Urteil vom 23.11.2011 - BVerwG 8 C 20.10
Jurisdiction | Germany |
Judgment Date | 23 Noviembre 2011 |
Neutral Citation | BVerwG 8 C 20.10 |
ECLI | DE:BVerwG:2011:231111U8C20.10.0 |
Citation | BVerwG, Urteil vom 23.11.2011 - 8 C 20.10 |
Registration Date | 15 Mayo 2013 |
Applied Rules | FinDAG §§ 13, 14, 15, 16, 21,GG Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3,,FinDAGKostV §§ 5, 6, 10, 11,Art. 34 Satz 1, Art. 72, 74 Nr. 11,,Art. 105, 106, 110 |
Court | Das Bundesverwaltungsgericht |
Record Number | 231111U8C20.10.0 |
BVerwG 8 C 20.10
- VG Frankfurt am Main - 30.09.2010 - AZ: VG 1 K 1059/10.F
In den Verwaltungsstreitsachen hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 23. November 2011
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hauser und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt
für Recht erkannt:
- Die Revisionen werden zurückgewiesen.
- Die Klägerin trägt die Kosten der Revisionsverfahren.
1 Die Klägerin, ein Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitut sowie Wertpapierhandelsunternehmen, unterliegt der Aufsicht der beklagten Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bundesanstalt). Sie wendet sich gegen die Festsetzung von Umlagevorauszahlungen für das Jahr 2009, soweit damit Ansprüche Dritter gegen die Bundesanstalt aus Amtspflichtverletzung finanziert werden.
2 Die Beklagte wurde mit Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 13. Juli 2006 gegenüber einem früheren Vorstandsmitglied eines Kreditinstituts als schadensersatzpflichtig erachtet. Zuvor hatte das Verwaltungsgericht Berlin mit rechtskräftigem Urteil vom 18. September 2001 das Verlangen des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen - Rechtsvorgängerin der Beklagten -, das Vorstandsmitglied abzuberufen, als rechtswidrig angesehen. Zur Deckung des voraussichtlich zu leistenden Schadensersatzes stellte die Beklagte in den Haushaltsplan 2009 unter dem Titel „Gerichts- und ähnliche Kosten“ einen im Vergleich zum Haushaltsansatz des Vorjahres um 2,2 Mio. € höheren Betrag von insgesamt 2,45 Mio. € ein.
3 Mit drei Bescheiden der Beklagten vom 12. bzw. 17. Dezember 2008 wurde die Klägerin zu Umlagevorauszahlungen für das Jahr 2009 im Aufsichtsbereich Wertpapierhandel in Höhe von 929 063 €, für den Bereich Kredit-, Finanzdienstleistungs- und inländisches Investmentwesen in Höhe von 95 605 € und für den Bereich Wertpapierhandel „Emittenten“ in Höhe von 2 342 € herangezogen.
4 Nach erfolglosem Vorverfahren hat die Klägerin gegen die Vorauszahlungsbescheide Klagen erhoben, die sich ausschließlich gegen die anteilige Umlage bezüglich der Kosten aus Amtshaftungsansprüchen richten. Sie ist der Auffassung, dass § 16 Abs. 1 Satz 1 FinDAG eindeutig gegen die Einbeziehung von Amtshaftungsaufwand in die Kostenumlage der Bundesanstalt spreche. Außerdem treffe sie keine Finanzierungsverantwortung für die Folgen amtspflichtwidrigen Verhaltens.
