Urteil vom 27.04.2022 - BVerwG 6 C 2.21

Judgment Date27 Abril 2022
Neutral CitationBVerwG 6 C 2.21
ECLIDE:BVerwG:2022:270422U6C2.21.0
Registration Date28 Julio 2022
Record Number270422U6C2.21.0
Subject MatterRundfunkrecht einschl. Recht der Rundfunkanstalten, Filmrecht einschl. Filmförderungsrecht, Recht der neuen Medien und Presserecht
CourtDas Bundesverwaltungsgericht

BVerwG 6 C 2.21

  • VG Frankfurt am Main - 31.10.2016 - AZ: VG 1 K 1259/16.F
  • VGH Kassel - 13.02.2018 - AZ: VGH 10 A 116/17

In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 27. April 2022
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Hahn und Dr. Tegethoff sowie
die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gamp und Hellmann
für Recht erkannt:

  1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 13. Februar 2018 wird zurückgewiesen
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens
Gründe I

1 Der Kläger ist Inhaber einer Wohnung im räumlichen Zuständigkeitsbereich der beklagten öffentlich-rechtlichen Landesrundfunkanstalt. Bis einschließlich März 2015 zahlte er die Rundfunkbeiträge mittels Banküberweisung. Hinsichtlich der Beiträge für das zweite Quartal 2015 wandte sich der Kläger nach einer Zahlungserinnerung an den Beklagten und bat um Mitteilung, wo er den Rundfunkbeitrag an seinem Wohnort in bar bezahlen könne. Der Beklagte wies mit Schreiben vom 13. August 2015 darauf hin, dass der Rundfunkbeitrag gemäß § 9 Abs. 2 RBStV i. V. m. § 10 Abs. 2 der Beitragssatzung bargeldlos zu zahlen sei. Nach Ausbleiben der Zahlung setzte er mit Bescheid vom 1. September 2015 für das zweite Quartal 2015 einen Rundfunkbeitrag in Höhe von 52,50 € und einen Säumniszuschlag von 8,00 € fest. Den hiergegen gerichteten Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 31. März 2016 zurück. Mit seiner am 19. April 2016 erhobenen Klage hat der Kläger beantragt, den Festsetzungsbescheid des Beklagten vom 1. September 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. März 2016 aufzuheben. Hilfsweise hat er beantragt, festzustellen, dass der Kläger berechtigt ist, schon eingeforderte oder noch einzufordernde Rundfunkbeiträge jedenfalls solange verzugsfrei nicht an den Beklagten zu leisten, wie dieser ihm keine von sonstigen Transaktionskosten freie Möglichkeit eröffnet und benennt, Beitragszahlungen in bar an ihn zu zahlen.

2 Mit Urteil vom 31. Oktober 2016 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung des Klägers mit Urteil vom 13. Februar 2018 zurückgewiesen. Die Klage sei im Hauptantrag unbegründet. Der Festsetzungsbescheid des Beklagten vom 1. September 2015 sowie der Widerspruchsbescheid vom 31. Mai 2016 seien rechtmäßig. Die vom Kläger zu zahlenden Rundfunkbeiträge für die Monate April bis Juni 2015 seien "rückständig" im Sinne des § 10 Abs. 5 Satz 1 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages (RBStV). Dass der Beklagte die vom Kläger angebotene Begleichung im Wege der Barzahlung abgelehnt habe, stehe dem nicht entgegen. Nach § 10 Abs. 2 der Beitragssatzung des Beklagten könne der Beitragsschuldner die Rundfunkbeiträge nur mittels Ermächtigung zum Einzug mittels Lastschrift, Einzelüberweisung oder Dauerüberweisung entrichten. Barzahlung sei danach unzulässig. Die Regelung sei formell und materiell rechtmäßig. Die in § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 RBStV geregelte Ermächtigung zur Regelung von Einzelheiten des Verfahrens zur Leistung des Rundfunkbeitrags erfasse auch die Zahlungsmodalitäten. Die in der Satzung getroffene Regelung sei sinnvoll, um den Verwaltungsaufwand in Massenverfahren und damit die Kosten gering zu halten. Zudem werde die Gefahr des Verlusts des Bargelds durch kriminelle Handlungen minimiert. Die Handlungsfreiheit der Beitragsschuldner werde nur sehr geringfügig eingeschränkt. Ein Verstoß gegen § 14 Abs. 1 Satz 2 BBankG liege nicht vor. Diese Vorschrift diene der Klarstellung, dass etwa Sachwährungen, Wertpapiere und Banknoten ausländischer oder historischer Währungen in der Bundesrepublik keine gesetzlichen Zahlungsmittel seien. Dass jedermann Eurobanknoten als ordnungsgemäße Erfüllung einer monetären Verbindlichkeit zu akzeptieren habe, gelte nur, soweit in der jeweils zu beurteilenden Rechtsbeziehung eine Begleichung im Wege der Barzahlung vereinbart, vorgeschrieben oder nach der Verkehrssitte allgemein üblich und zu erwarten sei. So wie im Privatrechtsverkehr vertraglich die Begleichung einer Schuld durch Banküberweisung bestimmt oder zumindest erlaubt werden könne, werde § 14 Abs. 1 Satz 2 BBankG durch die Vorgabe einer von der Barzahlung abweichenden Zahlungsweise im öffentlich-rechtlichen Bereich nicht tangiert. Aus Art. 128 Abs. 1 Satz 1 AEUV und Art. 10 der Verordnung (EG) Nr. 974/98 des Rates vom 3. Mai 1998 über die Einführung des Euro könne der Kläger ebenfalls kein Recht herleiten, jegliche Geldschuld in bar zu begleichen. Die Verwendung von Euro-Banknoten sei nur dann erforderlich, wenn in bar gezahlt werde, sei es nach entsprechender Vereinbarung, Rechtsvorschrift oder nach allgemeiner Übung. Die unionsrechtlichen Regelungen enthielten kein Verbot, eine Barzahlungsmöglichkeit durch gesetzliche oder untergesetzliche nationale Rechtsvorschriften auszuschließen. Aus den genannten Gründen könne auch der hilfsweise gestellte Feststellungsantrag keinen Erfolg haben.

