Urteil vom 29.03.2017 - BVerwG 6 C 1.16
Jurisdiction | Germany |
Judgment Date | 29 March 2017 |
Neutral Citation | BVerwG 6 C 1.16 |
ECLI | DE:BVerwG:2017:290317U6C1.16.0 |
Citation | BVerwG, Urteil vom 29.03.2017 - 6 C 1.16 |
Registration Date | 23 May 2017 |
Court | Das Bundesverwaltungsgericht |
Applied Rules | AEUV Art. 267 Abs. 3,VwGO §§ 88, 92 Abs. 1, § 113 Abs. 1 Satz 4, § 123,GG Art. 12 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4, Art. 100 Abs. 1,RRL Art. 4 Abs. 1, Art. 7 Abs. 3,GRC Art. 47,TKG § 2 Abs. 2, §§ 12, 13, 15, 30, 31, 32, 35 |
Record Number | 290317U6C1.16.0 |
BVerwG 6 C 1.16
- VG Köln - 03.12.2015 - AZ: VG 1 K 8115/13
In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 29. März 2017
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Heitz, Dr. Möller, Hahn und Dr. Tegethoff
für Recht erkannt:
- Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 3. Dezember 2015 geändert.
- Es wird festgestellt, dass der Beschluss der Bundesnetzagentur vom 29. November 2013 - BK 3c-13-052 - in Bezug auf die Genehmigung der jährlichen Überlassungsentgelte für den Intra-Building-Abschnitt in den Varianten ICA Customer Sited und ICA Physical Co-location nach Ziffer 1.I.2. und Ziffer 1.II.2 des Beschlusses sowie des Entgelts für den zentralen Zeichengabekanal nach Ziffer 1.III. des Beschlusses rechtswidrig war.
- Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
- Die Klägerin und die Beklagte tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte.
1 Die Beteiligten streiten über die Genehmigung von Entgelten für Leistungen der Klägerin im Zusammenhang mit Interconnection-Anschlüssen (ICA) zu ihrem leitungsvermittelten Netz (PSTN - Public Switched Telephone Network).
2 Die Klägerin betreibt ein öffentliches Telefonnetz an festen Standorten. Sie ist regulatorisch zur Netzzusammenschaltung verpflichtet, die Entgelte bedürfen der Genehmigung nach Maßgabe des § 31 TKG. Die Klägerin begann im Jahr 2011, anstelle ihres leitungsvermittelten Netzes bzw. neben diesem Netz ein IP-basiertes Netz der nächsten Generation (NGN - Next Generation Network) einzurichten. Die Netzzusammenschaltung nach PSTN-Technik sollte zunächst noch bis zum Jahresende 2016 erhalten bleiben. Mittlerweile ist der Übergangszeitraum bis zum Ende des Jahres 2018 verlängert worden.
3 Unter dem 20. September 2013 beantragte die Klägerin die Genehmigung von ICA-Entgelten für den Zeitraum vom 1. Dezember 2013 bis zum 30. November 2016. Der Entgeltantrag umfasste unter anderem Entgelte für die Überlassung des Intra-Building-Abschnitts beim ICA-Typ "Customer Sited" in Höhe von - je nach technischer Ausstattung - jährlich 1 042,84 € bis 61 731,94 €, für die Überlassung des Intra-Building-Abschnitts beim ICA-Typ "Physical Co-location" in Höhe von jährlich 1 262,55 € und für die Überlassung des zentralen Zeichengabekanals bei beiden ICA-Typen in Höhe von jährlich 471,14 €.
