Urteil vom 23.02.2011 - BVerwG 8 C 53.09

JurisdictionGermany
Judgment Date23 Febrero 2011
Neutral CitationBVerwG 8 C 53.09
ECLIDE:BVerwG:2011:230211U8C53.09.0
CitationBVerwG, Urteil vom 23.02.2011 - 8 C 53.09
Registration Date05 Diciembre 2012
Applied RulesGG Art. 19 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3, Art. 114,SGB IV § 29 Abs. 1, § 30,SGB VII §§ 114, 125, 186 Abs. 3,BHO §§ 94, 95, 111, 112 Abs. 1
CourtDas Bundesverwaltungsgericht
Record Number230211U8C53.09.0

BVerwG 8 C 53.09

  • Bayerischer VGH München - 30.11.2009 - AZ: VGH 12 BV 08.573
  • VG München - 20.12.2007 - AZ: VG M 17 K 06.3439

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 23. Februar 2011
durch die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth und
die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hauser, Dr. Held-Daab und Dr. Kuhlmann
für Recht erkannt:

  1. Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 30. November 2009 wird aufgehoben.
  2. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 20. Dezember 2007 wird zurückgewiesen.
  3. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens.
Gründe I

1 Die Klägerin begehrt die Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung des Beklagten durch den Bundesrechnungshof.

2 Der Beklagte ist der privatrechtlich organisierte Spitzenverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften und der Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand, zu dem sich der Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften e.V. und der ursprünglich beklagte Bundesverband der Unfallkassen e.V. im Jahr 2007 zusammengeschlossen haben. Mitglieder des Beklagten sind neben gewerblichen Berufsgenossenschaften mehrere kommunale Unfallversicherungsverbände und Feuerwehrunfallkassen, 15 Landesunfallkassen sowie die Unfallkasse des Bundes (im Folgenden: UK-Bund), die Eisenbahn-Unfallkasse (EUK) und die Unfallkasse Post und Telekom (UKPT).

3 Mit Schreiben vom 9. Februar 2006 kündigte der Bundesrechnungshof gegenüber dem Bundesverband der Unfallkassen an, dessen Haushalts- und Wirtschaftsführung zu prüfen. Der Bundesverband lehnte eine Prüfung mehrfach, zuletzt mit Schreiben vom 17. Juli 2006 ab.

4 Am 12. September 2006 hat die Klägerin Klage beim Verwaltungsgericht erhoben mit dem Antrag, den Beklagten zu verpflichten, Erhebungen von Beauftragten des Bundesrechnungshofs über seine Haushalts- und Wirtschaftsführung in seinen Geschäftsräumen zu dulden, den Beauftragten des Bundesrechnungshofs Einsicht in die die Haushalts- und Wirtschaftsführung betreffenden Unterlagen zu gewähren sowie den Beauftragten die zur Haushalts- und Wirtschaftsführung erbetenen Auskünfte zu erteilen. Die Klägerin machte geltend, sie sei gemäß § 112 Abs. 1 Satz 2 der Bundeshaushaltsordnung (BHO) zur Prüfung des Beklagten berechtigt. Das Recht zur Prüfung eines Verbandes von Sozialversicherungsträgern sei bereits gegeben, wenn (nur) gegenüber einem Verbandsmitglied eine Prüfungsbefugnis des Bundesrechnungshofs begründet sei. Hier bestehe ein Prüfungsrecht gegenüber drei Mitgliedern des Beklagten. Die UK-Bund, die EUK und die UKPT seien bundesunmittelbare Träger der gesetzlichen Unfallversicherung im Sinne von § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO. Die Prüfungsunterworfenheit der UK-Bund und der EUK folge daraus, dass sie Zuschüsse des Bundes erhielten (§ 112 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BHO). Die UKPT unterliege der Prüfung durch den Rechnungshof, weil für sie eine Garantieverpflichtung des Bundes bestehe (§ 112 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BHO).

5 Mit Urteil vom 20. Dezember 2007 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben. Die zulässige Leistungsklage sei begründet. Die Klägerin habe gemäß § 112 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 111 BHO das Recht, die Haushalts- und Wirtschaftsführung des Beklagten durch den Bundesrechnungshof prüfen zu lassen. Ob die UK-Bund und die EUK Bundeszuschüsse erhielten, könne dahinstehen, weil jedenfalls die UKPT aufgrund der unstreitig bestehenden Garantieverpflichtung des Bundes der Prüfung durch den Rechnungshof unterliege. Der Mitgliederbegriff in § 112 Abs. 1 Satz 2 BHO sei so zu verstehen, dass es genüge, wenn gegenüber einem einzelnen Mitglied ein Prüfungsrecht des Bundesrechnungshofs begründet sei. Für diese weite Auslegung der Vorschrift sprächen neben der Gesetzessystematik und der Entstehungsgeschichte der Norm auch ihr Sinn und Zweck. Der Gesetzgeber habe dem Bundesrechnungshof überall dort ein Prüfungsrecht einräumen wollen, wo Haushaltsinteressen des Bundes betroffen seien. Der Legislative solle durch umfassende Prüfmöglichkeiten und Berichtspflichten des Bundesrechnungshofs eine wirksame parlamentarische Kontrolle in Bezug auf die Verwendung von Bundesmitteln ermöglicht werden. Haushaltsinteressen seien insbesondere auch berührt, wenn sich der Bund durch Zuschüsse oder Garantieverpflichtungen finanziell engagiere. Schließlich erweise sich die Prüfung des Beklagten durch den Bundesrechnungshof nicht als unverhältnismäßig. Das Selbstverwaltungsrecht des Beklagten begrenze das Prüfungsrecht nicht.