3 Auf die Revision des Klägers hat der Senat das Verfahren mit Beschluss vom 27. März 2019 (BVerwG 6 C 5.18 ) ausgesetzt und eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) eingeholt. Die angefochtenen Bescheide seien nach innerstaatlichem Recht rechtswidrig. Bleibe das Unionsrecht außer Betracht, seien die festgesetzten Beiträge nicht im Sinne des § 10 Abs. 5 Satz 1 RBStV rückständig. Denn der auf die landesrechtliche Ermächtigung in § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 RBStV gestützte Ausschluss der Barzahlungsmöglichkeit in § 10 Abs. 2 der Beitragssatzung verstoße gegen die bundesrechtliche Regelung des § 14 Abs. 1 Satz 2 BBankG und sei deshalb - sofern das Unionsrecht außer Betracht bleibe - unwirksam.

4 Für klärungsbedürftig durch den EuGH hat es der Senat jedoch gehalten, ob § 14 Abs. 1 Satz 2 BBankG mit der ausschließlichen Zuständigkeit, die die Union gemäß Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 Buchst. c und Art. 127 ff. AEUV im Bereich der Währungspolitik für diejenigen Mitgliedstaaten habe, deren Währung der Euro sei, in Einklang stehe bzw. ob das Unionsrecht eine mit § 14 Abs. 1 Satz 2 BBankG übereinstimmende Regelung der Verpflichtung zur Annahme von Euro-Banknoten enthalte oder ob § 14 Abs. 1 Satz 2 BBankG angewendet werden könne, soweit und solange die Union von ihrer Zuständigkeit keinen Gebrauch gemacht habe.

5 Mit Urteil vom 26. Januar 2021 (verbundene Rechtssachen C-422/19 und C-423/19) hat der EuGH die Vorlage wie folgt beschieden:
"1. Art. 2 Abs. 1 AEUV in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 Buchst. c, Art. 128 Abs. 1 und Art. 133 AEUV sowie mit Art. 16 Abs. 1 Satz 3 des Protokolls (Nr. 4) über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank ist dahin auszulegen, dass er unabhängig davon, ob die Europäische Union ihre ausschließliche Zuständigkeit im Bereich der Währungspolitik für die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, ausgeübt hat, einen Mitgliedstaat daran hindert, eine Vorschrift zu erlassen, die in Anbetracht ihres Ziels und ihres Inhalts die rechtliche Ausgestaltung des Status der Euro-Banknoten als gesetzliches Zahlungsmittel determiniert. Hingegen hindert er einen Mitgliedstaat nicht daran, in Ausübung einer ihm eigenen Zuständigkeit, wie etwa der Organisation seiner öffentlichen Verwaltung, eine Vorschrift zu erlassen, die diese Verwaltung verpflichtet, die Erfüllung der von ihr auferlegten Geldleistungspflichten in bar zu akzeptieren.
2. Art. 128 Abs. 1 Satz 3 AEUV, Art. 16 Abs. 1 Satz 3 des Protokolls (Nr. 4) über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank sowie Art. 10 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 974/98 des Rates vom 3. Mai 1998 über die Einführung des Euro sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung, die die Möglichkeit ausschließt, eine hoheitlich auferlegte Geldleistungspflicht mit Euro-Banknoten zu erfüllen, nicht entgegenstehen, vorausgesetzt erstens, dass diese Regelung nicht zum Zweck oder zur Folge hat, die rechtliche Ausgestaltung des Status dieser Banknoten als gesetzliches Zahlungsmittel zu determinieren, zweitens, dass sie weder rechtlich noch faktisch zu einer Abschaffung dieser Banknoten führt, insbesondere, indem sie die Möglichkeit untergräbt, eine Geldleistungspflicht in der Regel mit solchem Bargeld zu erfüllen, drittens, dass sie aus Gründen des öffentlichen Interesses erlassen wurde, viertens, dass die durch diese Regelung bewirkte Beschränkung von Barzahlungen geeignet ist, das verfolgte Ziel von öffentlichem Interesse zu erreichen, und fünftens, dass sie die Grenzen dessen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist, insofern nicht überschreitet, als andere rechtliche Mittel zur Verfügung stehen, um die Geldleistungspflicht zu erfüllen."

6 In dem fortgeführten Revisionsverfahren rügt der Kläger im Wesentlichen, die Entscheidung des EuGH reduziere den kategorischen Normbefehl des Art. 128 Abs. 1 Satz 3 AEUV ohne normative Anknüpfung zu einer nur grundsätzlichen Rechtspflicht, angebotene Banknoten mit schuldbefreiender Wirkung anzunehmen. § 14 Abs. 1 Satz 2 BBankG stehe mit dem Unionsrecht in Einklang. Dem Beklagten sei es nach der Entscheidung des EuGH verwehrt, die Entgegennahme von Beitragszahlungen in Gestalt von Euro-Banknoten oder Euro-Münzen prinzipiell abzulehnen. Werde für eine wiederkehrende Zahlungsverpflichtung in millionenfachen Fällen die Möglichkeit der Begleichung mit dem gesetzlichen Zahlungsmittel ausgeschlossen, determiniere...

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