5 Mit Urteilen vom 30. September 2010 wies das Verwaltungsgericht die Klagen ab. Die Vorauszahlungsbescheide seien im angefochtenen Umfang rechtmäßig. Die Bundesanstalt dürfe Kosten, die nicht durch Gebühren, gesonderte Erstattungen oder sonstige Einnahmen gedeckt seien, anteilig auf die beaufsichtigten Institute umlegen. Die Umlage sei vom Bundesverfassungsgericht als verfassungsgemäß angesehen worden. Sie wahre die finanzverfassungsrechtlichen Anforderungen an Sonderabgaben mit Finanzierungsfunktion, indem sie der Finanzierung der Aufsicht über die abgabepflichtigen Unternehmen und damit einem über die bloße Mittelbeschaffung hinausgehenden Zweck diene. Sie ermögliche die Bewältigung von Risiken, die von einem unreglementierten Tätigwerden von Finanzinstituten ausgingen, und stärke das Vertrauen der Anleger in die Solidität und Lauterkeit dieser Unternehmen, also in einen funktionsfähigen Finanzmarkt. Die beaufsichtigten Unternehmen stellten eine homogene, von der Allgemeinheit hinreichend abgrenzbare Gruppe dar, die besondere Verantwortung für den Finanzmarkt trage. Die Gesetzesbegründung belege, dass sich die Bundesanstalt selbst finanzieren solle. Dies verlange grundsätzlich eine vollständige Tragung aller Kosten durch Gebühren sowie durch die Umlage und verbiete einen Rückgriff auf allgemeine Haushaltsmittel. Es sei deshalb nicht zu beanstanden, wenn insofern auch Aufwendungen für Amtshaftungsansprüche umgelegt würden. Nicht auszuschließen sei, dass bei der Aufgabenerledigung im Einzelfall eine rechtswidrige Entscheidung getroffen werde, weshalb die Klägerin mit dem Einwand, Amtshaftungsforderungen auslösende Tätigkeiten der Beklagten lägen außerhalb ihres Aufgabengebiets, nicht durchdringe. Die Möglichkeit von Fehlentscheidungen sei jedem Geschäft immanent. Zu ihnen könne es insbesondere bei rechtlich schwierigen und komplexen Sachverhalten kommen. Die vom Oberlandesgericht festgestellte Amtspflichtverletzung lasse auf eine leichte Fahrlässigkeit schließen. Gröbliche Schuldvorwürfe lägen dem nicht zugrunde, so dass die Einbeziehung der Amtshaftungsforderung in keiner Weise unangemessen oder unverhältnismäßig erscheine. Wie vorsätzliches Fehlverhalten oder gar kriminell-betrügerische Vorgänge zu beurteilen wären, habe das Gericht nicht zu entscheiden. Die Höhe der veranschlagten Forderung von 2,2 Mio. € habe mit einem Ausmaß von etwa 2 % des gesamten Umlagevolumens keine erdrosselnde oder die Existenz einzelner Institute gefährdende Wirkung.
6 Mit ihren Sprungrevisionen rügt die Klägerin eine fehlerhafte Auslegung der einschlägigen Vorschriften des Finanzdienstleistungsgesetzes und der dazu ergangenen Kostenverordnung. Die Beklagte könne nur den Aufwand auf die beaufsichtigten Unternehmen und Institute umlegen, der zur Aufgabenwahrnehmung erforderlich sei. Hierfür sprächen der Gesetzeswortlaut, die Historie des Gesetzes und seine Systematik. Rechtswidriges Aufsichtshandeln sei aber keinesfalls erforderlich. Ersatzpflichten hierfür zählten deshalb ihrer Art nach nicht zu den umlagefähigen Kosten. Darüber hinaus verbiete Art. 34 Satz 1 GG eine Auslagerung von Amtshaftungslasten aus dem Staatshaushalt. Die Umlage stelle bezüglich des Amtshaftungsaufwandes eine Sonderabgabe dar, die nicht gerechtfertigt sei, weil die Klägerin für das rechtswidrige Aufsichtshandeln nicht verantwortlich sei. Es fehle am erforderlichen Verursachungszusammenhang. Im Übrigen werde die Umlage auch nicht gruppennützig verwendet.
7 Die Klägerin beantragt, die Urteile des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 30. September 2010 zu ändern und die Bescheide der Beklagten vom 12. Dezember 2008 und 17. Dezember 2008 sowie deren Widerspruchsbescheide vom 26. und 31. März 2010 dahin zu ändern, dass die jeweils festgesetzten Vorauszahlungsbeträge jeweils durch von der Beklagten unter Ausschluss von Ausgaben für Amtshaftungsansprüche neu zu berechnende Beträge ersetzt werden und die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren jeweils für notwendig zu erklären.
8 Die Beklagte beantragt, die Revisionen zurückzuweisen.
9 Sie verteidigt die angegriffenen Urteile.
10 Der Senat hat die drei Revisionsverfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
11 Die Revisionen der Klägerin haben keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klagen zu Recht abgewiesen.
12 1. Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die drei Vorauszahlungsbescheide sind das Gesetz über die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz - FinDAG) vom 22. April 2002 (BGBl I S. 1310) und die dazu ergangene Verordnung über die Erhebung von Gebühren und die Umlegung von Kosten nach dem Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz (Finanzdienstleistungskostenverordnung - FinDAGKostV) vom 29. April 2002 (BGBl I S. 1504, 1847), jeweils in der Fassung des Gesetzes zur Ergänzung der Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung (Geldwäschebekämpfungsergänzungsgesetz - GwBekErgG) vom 13. August 2008 (BGBl I S. 1690). Gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 FinDAG deckt die Bundesanstalt ihre Kosten grundsätzlich...
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