Beklagte darin einen zu hohen Ruhensbetrag festgestellt hatte (1.). Dass die Beklagte das teilweise Ruhen des Ruhegehalts des Klägers ohne zeitliche Begrenzung festgestellt hat, ist hingegen rechtmäßig (2.). In der Rechtsfolgeentscheidung ist das Rücknahmeermessen über das vom Berufungsgericht angenommene Maß hinaus reduziert (3.). Dass es das Berufungsgericht abgelehnt hat, die Beklagte zugleich zur Zahlung zur verpflichten, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (4.).

13 1. Der Bescheid vom 1. April 1998 ist rechtswidrig, weil die Beklagte den von ihr festgestellten Mindestruhensbetrag nicht nach § 55b Abs. 4 Satz 1 des Soldatenversorgungsgesetzes (SVG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 27. Januar 1995 (BGBl. I S. 50) i.V.m. mit § 55b Abs. 1 Satz 3 SVG 1995 begrenzt hat. Diese Regelungen finden im Fall des Klägers Anwendung (a)) und führen zu einem geringeren Ruhensbetrag (b)).

14 a) Das Ruhen der Versorgungsbezüge des Klägers richtet sich im Wesentlichen nach § 55b SVG 1995.

15 Der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage richtet sich nach dem materiellen Recht (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 31. März 2004 - 8 C 5.03 - BVerwGE 120, 246 , vom 25. November 2004 - 2 C 17.03 - BVerwGE 122, 237 und vom 13. Dezember 2007 - 4 C 9.07 - BVerwGE 130, 113 Rn. 10).

16 Bei Ruhensbescheiden handelt es sich um feststellende Verwaltungsakte mit sich jeweils monatlich neu aktualisierender Wirkung, für die die im jeweiligen Monat geltende Sach- und Rechtslage maßgeblich ist. Dies folgt bereits daraus, dass das Ruhen kraft Gesetzes eintritt und Ruhensbescheide zwar zulässig, aber nicht erforderlich sind. Im Umfang des durch das Gesetz bestimmten Ruhens hat ein solcher Verwaltungsakt deshalb lediglich deklaratorische Bedeutung (BVerwG, Urteile vom 26. November 2013 - 2 C 17.12 - Buchholz 239.1 § 53 BeamtVG Nr. 27 Rn. 10 und vom 15. November 2016 - 2 C 9.15 - Buchholz 239.1 § 55 BeamtVG Nr. 30 Rn. 18 ff.). Diese Feststellung des Dienstherrn ändert nichts daran, dass sich die gesetzmäßige Höhe des Ruhensbetrags in jedem Monat aus dem in diesem Monat geltenden Recht und den jeweils vorliegenden Tatsachen ergibt.

17 Ab dem Zeitpunkt der Zurruhesetzung des Klägers mit Ablauf des 31. März 1998 ist § 55b SVG 1995 anzuwenden. Dies ergibt sich ab dem 1. Januar 1999 aus der Übergangsvorschrift des § 96 Abs. 5 Satz 2 SVG i.d.F. der Bekanntmachung vom 29. Juni 1998 (BGBl. I S. 1666). § 96 Abs. 5 Satz 2 SVG 1998 findet entgegen der Auffassung im Berufungsurteil auch dann Anwendung, wenn der Soldat bei ihrem Inkrafttreten am 1. Januar 1999 bereits im Ruhestand war (vgl. zur wortgleichen Regelung des Beamtenversorgungsgesetzes beamtvg> BVerwG, Urteil vom 27. März 2008 - 2 C 30.06 - BVerwGE 131, 29 Rn. 14). Der Wortlaut der Regelung enthält keine dahingehende Einschränkung und eine solche ergibt sich auch nicht aus der Begründung des Gesetzentwurfs. Das Berufungsurteil enthält insoweit eine Rechtsverletzung, auf der das Urteil jedoch nicht beruht, weil es im Ergebnis auch ohne § 96 Abs. 5 Satz 2 SVG 1998 zur Anwendung § 55b SVG 1995 gelangt. beamtvg>

18 Nach § 96 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 1 SVG 1998 ist für Soldaten, die wie der Kläger die Zeiten i.S.d. § 55b SVG vor dem 1. Januar 1999 zurückgelegt haben, der § 55b in der bis zum 30. September 1994 geltenden Fassung anzuwenden, es sei denn, die Anwendung des § 55b in der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung ist für den Versorgungsempfänger günstiger. Außerdem bleibt § 94b Abs. 5 SVG nach § 96 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 SVG 1998 unberührt.

19 § 94b Abs. 5 SVG 1995 hat keinen Einfluss auf das Ruhen des Ruhegehalts des Klägers. Sinn dieser spezielleren Übergangsvorschrift ist es, den jährlichen Satz für die zeitbezogene Berechnung des Mindestruhensbetrags im Rahmen von § 55b SVG an den sich aus den Übergangsregelungen des § 94b SVG ergebenden Ruhegehaltssatz anzupassen (BVerwG, Beschluss vom 6. November 2018 - 2 B 10.18 - Buchholz 449.4 § 94b SVG Nr. 1 Rn. 16). Danach ist § 94b Abs. 5 SVG im vorliegenden Fall nicht anzuwenden, weil der Ruhegehaltssatz...

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