Beschluss vom 05.11.2021 - BVerwG 2 B 16.21

JurisdictionGermany
Judgment Date05 Noviembre 2021
Neutral CitationBVerwG 2 B 16.21
Subject MatterAllgemeines Beamtenrecht
Registration Date18 Enero 2022
CourtDas Bundesverwaltungsgericht
Record Number051121B2B16.21.0

BVerwG 2 B 16.21

  • VG Halle - 11.12.2019 - AZ: VG 5 A 135/17 HAL
  • OVG Magdeburg - 17.02.2021 - AZ: OVG 1 L 25/20

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 5. November 2021
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hartung
und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hampel
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 17. Februar 2021 wird zurückgewiesen
  2. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 290 248,68 € festgesetzt
Gründe

1 Die auf sämtliche Revisionszulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde der Beklagten ist zum Teil unzulässig und im Übrigen unbegründet.

2 1. Der Kläger war von Anfang Januar 2004 bis Ende März 2011 im Amt eines Universitätsprofessors (Besoldungsgruppe C 4 LBesO LSA) Beamter des Landes Sachsen-Anhalt und hatte bei der beklagten Universität eine Professur für ... inne. Zugleich war er Direktor des Instituts für ... des seit dem 1. Januar 2006 rechtlich als Anstalt des öffentlichen Rechts verselbständigten beigeladenen Universitätsklinikums. Ihm war aufgrund einer Nebentätigkeitsgenehmigung der Beklagten das Recht eingeräumt, Patienten gegen eine besondere Vergütung stationär und ambulant im Klinikum persönlich zu untersuchen oder zu behandeln und zu diesem Zweck die dort vorgehaltenen personellen und sachlichen Mittel in Anspruch zu nehmen.

3 Mit Bescheid vom Oktober 2016 setzte die Beklagte gegenüber dem Kläger ein Nutzungsentgelt für die Inanspruchnahme klinischer Ressourcen im Rahmen der Ausübung der beamtenrechtlichen Nebentätigkeit für das Jahr 2008 in Höhe von 302 749,36 € fest. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren hat das Verwaltungsgericht der Klage des Klägers stattgegeben, soweit von ihm für das Jahr 2008 ein Nutzungsentgelt von mehr als 290 248,68 € gefordert und soweit dem Grunde nach ein Zinsanspruch festgesetzt wurde; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht mit Beschluss nach § 130a VwGO das Urteil des Verwaltungsgerichts aufgehoben und der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

4 Die von der Beklagten geltend gemachte Forderung sei verjährt. Der Anspruch auf Nutzungsentgelt sei für das erste Halbjahr 2008 im zweiten Halbjahr 2008 und für das zweite Halbjahr 2008 im ersten Halbjahr 2009 entstanden. Die maßgebende dreijährige Regelverjährungsfrist des Bürgerlichen Gesetzbuches habe zum jeweiligen Schluss der Jahre zu laufen begonnen und für den Anspruch für das erste Halbjahr 2008 mit Ablauf des 31. Dezember 2011 sowie für den Anspruch für das zweite Halbjahr 2008 mit Ablauf des 31. Dezember 2012 geendet. Die Beklagte als die für den Dienstherrn handelnde verfügungsberechtigte Behörde habe Kenntnis von der Inanspruchnahme medizinischer Ressourcen durch den bei ihr beschäftigten Kläger gehabt, jedenfalls hätte sich ihr diese Kenntnis aufdrängen müssen. Der Verjährungsbeginn sei nicht hinauszuschieben. Im Zeitpunkt der Entstehung der Ansprüche für das Jahr 2008 habe keine unsichere und zweifelhafte Rechtslage hinsichtlich der Beurteilung der Frage bestanden, ob der Dienstherr des Klägers auch nach Inkrafttreten des Hochschulmedizingesetzes des Landes Sachsen-Anhalt am 1. Januar 2006 weiter Entgelte für die Nutzung der in den Universitätsklinika vorgehaltenen Sach- und Personalausstattung erheben dürfe. Der Wunsch des Dienstherrn, den Ausgang anderer Rechtsstreitigkeiten zur Klärung von Vorfragen der Nutzungsentgelterhebung abzuwarten, um unnötige Kosten zu vermeiden, könne den Beginn der Verjährung nicht unter Zumutbarkeitsaspekten beeinflussen. Dem Kläger sei es nicht verwehrt, sich auf die eingetretene Verjährung zu berufen. Die Beklagte hätte das Nutzungsentgelt bei mangelnder Mitwirkung des Klägers durch Schätzung festsetzen dürfen.