4 Mit Beschluss vom 29. November 2013 genehmigte die zuständige Beschlusskammer der Bundesnetzagentur ohne vorherige Durchführung weder eines nationalen Konsultationsverfahrens noch eines unionsweiten Konsolidierungsverfahrens für den beantragten Zeitraum ICA-Entgelte, die die von der Klägerin beantragte Höhe deutlich unterschritten, und lehnte den Antrag im Übrigen ab. Die genehmigten Jahresentgelte beliefen sich für die Überlassung des Intra-Building-Abschnitts beim ICA-Typ "Customer Sited" auf 448,19 € bis 25 102,77 €, für die Überlassung des Intra-Building-Abschnitts beim ICA-Typ "Physical Co-location" auf 621,92 € und für die Überlassung des zentralen Zeichengabekanals bei beiden ICA-Typen auf 208,54 €.
5 In der Begründung des Beschlusses führte die Kammer unter anderem aus, das Anlagevermögen als Grundlage für die Ermittlung von Zinsen und Abschreibungen sei in Ausfüllung des insoweit bestehenden regulierungsbehördlichen Beurteilungsspielraums nicht mehr wie in den vorhergehenden Entgeltperioden unter Heranziehung von Brutto-Wiederbeschaffungswerten, sondern auf der Basis von Anschaffungs- und Herstellungskosten (historischen Kosten) als Restbuchwerten zu berechnen gewesen. Das berechtigte Interesse der Klägerin als Anbieterin der entgeltregulierten Leistung sei auf Kostendeckung und Erzielung eines angemessenen Gewinns bzw. auf Substanz- und Kapitalerhaltung sowie Rentabilität gerichtet. Dem werde durch den Ansatz historischer Kosten Rechnung getragen. Ein berechtigtes Anbieterinteresse, auch nach vollständigem Verzehr der Werte und Umwandlung derselben in Kapitalvermögen weiterhin Abschreibungen vornehmen zu können, bestehe nicht. Auch das Rentabilitätsziel finde hinreichende Berücksichtigung dadurch, dass für die Zinsen der Restbuchwert des Investitionsobjekts zu Grunde gelegt werde. Eine Kalkulation auf der Basis von historischen Kosten entspreche dem berechtigten Interesse der Klägerin vor allem auch deshalb, weil diese eine Wiederbeschaffung von ICA nicht mehr beabsichtige und überdies die Preise für die allenfalls erforderlichen Investitionsgüter sänken. Das Telekommunikationsgesetz biete keine Grundlage dafür, etwaige von der Klägerin behauptete, aber nicht substantiierte Verluste aus den Anfangsjahren der Zusammenschaltung in dem nunmehr zur Entscheidung stehenden Genehmigungszeitraum durch die Beibehaltung der Kalkulation auf der Basis von Wiederbeschaffungswerten auszugleichen. Im Rahmen der telekommunikationsrechtlichen Entgeltregulierung könnten nur die in dem jeweiligen Genehmigungszeitraum anfallenden Kosten berücksichtigt werden. Auch unter Wettbewerbs- und Infrastrukturgesichtspunkten sowie im Hinblick auf die Nutzerinteressen werde der Investitionswert auf der Grundlage von historischen Kosten zutreffend bestimmt. Da nach ihrer Einschätzung keine relevanten Gesichtspunkte gegen historische Kosten als Kalkulationsgrundlage und für den Ansatz von Wiederbeschaffungswerten sprachen, gelangte die Beschlusskammer in ihrer abschließenden Gesamtabwägung zu dem Ergebnis, dass für die Berechnung des Anlagevermögens auf die historischen Kosten abzustellen sei.
6 Die Klägerin hat gegen den Beschluss vom 29. November 2013 unter Verweis auf eine fehlerhafte Abwägung der Beschlusskammer bei der Bestimmung der Methode zur Berechnung des Anlagevermögens Klage erhoben. Sie hat eine Verpflichtung der Beklagten zur rückwirkenden Neubescheidung ihres Entgeltantrags in Bezug auf die Überlassungsentgelte für den Intra-Building-Abschnitt bei den ICA-Typen "Customer Sited" und "Physical Co-location" sowie für den zentralen Zeichengabekanal begehrt. Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Sachurteil abgewiesen.
