Beschluss vom 02.03.2020 - BVerwG Gr. Sen. 1.19

Judgment Date02 Marzo 2020
Neutral CitationBVerwG Gr. Sen. 1.19
ECLIDE:BVerwG:2020:020320BGrSen1.19.0
Record Number020320BGrSen1.19.0
Registration Date25 Junio 2020
Applied RulesVwGO §§ 11, 80 Abs. 5, §§ 154 ff., § 162 Abs. 1,UmwRG §§ 2, 3,GG Art. 19 Abs. 4 Satz 1
Subject MatterVerwaltungsprozessrechtPlanfeststellungsrecht
CourtDas Bundesverwaltungsgericht

BVerwG Gr.Sen 1.19

In der Vorlagefrage hat der Große Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 2. März 2020
durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke,
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler,
die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen-Weiß,
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft,
den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher,
die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab und
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bier
ohne mündliche Verhandlung
beschlossen:

Kosten eines Privatgutachtens, das sich zur Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses verhält und sowohl im Klageverfahren als auch im zugehörigen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vorgelegt wird, sind vorbehaltlich der jeweiligen Kostengrundentscheidung unter den in § 162 Abs. 1 VwGO genannten Voraussetzungen anteilig in beiden Verfahren erstattungsfähig.

Gründe I

1 Die Vorlage betrifft eine Frage aus dem Bereich des Kostenrechts.

2 Der Antragsteller des Ausgangsverfahrens erstellte Ende 2016/Anfang 2017 mehrere Gutachten zur Rechtmäßigkeit eines Planfeststellungsbeschlusses, die sein Auftraggeber - ein nach § 3 UmwRG anerkannter Umweltverband - zur Begründung der von ihm gegen diesen Planfeststellungsbeschluss erhobenen Klage und eines Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes vorlegte.

3 Nachdem die Planfeststellungsbehörde die Vollziehung des Planfeststellungsbeschlusses weitgehend ausgesetzt hatte und das Eilverfahren in diesem Umfang übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt worden war, wurde der Eilantrag im Übrigen mit Beschluss vom 16. Februar 2017 abgelehnt. Die Kosten des Verfahrens wurden dem Antragsgegner auferlegt. Die Kostenentscheidung wurde mit der vom Antragsgegner herbeigeführten Teilerledigung und dem im Übrigen geringfügigen Unterliegen des Antragstellers begründet. Im Hauptsacheverfahren wurde die Klage mit Urteil vom 11. Oktober 2017 abgewiesen.

4 Nach Abtretung der Erstattungsansprüche des Auftraggebers an den Antragsteller beantragte dieser die Kostenfestsetzung für das Eilverfahren. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle begrenzte die geltend gemachten Aufwendungen der Höhe nach und verteilte sie - entsprechend der jeweils festgesetzten Streitwerte - anteilig auf Eil- und Hauptsacheverfahren. Antragsteller und Antragsgegner haben gegen den auf dieser Berechnungsgrundlage im Eilverfahren ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 14. Dezember 2018 die Entscheidung des Gerichts beantragt.

5 Der 9. Senat teilt die Auffassung der Urkundsbeamtin, dass die Kosten der sowohl im Klage- als auch im Eilverfahren vorgelegten privaten Gutachten anteilig dem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zuzuordnen sind, sieht sich an einer entsprechenden Entscheidung aber durch einen Beschluss des 4. Senats vom 16. November 2006 gehindert, wonach die Kosten für die Einholung eines Privatgutachtens, das sowohl im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes als auch im Hauptsacheverfahren Bedeutung erlangt hat, grundsätzlich dem Hauptsacheverfahren zuzuordnen sind. Vor diesem Hintergrund hat er mit Beschluss vom 12. September 2019 den Großen Senat angerufen zur Entscheidung der Frage, ob Kosten eines Privatgutachtens, das sich zur Rechtmäßigkeit des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses verhält und sowohl im Klageverfahren als auch im zugehörigen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vorgelegt wird, vorbehaltlich der jeweiligen Kostengrundentscheidung unter den in § 162 Abs. 1 VwGO genannten Voraussetzungen anteilig in beiden Verfahren erstattungsfähig sind.

6 Der 9. Senat begründet seine Auffassung vor allem mit der Eigenständigkeit des Eilverfahrens und dem Aspekt der Waffengleichheit, da sich ein Antragsteller schon im Eilverfahren mit der Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses auseinandersetzen müsse. Bei unterschiedlichem Ausgang der Verfahren stehe mit einer Verteilung der Kosten auf Hauptsache- und Eilverfahren im Verhältnis der Streitwerte ein sachgerechter und grundsätzlich praktikabler Maßstab zur Verfügung.

7 Der 4. Senat hat auf Anfrage des 9. Senats mit Beschluss vom 26. Juni 2019 an der im Beschluss vom 16. November 2006 vertretenen Auffassung festgehalten. Begründet hat er dies vor allem damit, dass das Hauptsacheverfahren eine höhere Richtigkeitsgewähr biete, auch und gerade hinsichtlich der Beurteilung von privatgutachtlich substantiierten Einwendungen.

8 Der Antragsteller des Ausgangsverfahrens macht geltend, die Gutachterkosten seien allein im Eilverfahren zu erstatten. Die in diesem Verfahren ergangene Kostengrundentscheidung sei endgültig und führe zu einer verfestigten Vermögensposition, die nicht aufgrund der späteren Entscheidung im Hauptsacheverfahren aufgehoben oder abgemindert werden dürfe. Gegen eine sich am Streitwert orientierende Zuordnung spreche zudem, dass eine Aufteilung nach Inhalt und Aufwand möglich wäre.

9 Der Antragsgegner des Ausgangsverfahrens schließt sich der Ansicht des 4. Senats an. Diese beruhe auf dem Gedanken, dass ein Verband, der einen weitgehenden Rechtsschutz für sich beanspruchen könne, nach ständiger Rechtsprechung der Bau- und Planungssenate in aller Regel eine Aussetzung des Vollzugs erreiche, ohne dass es auf Einzelheiten der Begründung der Klage ankomme.

10 Der 3. Senat hat mitgeteilt, dass er der Auffassung des 9. Senats zuneige; die übrigen Revisionssenate haben von einer...

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