Urteil vom 07.11.2024 - BVerwG 2 C 18.23

JurisdictionGermany
Judgment Date07 November 2024
Neutral CitationBVerwG 2 C 18.23
ECLIDE:BVerwG:2024:071124U2C18.23.0
CitationBVerwG, Urteil vom 07.11.2024 - 2 C 18.23 -
Record Number071124U2C18.23.0
Registration Date05 March 2025
CourtDas Bundesverwaltungsgericht
Applied RulesVwGO § 114,VwVfG NRW §§ 20, 44, 45 und 46,LDG NRW §§ 3, 7, 8, 17, 20, 35, 54, 57 und 59

BVerwG 2 C 18.23

  • VG Münster - 22.02.2021 - AZ: 20 K 3530/18.O
  • OVG Münster - 30.11.2022 - AZ: 31 A 691/21.O

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 7. November 2024 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kenntner, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden und Dr. Hartung, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hampel und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hissnauer für Recht erkannt:

  1. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 30. November 2022 wird aufgehoben
  2. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Münster vom 22. Februar 2021 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Disziplinarverfügung des Kanzlers der Technischen Universität D. vom 28. November 2018 aufgehoben wird
  3. Im Übrigen wird die Revision der Klägerin zurückgewiesen
  4. Die Kosten des Revisions- und des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte
GründeI

1 Das Revisionsverfahren betrifft die Disziplinarverfügung einer Universität.

2 Die ... Klägerin steht als Leitende Verwaltungsdirektorin (Besoldungsgruppe A 16 LBesO NRW) seit dem ... 2005 im Dienst der beklagten Universität. Seit ihrem Amtsantritt war die Klägerin Leiterin des Dezernats ... der Zentralverwaltung und ständige Vertreterin des Kanzlers der Universität. Ende September 2016 wurde die Klägerin in ein neu gegründetes Referat umgesetzt und mit dessen Leitung beauftragt. Widerspruch und Klage der Klägerin hiergegen blieben erfolglos.

3 Für die zum Mai 2018 beginnende neue Amtsperiode der Kanzlerin/des Kanzlers der Beklagten bewarben sich neben dem bisherigen Amtsinhaber auch die Klägerin. Ende Juni 2017 wurde der Klägerin mitgeteilt, dass die Findungskommission sie nicht zur Wahl vorschlagen werde. Ende Juli 2017 wandte sich die Klägerin schriftlich an den Vorsitzenden des Hochschulrats sowie an den Vorsitzenden des Senats der Universität. Sie warf in diesem Schreiben dem amtierenden Kanzler der Universität vor, er habe ihr unter gravierender Verletzung zahlreicher Rechtsvorschriften und ihrer persönlichen Integrität ihre Dezernentenstellung und die ständige Vertretung des Kanzlers entzogen. Er habe ihr eine neu eingerichtete Referentenstellung ohne Personalverantwortung und ohne konkrete Aufgaben zugewiesen. Dafür habe er sich eines unzulässigen Initiativantrags des Personalrats bedient und unmittelbar danach den Vorsitzenden des Personalrats befördert. Darüber hinaus habe er den Vertreter der Schwerbehinderten instrumentalisiert, nicht mehr allein mit ihr zu reden. In unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang hierzu habe dieser eine stattliche Zulage erhalten. Im Oktober 2017 leitete die Klägerin gegen das Land Nordrhein-Westfalen ein Konkurrentenstreitverfahren mit dem Ziel ein, das Land im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem gewählten Kanzler die Ernennungsurkunde nicht auszuhändigen, bis über ihre Bewerbung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu entschieden worden sei. Ende November 2017 wurde der Kanzler zu diesem gerichtlichen Eilverfahren beigeladen. Der gerichtliche Eilantrag der Klägerin blieb in beiden Instanzen erfolglos.

4 Anfang November 2017 leitete der Kanzler der Beklagten das Disziplinarverfahren gegen die Klägerin ein und unterrichtete sie zwei Tage später hierüber. Der Kanzler legte der Klägerin zur Last, sie habe sich vertrauliche Personalvorgänge unter Anwendung technischer oder sonstiger Mittel unbefugt verschafft. Ihre Behauptungen in dem Schreiben seien zum Teil falsch, zum Teil enthielten sie eine Reihe von schwerwiegenden Vorwürfen und unzutreffenden, ehrverletzenden Behauptungen ihm gegenüber und auch gegen weitere Führungskräfte und Gremienvertreter der Universität. Mit Disziplinarverfügung vom 28. November 2018 erlegte die Beklagte der Klägerin eine Geldbuße in Höhe von 25 vom Hundert der monatlichen Dienstbezüge auf. Die Verfügung mit dem Briefkopf der Beklagten verweist auf den Kanzler als Bearbeiter, nennt dessen Namen und ist auch von ihm unterschrieben.

5 Das Verwaltungsgericht hat das Disziplinarverfahren aus formellen Gründen eingestellt. Die Beklagte habe das förmliche Disziplinarverfahren nicht rechtswirksam eingeleitet, weil die Mitteilung der Beklagten von der Einleitung des Disziplinarverfahrens nicht den Bestimmtheitsanforderungen genügt habe. Dieser Mangel des behördlichen Verfahrens führe auch bei einer Disziplinarverfügung zur Einstellung des Verfahrens.

6 Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Disziplinarverfügung der Beklagten dahingehend gefasst, dass der Klägerin eine Geldbuße in Höhe von 1 500 € auferlegt wird, im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Das Disziplinarverfahren sei formell rechtmäßig eingeleitet worden. Eine mögliche Befangenheit des Kanzlers oder dessen Ausschluss im behördlichen Disziplinarverfahren sei unerheblich. Dies gelte auch im Hinblick auf die konkret verhängte Disziplinarmaßnahme. Bei der Anfechtung einer Disziplinarverfügung ermittle das Gericht von Amts wegen den entscheidungserheblichen Sachverhalt sowie die für den Ausspruch der Disziplinarmaßnahme bedeutsamen Gesichtspunkte. Das Gericht prüfe bei einer Klage gegen eine Disziplinarverfügung neben der Rechtmäßigkeit auch deren Zweckmäßigkeit. Da das Gericht eigene Disziplinargewalt ausübe, könne eine Befangenheit des Sachwalters im behördlichen Verfahren im gerichtlichen Verfahren geheilt werden. Die Geldbuße sei einmalig und in einem feststehenden Betrag festzusetzen.

7 Zur Begründung der vom Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision trägt die Klägerin insbesondere vor, die Vorschriften über die Befangenheit seien keine bloßen Ordnungsvorschriften, sondern sicherten eine dem Rechtsstaatsgebot entsprechende Verfahrensgestaltung und gewährleisteten, dass niemand Richter in eigener Sache sein könne.

8 Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 30. November 2022 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Münster vom 22. Februar 2021 zurückzuweisen,
hilfsweise,
das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 30. November 2022 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Münster vom 22. Februar 2021 mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Disziplinarverfügung des Kanzlers der Technischen Universität D. vom 28. November 2018 aufgehoben wird.

9 Die Beklagte verteidigt das Berufungsurteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

II

10 In Bezug auf den Hauptantrag hat die Revision der Klägerin keinen Erfolg. Dagegen ist sie im Hinblick auf den Hilfsantrag begründet. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des...

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