7 Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, die nach § 30 Abs. 1 Satz 1 TKG genehmigungsbedürftigen Entgelte entsprächen dem Maßstab der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung im Sinne von § 31 Abs. 1 und § 32 Abs. 1 Satz 1 TKG. In Bezug auf dieses Merkmal komme der Bundesnetzagentur ein Beurteilungsspielraum zu, den die Beschlusskammer fehlerfrei ausgefüllt habe. Sie habe insbesondere das berechtigte Anbieterinteresse der Klägerin in nicht zu beanstandender Weise berücksichtigt. Wegen des von der Klägerin geplanten Auslaufens der PSTN-Zusammenschaltung, ihrer deshalb fehlenden Absicht zur Wiederbeschaffung von ICA und der sinkenden Preise für die meisten Investitionsgüter habe die Beschlusskammer für die Berechnung des Anlagevermögens zu Recht auf historische Kosten abgestellt. Eine Kalkulation auf der Basis von Wiederbeschaffungswerten sei rein tatsächlich nicht mehr in Betracht gekommen. Die Klägerin habe ihren Einwand, die Änderung der Kalkulationsmethode führe in einer die Entgeltperioden übergreifenden Sicht zu einer sie unangemessen benachteiligenden Kostenunterdeckung, im Entgeltgenehmigungsverfahren nicht substantiiert bzw. belegt. Schon aus diesem Grund habe dem von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Antrag nicht nachgekommen werden müssen, durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens Beweis darüber zu erheben, dass die während der Gesamtnutzungsdauer der streitgegenständlichen ICA zu Grunde gelegten Abschreibungen die tatsächlichen Aufwendungen für die Anschaffung der Gesamtzahl der ICA nicht erreicht hätten. Die Beschlusskammer habe zudem zu Recht darauf verwiesen, dass Kosten, die in den vorangegangenen Genehmigungsperioden nicht zur Deckung gelangt seien, nicht in den folgenden Genehmigungszeiträumen ausgeglichen werden könnten. In der von der Beschlusskammer abschließend durchgeführten Gesamtabwägung sei das Anbieterinteresse der Klägerin nicht bzw. nicht nochmals zu berücksichtigen gewesen.
8 Gegen dieses Urteil hat die Klägerin die von dem Verwaltungsgericht zugelassene Revision eingelegt. Sie hat zur Begründung ausgeführt: Die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verfassungswidrig gewordene und nur noch übergangsweise fortgeltende Regelung in § 35 Abs. 5 Satz 2 und 3 TKG stehe einer Verpflichtung der Beklagten zur rückwirkenden Neubescheidung nicht entgegen. Sie sei nicht anwendbar, weil sie den Gehalt der unionsrechtlichen Rechtsschutzgewährleistung in Art. 4 Abs. 1 RRL verfehle. Wenn man gleichwohl von einer Anwendbarkeit der Regelung ausgehe, müsse diese dahingehend verstanden werden, dass das Verwaltungsgericht im Fall des bereits vollständig abgelaufenen Geltungszeitraums der angegriffenen Entgeltgenehmigung jedenfalls noch eine nicht rückwirkende Verpflichtung zur Genehmigung bzw. Neubescheidung aussprechen könne. Wenn man auch diesem Verständnis nicht folge, müsse eine Fortsetzungsfeststellungsklage auch ohne ein besonderes Fortsetzungsfeststellungsinteresse als zulässig erachtet werden. In der Sache habe die Beschlusskammer der Bundesnetzagentur im Rahmen des ihr zustehenden Beurteilungsspielraums bei der Auswahl der Methode für die Berechnung des Anlagevermögens als Grundlage für die Ermittlung von Zinsen und Abschreibungen das Anbieterinteresse der Klägerin nicht fehlerfrei abgewogen. Die Beschlusskammer habe das Anbieterinteresse der Klägerin unzulässig auf eine nominale Kapitalerhaltung nach Maßgabe historischer Kosten...
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