Beschluss vom 04.06.2020 - BVerwG 2 B 26.19

JurisdictionGermany
Judgment Date04 Junio 2020
Neutral CitationBVerwG 2 B 26.19
ECLIDE:BVerwG:2020:040620B2B26.19.0
CitationBVerwG, Beschluss vom 04.06.2020 - 2 B 26.19
Registration Date14 Julio 2020
Subject MatterBeamtenversorgungsrecht
CourtDas Bundesverwaltungsgericht
Record Number040620B2B26.19.0

BVerwG 2 B 26.19

  • VG Leipzig - 09.03.2017 - AZ: VG 3 K 1420/14
  • OVG Bautzen - 12.03.2019 - AZ: OVG 2 A 332/17

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 4. Juni 2020
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hartung
und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hampel
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 12. März 2019 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 13 000,21 € festgesetzt.
Gründe

1 Die auf sämtliche Zulassungsgründe (§ 132 Abs. 2 VwGO) gestützte Beschwerde ist teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet.

2 1. Der 1951 geborene Kläger stand zuletzt als Polizeihauptmeister (Besoldungsgruppe A 9) im Dienst des Beklagten. Das Landesamt für Steuern und Finanzen (LF) erkannte im Juli 1995 den vom Kläger gemeldeten Unfall beim Dienstsport im Mai 1995 als Dienstunfall an und stellte als Dienstunfallfolge "Kniegelenkerguss links" fest. Der Beklagte erkannte mit Bescheid vom Juni 2005 "Gonarthrose links" und mit Bescheid vom Juli 2007 "beginnende retropatellare Arthrose im rechten Kniegelenk" als weitere Dienstunfallfolgen an.

3 Die Polizeidirektion versetzte den Kläger mit Bescheid vom November 2008 zum Ablauf desselben Monats wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand und stellte mit Änderungsbescheid vom Januar 2009 fest, dass die Dienstunfähigkeit Folge des erlittenen Dienstunfalls sei. Im April 2009 setzte das LF das Unfallruhegehalt rückwirkend zum Dezember 2008 fest.

4 In der Folgezeit erkannte der Beklagte weitere Dienstunfallfolgen an: mit Bescheid vom Oktober 2009 "degenerierter Rand des Innenmeniskus (nach Resektion), retropatellarer Knorpelschaden Stadium III bis IV, Knorpelschaden Grad III bis IV im Gleitlager zwischen den Oberschenkelgelenkrollen, Knorpelschaden Grad III an der inneren Oberschenkelgelenkrolle, Knorpelschaden Grad III am inneren Schienbeinkopfplateau, Knorpelschaden Grad II bis III an der äußeren Oberschenkelgelenkrolle, Knorpelschaden Grad II am äußeren Schienbeinkopfplateau am linken Kniegelenk" sowie mit Bescheid vom April 2011 "einliegende totale Kniegelenkendoprothese linkes Kniegelenk und innerseitig betonte umformende Verschleißerkrankung rechtes Kniegelenk". Der Kläger erhielt Unfallausgleich auf der Grundlage eines Grades der dienstunfallbedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30 v.H. seit Februar 2005, zuletzt befristet bis Ende März 2012.

5 Nach einer Nachuntersuchung des Klägers im Jahr 2012 lehnte das LF mit Bescheid vom April 2013 die Erstattung von entstandenen Heilbehandlungskosten ab. Mit Bescheid vom Oktober 2013 nahm das LF den Bescheid vom Juli 1995 über die Anerkennung des Dienstunfalls und der Dienstunfallfolge "Kniegelenkerguss links" sowie sämtliche nachgehenden Bescheide über die Anerkennung der weiteren Dienstunfallfolgen mit Wirkung für die Zukunft zurück. Zugleich stellte es fest, dass eine dienstunfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht bestanden habe. Mit weiterem Bescheid vom Oktober 2013 forderte das LF vorläufig erstattete Heilfürsorgekosten zurück.

6 Mit Bescheid vom Januar 2014 nahm das LF den Bescheid vom April 2009 über die Gewährung des Unfallruhegehalts mit Wirkung vom 1. Februar 2014 zurück. Mit rechtskräftigem Beschluss vom März 2014 stellte das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Klägers gegen diesen Bescheid wieder her. Über den Widerspruch ist bislang nicht entschieden worden.