6 Auf die Berufung des Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 30. November 2009 die Klage unter Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung abgewiesen. Die Haushalts- und Wirtschaftsführung des Beklagten unterliege nicht der Prüfung durch den Bundesrechnungshof nach § 112 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 111 Abs. 1 BHO. Zwar seien mit der UK-Bund, der EUK und der UKPT Mitglieder des Beklagten der Prüfung durch den Bundesrechnungshof unterworfen. Gemäß § 3 Abs. 4 Postsozialversicherungsorganisationsgesetz i.V.m. § 2 Abs. 4 Postumwandlungsgesetz bestehe eine Garantieverpflichtung des Bundes für die UKPT. Die EUK sei nach § 16 Abs. 1 i.V.m. § 13 Abs. 3 des Bundeseisenbahnneugliederungsgesetzes zuschussberechtigt. Dabei handele es sich um Zuschüsse im Sinne von § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO, weil die EUK die ihr übertragenen Aufgaben der Unfallversicherung als eigene Aufgaben erfülle und nicht als fremde Aufgaben des Bundes wahrnehme. Ebenso verhalte es sich bei der UK-Bund nach § 125 SGB VII i.V.m. § 186 Abs. 3 SGB VII. Die Prüfrechte gegenüber den drei Unfallkassen des Bundes genügten aber nicht, um auch eine Prüfungsbefugnis des Bundesrechnungshofs gegenüber dem Beklagten zu begründen. § 112 Abs. 1 Satz 2 BHO sei dahin auszulegen, dass ein privatrechtlich organisierter Verband von weit überwiegend nicht der Prüfung unterworfenen Versicherungsträgern jedenfalls dann nicht selbst der Prüfung durch den Bundesrechnungshof unterliege, wenn die der Prüfung unterworfenen Mitglieder lediglich Beiträge an den Verband abgäben oder in geringfügigem Umfang selbst veranlasste Einzelleistungen des Verbandes finanziell beglichen und diese Zahlungen auch keinen mittelbaren Einfluss auf die Höhe der ein Prüfungsrecht begründenden Bundesmittel hätten. Unter diesen Voraussetzungen würden die prüfungsunterworfenen Mitglieder den Verband nicht in die vom Parlament im Auge zu behaltende Finanzverantwortung über Bundesmittel einbinden. Eine verfassungskonforme Auslegung des § 112 Abs. 1 Satz 2 BHO habe die verfassungsrechtlich geschützte Rechtsposition des Beklagten zu beachten, in die die Prüftätigkeit des Bundesrechnungshofs eingreife. Eine umfassende Prüfung nach § 111 Abs. 1 BHO sei nicht erforderlich, um eine uneingeschränkte parlamentarische Kontrolle über Zuschüsse und Garantieverpflichtungen des Bundes gegenüber Sozialversicherungsträgern sicherzustellen. Es sei nicht ersichtlich, dass der Normzweck allein durch eine Prüfung der UK-Bund, der EUK und der UKPT nicht hinreichend erreicht werden könne.

7 Mit der vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision macht die Klägerin geltend, die einschränkende Auslegung des § 112 Abs. 1 Satz 2 BHO durch den Verwaltungsgerichtshof stehe in Widerspruch zu Wortlaut und Zweck der Regelung. Aus Art. 114 GG ergebe sich der Grundsatz der Lückenlosigkeit der externen Finanzkontrolle. Der verfassungsrechtliche Prüfauftrag des Bundesrechnungshofs werde nach Art. 114 Abs. 2 Satz 3 GG unter anderem durch § 111 und § 112 BHO konkretisiert. Mit dem Zweck einer lückenlosen Finanzkontrolle sei es nicht zu vereinbaren, Aktivitäten eines Verbandes von Sozialversicherungsträgern, der auch aus Bundesmitteln bezuschusst werde, von der Prüfung durch den Bundesrechnungshof auszunehmen. Auch machten weder Art. 114 Abs. 2 GG noch die Bundeshaushaltsordnung die Prüfungskompetenzen des Bundesrechnungshofs von einer Mindesthöhe der betroffenen Bundesmittel abhängig. Es genüge bereits eine potentielle Betroffenheit des Bundes, wie § 112 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 BHO zeige, wonach bereits eine Garantieverpflichtung des Bundes ein Prüfungsrecht des Bundesrechnungshofs begründe. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Prüftätigkeit des Rechnungshofs greife in die verfassungsrechtlich geschützte Rechtsstellung des Beklagten ein, sei verfehlt. Der Beklagte sei nicht Träger von Grundrechten. Ein privatrechtlich organisierter Verband, der ausschließlich aus nicht grundrechtsfähigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts bestehe, könne keine grundrechtsfähige juristische Person sein. Auch das Selbstverwaltungsrecht des Beklagten sei allein einfachgesetzlich begründet. Schließlich sei mit der Prüftätigkeit des Bundesrechnungshofs ein für den Beklagten nur geringfügiger Eingriff verbunden. Daneben rügt die Klägerin eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör sowie der richterlichen Hinweispflicht.

8 Sie beantragt, unter Abänderung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 30. November 2009 die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 20. Dezember 2007 zurückzuweisen.

9 Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

10 Er verteidigt das angefochtene Urteil und führt ergänzend an, entgegen der Annahme des Berufungsgerichts erhielten die UK-Bund und die EUK keine Bundeszuschüsse. Auch über die UKPT lasse sich ein Prüfungsrecht des Bundesrechnungshofs gegenüber dem...

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