BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 979/12 -
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn V… |
- Bevollmächtigte:
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Rechtsanwälte Stamme & Kollegen,
Ochtruper Straße 6, 48455 Bad Bentheim -
gegen |
a) |
den Beschluss des Bundessozialgerichts |
vom 22. März 2012 - B 11 AL 2/12 B -, |
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b) |
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen- |
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Bremen vom 9. November 2011 - L 12 AL 115/10 -, |
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c) |
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Osnabrück |
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vom 2. September 2010 - S 12 AL 276/06 - |
hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Vizepräsidenten Kirchhof,
den Richter Eichberger
und die Richterin Britz
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 5. Juli 2016 einstimmig beschlossen:
- Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen
Die Verfassungsbeschwerde betrifft das Recht der Arbeitsförderung nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III). Der Sache nach beanstandet der Beschwerdeführer die Verfassungsmäßigkeit des Erfordernisses der zeitnahen Erreichbarkeit für den Bezug von Arbeitslosengeld unter den erleichterten Voraussetzungen für ältere Arbeitslose.
I.
1. Für die Bestimmung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld finden hier die §§ 117 ff. SGB III in der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung des Art. 1 des Gesetzes zur Reform der Arbeitsförderung (Arbeitsförderungs-Reformgesetz <AFRG>) vom 24. März 1997 (BGBl I S. 594 <625 f.>) und des Art. 1 des Ersten Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuches und anderer Gesetze (Erstes SGB III-Änderungsgesetz <1. SGB III-ÄndG>) vom 16. Dezember 1997 (BGBl I S. 2970 <2971 f.>) Anwendung (SGB III a.F.).
§ 117 Abs. 1 SGB III a.F. bestimmt, dass Anspruch auf Arbeitslosengeld nur Arbeitnehmer haben, die arbeitslos sind, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Nach § 118 Abs. 1 SGB III a.F. ist ein Arbeitnehmer arbeitslos, der vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit) und eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung sucht (Beschäftigungssuche). § 119 Abs. 1 SGB III a.F. bestimmt, dass eine Beschäftigung sucht, wer alle Möglichkeiten nutzt und nutzen will, um seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden und den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes zur Verfügung steht (Verfügbarkeit). Den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes steht nach § 119 Abs. 2 SGB III a.F. zur Verfügung, wer arbeitsfähig und seiner Arbeitsfähigkeit entsprechend arbeitsbereit ist. Arbeitsfähig ist ein Arbeitsloser nach § 119 Abs. 3 SGB III a.F. insbesondere dann, wenn er eine versicherungspflichtige mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes aufnehmen und ausüben, an Maßnahmen der beruflichen Eingliederung in das Erwerbsleben teilnehmen und Vorschlägen des Arbeitsamtes zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann und darf.
An die Regelung des § 119 Abs. 3 Nr. 3 SGB III a.F. (jetzt: § 138 Abs. 5 Nr. 2 SGB III) anknüpfend, bestimmt die auf der Grundlage des § 152 Nr. 2 SGB III a.F. (jetzt: § 164 Nr. 2 SGB III) ergangene Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit (jetzt: Bundesagentur für Arbeit) zur Pflicht der Arbeitslosen, Vorschlägen des Arbeitsamtes zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten zu können (Erreichbarkeitsanordnung
§ 428 Abs. 1 Satz 1 SGB III (in der Fassung des Art. 1 AFRG vom 24. März 1997, BGBl I S. 594 <688>) enthält eine von den allgemeinen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld teilweise abweichende, sozialpolitisch motivierte Besserstellung von Arbeitslosen, die das 58. Lebensjahr vollendet haben; ihre Inanspruchnahme steht im Belieben des Betroffenen. Er kann gegenüber dem Arbeitsamt erklären, nicht arbeitsbereit zu sein und nicht alle Möglichkeiten zu nutzen und nutzen zu wollen, um seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden, ohne hierdurch den Anspruch auf Arbeitslosengeld einzubüßen. Die ursprünglich auf Ansprüche, die vor dem Jahre 2001 entstanden waren, beschränkte Vorschrift wurde durch Art. 2 des Zweiten Gesetzes zur Fortentwicklung der Altersteilzeit vom 27. Juni 2000 (BGBl I S. 910) zunächst bis zum 31. Dezember 2005 und durch das Fünfte Gesetz zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch vom 22. Dezember 2005 (BGBl I S. 3676 <3677>) bis zum 31. Dezember 2007 verlängert (vgl. § 428 Abs. 1 Satz 3 in der jeweils geltenden Fassung).
2. Der 1943 geborene Beschwerdeführer ist niederländischer Staatsangehöriger; er war von 1966 bis zum 31. Dezember 2002 in Deutschland sozialversicherungspflichtig beschäftigt, zuletzt als Netzwerkspezialist. Sein letzter Beschäftigungsort war Hannover.
a) Er meldete sich am 2. Januar 2004 unter konkreter Bezeichnung einer Wohnanschrift in Bad Bentheim bei der dortigen Agentur für Arbeit arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Die Bundesagentur für Arbeit bewilligte das beantragte Arbeitslosengeld unter den erleichterten Voraussetzungen des § 428 SGB III. Auf Antrag des Beschwerdeführers wurden die Zahlungen ab dem 1. Januar 2005 eingestellt (Abmeldung aus dem Leistungsbezug). Zum 1. Januar 2006 meldete er sich unter der zuvor angegebenen Adresse in Bad Bentheim wieder arbeitslos und beantragte die Wiedergewährung von Arbeitslosengeld unter den erleichterten Bedingungen...