7 Das LF wies mit Widerspruchsbescheid vom April 2014 die Widersprüche gegen die Bescheide vom April und Oktober 2013 zurück. Das Verwaltungsgericht hat das Klageverfahren eingestellt, soweit die Beteiligten das Verfahren insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, als der Beklagte die Rücknahme der Anerkennung des Dienstunfalls und der Dienstunfallfolge "Kniegelenkerguss links" in der mündlichen Verhandlung aufgehoben hat; im Übrigen hat es der Klage stattgegeben.

8 Das Oberverwaltungsgericht hat auf die Berufung des Beklagten das erstinstanzliche Urteil geändert, soweit darin das Verfahren nicht eingestellt worden ist, und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Rücknahme der Anerkennung der weiteren Dienstunfallfolgen und einer unfallbedingten Minderung der Erwerbstätigkeit sei rechtmäßig. Die Anerkennungsbescheide seien rechtswidrig. Ein Kausalzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den anerkannten Körperschäden scheide mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aus. Dem Vertrauen des Klägers in den unveränderten Fortbestand der Anerkennungsbescheide für die Zukunft sei ausnahmsweise kein größeres Gewicht einzuräumen als dem öffentlichen Interesse, keine Dienstunfallfürsorge ohne Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen gewähren zu müssen. Der Kläger sei durch die Anerkennung der weiteren Dienstunfallfolgen und die Feststellung erwerbsmindernder Folgen nicht erkennbar oder nachweisbar zu Vermögensdispositionen veranlasst worden, die nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig gemacht werden könnten. Bei einer Gesamtwürdigung der Umstände sei nicht davon auszugehen, dass der Kläger im Herbst 2005 allein aufgrund der Erwartung, zukünftig dauerhaft einen Unfallausgleich in Höhe von monatlich 104 € einschließlich gesetzlicher Steigerungen zu erhalten, zur Kreditaufnahme in Höhe von insgesamt 140 000 € für den Erwerb eines Eigenheims bewegt worden sei. Auch die Kreditaufnahmen in den Jahren 2009 und 2012 stünden in keinem Zusammenhang mit der Anerkennung der Dienstunfallfolgen. Die Kreditverträge könnten möglicherweise im Vertrauen auf das seit Dezember 2008 gewährte Unfallruhegehalt abgeschlossen worden sein. Die Rücknahme des Unfallruhegehalts sei aber im vorliegenden Verfahren nicht streitgegenständlich. Schließlich sei keine Vermögensdisposition in dem Umstand zu sehen, dass der Kläger gegen seine Zurruhesetzung kein Rechtsmittel eingelegt habe. Die für die Zukunft getroffene Rücknahmeentscheidung lasse keine Ermessensfehler erkennen. Da die Rücknahmeentscheidung rechtmäßig sei, habe der Kläger keine Heilfürsorgeansprüche.

9 2. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.

10 Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine Frage des revisiblen Rechts von allgemeiner, über den Einzelfall hinausreichender Bedeutung aufwirft, die im konkreten Fall entscheidungserheblich ist. Ein derartiger Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist oder auf der Grundlage der bestehenden bundesgerichtlichen Rechtsprechung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens eindeutig beantwortet werden kann (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 24. Januar 2011 - 2 B 2.11 - NVwZ-RR 2011, 329 Rn. 4, vom 9. April 2014 - 2 B 107.13 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 9 und vom 20. Juni 2017 - 2 B 84.16 - juris Rn. 9).

11 a) Der von der Beschwerde aufgeworfenen Frage,
"dürfen rechtmäßig bei der Ermessensausübung zur Beurteilung eines überwiegenden Vertrauensschutzes nach § 48 Abs. 2 S. 1 und 2 VwVfG wegen nicht revisibler Vermögensdispositionen im Vertrauen auf einen Verwaltungsakt, der als Grundverwaltungsakt zwingende Voraussetzung für mehrere laufende Geldleistungen ist, diese Geldleistungen getrennt und mithin ungeachtet ihres Gesamtwertes für das laufende monatliche Einkommen betrachtet werden, sodass der mit der Aufhebung des Grundverwaltungsaktes beschiedene Wegfall einer dieser Geldleistungen möglich wird, weil die weiteren laufenden Geldleistung(en) mit der Begründung gänzlich unberücksichtigt bleiben, dass die gesonderte Aufhebung dieser in gesonderten Verwaltungsverfahren zu beurteilen wäre",
kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Sie lässt sich auf der Grundlage des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der allgemeinen Auslegungsregeln und anhand der bestehenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Sinne des Berufungsurteils beantworten, ohne dass es hierzu einer revisionsgerichtlichen Überprüfung bedarf.

12 Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG, der gemäß § 1 des Gesetzes zur Regelung des Verwaltungsverfahrens- und des...

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