Urteil vom 22. Februar 2023 - 2 BvE 3/19
Court | Bundesverfassungsgericht (Deutschland) |
ECLI | ECLI:DE:BVerfG:2023:es20230222.2bve000319 |
Citation | BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 22. Februar 2023 - 2 BvE 3/19 -, Rn. 1-250, |
Judgement Number | 2 BvE 3/19 |
Date | 22 a 2023 |
Leitsätze
zum Urteil des Zweiten Senats vom 22. Februar 2023
- 2 BvE 3/19 -
Finanzierung Desiderius-Erasmus-Stiftung
- Eingriffe in das Recht auf Chancengleichheit der politischen Parteien aus Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, wenn sich die Legitimation zum staatlichen Handeln nicht schon unmittelbar aus der Verfassung ergibt
- Der Notwendigkeit einer besonderen gesetzlichen Regelung für staatliche Leistungen, die sich erheblich auf die chancengleiche Teilnahme der Parteien am politischen Wettbewerb auswirken, wird durch den Erlass eines Haushaltsgesetzes nicht genügt
- Die gegenwärtige staatliche Förderung parteinaher Stiftungen wirkt spürbar auf die politische Willensbildung ein und ist daher am Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien zu messen
Verkündet
am 22. Februar 2023
Fischböck
Amtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvE 3/19 -
über
den Antrag festzustellen,
1. |
der an die Desiderius-Erasmus-Stiftung e.V. gerichtete (nicht bestandkräftige) Ablehnungsbescheid des Bundesverwaltungsamtes vom 7. Dezember 2018, Az. ZMV I 3 - DES, verletzt die Klägerin in ihren verfassungsmäßigen Rechten, insbesondere dem Recht auf Chancengleichheit aller politischen Parteien im politischen Wettbewerb und dem Willkürverbot; |
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2. |
desselbengleichen verletzt der an die Desiderius-Erasmus-Stiftung e.V. gerichtete Widerspruchsbescheid des Bundesverwaltungsamtes vom 26. März 2019, Az. ebenfalls ZMV I 3 - DES, die Klägerin in ihren verfassungsmäßigen Rechten, insbesondere dem Recht auf Chancengleichheit aller politischen Parteien im politischen Wettbewerb und dem Willkürverbot; |
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3. |
a) das seit Ende April 2018 andauernde und fortdauernde Unterlassen des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat, der Desiderius-Erasmus-Stiftung e.V. auf deren Antrag bereits vom 23. April 2018 hin Globalzuschüsse zur gesellschaftspolitischen und demokratischen Bildungsarbeit aus Kapitel 0601 Titel 685 12 - 144 in Höhe von 480.000 € für das Haushaltsjahr 2018 auszuzahlen bzw. nachzuzahlen, |
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b) |
das seit Anfang Juli 2018 andauernde und fortdauernde Unterlassen des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat, der Desiderius-Erasmus-Stiftung e.V. auf deren Antrag vom 3. Juli 2018 hin Globalzuschüsse zur gesellschaftspolitischen und demokratischen Bildungsarbeit aus Kapitel 0601 Titel 685 12 - 144 in Höhe von 900.000 € für das Haushaltsjahr 2019 auszuzahlen bzw. nachzuzahlen, |
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c) |
das seit Mai 2019 andauernde und fortdauernde Unterlassen des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat, der Desiderius-Erasmus-Stiftung e.V. auf deren Antrag vom 30. April 2019 hin Globalzuschüsse zur gesellschaftspolitischen und demokratischen Bildungsarbeit aus Kapitel 0601 Titel 685 12 - 144 in Höhe von 900.000 € für das Haushaltsjahr 2020 auszuzahlen bzw. nachzuzahlen, |
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d) |
das seit August 2020 andauernde und fortdauernde Unterlassen des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat, der Desiderius-Erasmus-Stiftung e.V. auf deren Antrag vom 12. August 2020 hin Globalzuschüsse zur gesellschaftspolitischen und demokratischen Bildungsarbeit aus Kapitel 0601 Titel 685 12 - 144 in Höhe von 900.000 € für das Haushaltsjahr 2021 auszuzahlen bzw. nachzuzahlen |
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e) |
sowie das seit März 2021 andauernde und fortdauernde Unterlassen des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat, der Desiderius-Erasmus-Stiftung e.V. auf deren Antrag vom 24. Februar 2021 hin Globalzuschüsse zur gesellschaftspolitischen und demokratischen Bildungsarbeit aus Kapitel 0601 Titel 685 12 - 144 in Höhe von 7.854.000 € für das Haushaltsjahr 2022 auszuzahlen bzw. nachzuzahlen |
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verletzen die Klägerin in ihren verfassungsmäßigen Rechten, insbesondere dem Recht auf Chancengleichheit aller politischen Parteien im politischen Wettbewerb und dem Willkürverbot; |
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4. |
der an die Desiderius-Erasmus-Stiftung e.V. gerichtete Ablehnungsbescheid des Bundesverwaltungsamtes vom 26. März 2019, Az. wiederum ZMV I 3 - DES, verletzt die Klägerin in ihren verfassungsmäßigen Rechten, insbesondere dem Recht auf Chancengleichheit aller politischen Parteien im politischen Wettbewerb und dem Willkürverbot; |