5 2. Die von der Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen führen ungeachtet der Frage, ob die Beschwerdebegründung den Darlegungserfordernissen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO in vollem Umfang genügt, nicht zur Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die die Beklagte ihr zumisst.

6 Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine Frage des revisiblen Rechts von allgemeiner, über den Einzelfall hinausreichender Bedeutung aufwirft, die im konkreten Fall entscheidungserheblich ist. Ein derartiger Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist oder auf der Grundlage der bestehenden bundesgerichtlichen Rechtsprechung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregelungen auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens eindeutig beantwortet werden kann (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 24. Januar 2011 - 2 B 2.11 - NVwZ-RR 2011, 329 Rn. 4; vom 9. April 2014 - 2 B 107.13 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 9 und vom 20. Juni 2017 - 2 B 84.16 - juris Rn. 9).

7 a) Die von der Beschwerde der Sache nach aufgeworfene Frage,
ob für Ansprüche auf Entrichtung eines Nutzungsentgelts für die Inanspruchnahme von Einrichtungen, Personal und Material des Dienstherrn bei Ausübung einer Nebentätigkeit gemäß §§ 68a und 69 des Beamtengesetzes Sachsen-Anhalt vom 9. Februar 1998 (GVBl. LSA S. 50) in der Fassung des Art. 1 Nr. 14 des Gesetzes zur Änderung des Beamtengesetzes Sachsen-Anhalt und des Hochschulgesetzes Sachsen-Anhalt vom 3. April 2001 (GVBl. LSA S. 141, BG LSA a.F.) i.V.m. §§ 10 und 16 der Hochschulnebentätigkeitsverordnung vom 14. Juli 2004 (GVBl. LSA S. 402, HNVO LSA a.F.) seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts (Schuldrechtsmodernisierungsgesetz) vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3138) die abgabenrechtlichen Verjährungsregelungen, die kenntnisabhängige dreijährige Regelverjährung nach §§ 195 und 199 Abs. 1 BGB oder die kenntnisunabhängige absolute zehnjährige Höchstfrist des § 199 Abs. 4 BGB jeweils in entsprechender Anwendung gilt,
führt nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO und § 127 Nr. 2 BRRG i.V.m. § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG). Ungeachtet dessen, ob es unter dem Gesichtspunkt ausgelaufenen Rechts auf die Klärungsbedürftigkeit dieser Rechtsfrage ankommt, lässt sie sich jedenfalls auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Sinne des Berufungsurteils beantworten, ohne dass es einer revisionsgerichtlichen Überprüfung bedarf.

8 Der Anspruch auf Nutzungsentgelt gemäß §§ 68a und 69 des Beamtengesetzes Sachsen-Anhalt in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Februar 1998 (GVBl. LSA S. 50 - BG LSA a.F.) i.V.m. § 16 der Hochschulnebentätigkeitsverordnung vom 14. Juli 2004 (GVBl. LSA S. 402 - HNVO LSA a.F.) unterliegt seit dem Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes am 1. Januar 2002 nicht mehr der kenntnisunabhängigen vierjährigen Verjährungsfrist des bis dahin geltenden § 197 BGB a.F. in entsprechender Anwendung, sondern der kenntnisabhängigen dreijährigen Verjährungsfrist in entsprechender Anwendung des § 195 BGB.

9 Das Bundesverwaltungsgericht hat in der Vergangenheit, vor dem Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes, entschieden, dass die Verjährungsregelungen aus dem (Landes-)Abgabenrecht nicht in das Beamtenrecht zu übertragen sind, weil es sich um zwei gänzlich unterschiedliche, jeweils in sich geschlossene und jeweils eigenen Grundsätzen unterliegenden Rechtsgebiete handelt (BVerwG, Urteil vom 12. März 1987 - 2 C 10.83 - Buchholz 237.0 § 87 BaWüLBG Nr. 1 S. 6). Auf den Anspruch des Dienstherrn auf Nutzungsentgelt bei Ausübung einer Nebentätigkeit war ebenso wie auf den Anspruch auf Ablieferung...

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