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5. |
- entfällt - |
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6. |
der Beschluß des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages in dessen 21. Sitzung am 10. Oktober 2018 zu Kapitel 0601 Titel 685 12 des Haushaltsplanentwurfs für 2019, den Antrag der AfD-Fraktion abzulehnen, der darauf gerichtet war, zugunsten der Desiderius-Erasmus-Stiftung e.V. Globalzuschüsse zu deren gesellschaftspolitischen und demokratischen Bildungsarbeit aus Kapitel 0601 Titel 685 12 - 144 in Höhe von 900.000 € in den Haushaltsplan zum Haushaltsgesetz für 2019 einzustellen, verletzt die Klägerin in ihren verfassungsmäßigen Rechten, insbesondere dem Recht auf Chancengleichheit aller politischen Parteien im politischen Wettbewerb und dem Willkürverbot; |
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7. |
das Bundesministerium der Finanzen hat die Klägerin in ihren verfassungsmäßigen Rechten, insbesondere dem Recht auf Chancengleichheit aller politischen Parteien im politischen Wettbewerb und dem Willkürverbot durch eine Handlung bzw. Unterlassung verletzt, indem es in seiner unter dem 2. November 2018 in den Haushaltsausschuß eingebrachten korrigierten Neufassung des Entwurfs zum Bundeshaushaltsplan für 2019 zum Einzelplan 06 |
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8. |
auch hat der Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages in seiner Bereinigungssitzung zum Haushaltsentwurf 2019 (26. Sitzung) am 8. November 2018 die verfassungsmäßigen Rechte der Klägerin, insbesondere ihr Recht auf Chancengleichheit aller politischen Parteien im politischen Wettbewerb und das Willkürverbot, abermals dadurch verletzt, daß er diesem Änderungsantrag des Bundesministeriums der Finanzen (S. 62 der Ausschußdrucksache 2500), durch den durch Neufassung des Entwurfs zum Bundeshaushaltsplan für 2019 zum Einzelplan 06 (Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat) unter dem Titel 685 12 - 144 die im Haushaltsplan 2019 vorgesehenen Globalmittel zugunsten der Konrad-Adenauer-Stiftung, der Heinrich-Böll-Stiftung, der Friedrich-Ebert-Stiftung, der Rosa-Luxemburg-Stiftung, der Friedrich-Naumann-Stiftung und der Hanns-Seidel-Stiftung um insgesamt 16 Millionen € erhöht werden, zugestimmt hat, ohne daß jedoch |
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9. |
der Beschluß |
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a) |
des Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2019 (Haushaltsgesetz 2019) vom 17. Dezember 2018 (BGBl. I S. 2528) |
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b) |
des Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2020 (Haushaltsgesetz 2020) vom 21. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2890) sowie |
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c) |
des Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2021 (Haushaltsgesetz 2021) vom 21. Dezember 2020 (BGBl. I S. 3208) und |
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d) |
des Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2022 (Haushaltsgesetz 2022) vom 19. Juni 2022 (BGBl. I S. 890) |
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durch den Deutschen Bundestag verletzen die Klägerin dadurch in ihren verfassungsmäßigen Rechten, insbesondere dem Recht auf Chancengleichheit aller politischen Parteien im politischen Wettbewerb und dem Willkürverbot, daß die durch das Gesetz in Kraft gesetzten Bundeshaushaltspläne jeweils keine Globalzuschüsse zur gesellschaftspolitischen und demokratischen |
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10. |
Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat verletzt die Klägerin in ihren verfassungsmäßigen Rechten, insbesondere dem Recht auf Chancengleichheit aller politischen Parteien im politischen Wettbewerb und dem Willkürverbot durch sein fortdauerndes Unterlassen, die Stellung der Bundesregierung als „Herrin des Verfahrens“ bei der Aufstellung von Haushaltsplanentwürfen, die ihr infolge des haushaltsrechtlichen Initiativmonopols der Bundesregierung (Art. 110 Abs. 3, Art. 113 Abs. 1 GG) jederzeit zukommt, gegenüber der Konrad-Adenauer-Stiftung, der Heinrich-Böll-Stiftung, der Friedrich-Ebert-Stiftung, der Rosa-Luxemburg-Stiftung, der Friedrich-Naumann-Stiftung und der Hanns-Seidel-Stiftung dahingehend wirksam zur Geltung zu bringen, daß die genannten Stiftungen auch die Desiderius-Erasmus-Stiftung e.V. zu ihren sogenannten „Stiftungsgesprächen“ (hilfsweise: zu allen sonstigen Formaten, Gesprächs- oder Abstimmungsrunden, die inzwischen möglicherweise anstelle der... |
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