Beschluss vom 05. Juli 2023 - 2 BvE 4/23
ECLI | ECLI:DE:BVerfG:2023:es20230705.2bve000423 |
Judgement Number | 2 BvE 4/23 |
Date | 05 Julio 2023 |
Court | Constitutional Court (Germany) |
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvE 4/23 -
Gebäudeenergiegesetzänderungsgesetz - eA
über
den Antrag festzustellen,
dass die Ausgestaltung des Gesetzgebungsverfahrens zur 2. Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gebäudeenergiegesetzes, zur Änderung der Heizkostenverordnung und zur Änderung der Kehr- und Überprüfungsordnung) – insbesondere die Einbringung eines veralteten Gesetzentwurfs sowie die Terminierung der zweiten und dritten Lesung der Novelle – den Anforderungen aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 Grundgesetz sowie aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 Grundgesetz in Verbindung mit Artikel 42 Absatz 1 Satz 1 Grundgesetz und Artikel 76 f. Grundgesetz nicht genügt und das Recht des Antragstellers auf gleichberechtigte Teilhabe als Abgeordneter an der parlamentarischen Willensbildung verletzt |
Antragsteller: |
Thomas Heilmann, MdB, Platz der Republik 1, 11011 Berlin, |
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Beigetreten |
Mitglieder des Deutschen Bundetages |
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1. |
Marc Bernhard, |
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2. |
René Bochmann, |
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3. |
Dr. Michael Espendiller, |
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4. |
Leif-Erik Holm, |
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5. |
Dr. Malte Kaufmann, |
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6. |
Edgar Naujok, |
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7. |
Thomas Seitz, |
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8. |
Dr. Christina Baum, |
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9. |
Thomas Dietz, |
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10. |
Dietmar Friedhoff, |
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11. |
Norbert Kleinwächter, |
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Platz der Republik 1, 11011 Berlin |
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Antragsgegner: |
Deutscher Bundestag, Platz der Republik 1, 11011 Berlin, |
- Bevollmächtigter:
Prof. Dr. Heiko Sauer,
Burbacher Straße 211d, 53129 Bonn -
hier: | Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung |
hat das Bundesverfassungsgericht - Zweiter Senat -
unter Mitwirkung der Richterinnen und Richter
Vizepräsidentin König,
Müller,
Kessal-Wulf,
Langenfeld,
Wallrabenstein,
Fetzer,
Offenloch
am 5. Juli 2023 beschlossen:
- Dem Antragsgegner wird aufgegeben, die zweite und dritte Lesung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur „Änderung des Gebäudeenergiegesetzes, zur Änderung der Heizkostenverordnung und zur Änderung der Kehr- und Überprüfungsordnung“ (BTDrucks 20/6875) nicht innerhalb der laufenden Sitzungswoche (27. Kalenderwoche) durchzuführen
- Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt
A.
Der Antragsteller begehrt im Wege des mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbundenen Organstreitverfahrens die Feststellung der Verletzung seiner Rechte als Mitglied des Deutschen Bundestages durch einzelne Verfahrensschritte im Gesetzgebungsverfahren zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Gebäudeenergiegesetzes, zur Änderung der Heizkostenverordnung und zur Änderung der Kehr- und Überprüfungsordnung (BTDrucks 20/6875). Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zielt darauf ab, dem Deutschen Bundestag vorläufig zu untersagen, die zweite und dritte Lesung des vorgenannten Gesetzentwurfs auf die Tagesordnung zu setzen, solange nicht allen Abgeordneten die wesentlichen Textpassagen des für die zweite Lesung maßgeblichen Gesetzentwurfs mindestens 14 Tage vorher zugegangen sind.
I.
Das Bundeskabinett beschloss am 19. April 2023 die Einbringung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gebäudeenergiegesetzes, zur Änderung der Heizkostenverordnung und zur Änderung der Kehr- und Überprüfungsordnung (im Folgenden: Gebäudeenergiegesetzänderungsgesetz – GEGÄndG). Der Bundesminister der Finanzen erklärte dabei zu Protokoll, dass das Bundesministerium der Finanzen dem Gesetzentwurf in dem Bewusstsein zustimme, dass die Fraktionen des Deutschen Bundestages diesen im parlamentarischen Verfahren intensiv beraten und auch weitere Änderungen vornehmen würden. Der Bundesrat nahm am 12. Mai 2023 zu dem Gesetzentwurf Stellung (vgl. BRDrucks 170/23
Am Dienstag, dem 13. Juni 2023, veröffentlichten die Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP (im Folgenden: Koalitionsfraktionen) ein zweiseitiges Papier mit dem Titel „Leitplanken […] zur weiteren Beratung des Gebäudeenergiegesetzes“ (vgl. BT-AusschussDrucks 20<25>397). Dieses enthält eine Aufzählung von den Gesetzentwurf modifizierenden und im weiteren Verfahren zu beratenden „Gesichtspunkten“. Der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion qualifizierte das Leitplankenpapier als einen „Paradigmenwechsel“ (vgl. Handelsblatt vom 13. Juni 2023, abrufbar unter https://www.handelsblatt.com/dpa/muetzenich-heizungsgesetz-wird-deutlich-verbessert/29203532.html).
Die Abgeordneten der Koalitionsfraktionen stimmten zu Beginn der Plenarsitzung des Bundestages am Donnerstag, dem 15. Juni 2023, im Rahmen einer Geschäftsordnungsdebatte gegen die Stimmen der Abgeordneten der Fraktionen von CDU/CSU, AfD und DIE LINKE für die Erweiterung der Tagesordnung und die Aufsetzung des vorgenannten Gesetzentwurfs der Bundesregierung (vgl. BT-Plenarprotokoll 20/109, S. 13174). Der Abgeordnete Frei (CDU) monierte, dass erst seit dem 13. Juni 2023 eine „zweiseitige Leitplankenerklärung“ vorgelegen habe (vgl. BT-Plenarprotokoll 20/109, S. 13170
Im Anschluss wurde der Gesetzentwurf in erster Lesung im Plenum des Deutschen Bundestages beraten. In der Debatte äußerte der Abgeordnete Spahn (CDU), dass der Gesetzentwurf nach dem, was in den Leitplanken stehe, das Papier nicht mehr wert sei (vgl. BT-Plenarprotokoll 20/109, S. 13176
Der Ausschuss führte am Mittwoch, dem 21. Juni 2023, zwischen 11:00 Uhr und 12:58 Uhr eine Sachverständigenanhörung durch (vgl. https://www.bundestag.de/dokumente/ textarchiv/2023/kw24-de-gebaeudeenergiegesetz-952846). Der Ausschussvorsitzende Ernst (DIE LINKE) erklärte zu Beginn der Sitzung, dass der Ausschuss die Anhörung zu einem Gesetz durchführe, „wo wir eigentlich wissen, dass es so wahrscheinlich nicht eingebracht werden“ würde, und dass dem Ausschuss über die sogenannten Leitplanken hinaus keine neueren Unterlagen vorlägen. Einige Sachverständige kritisierten eingangs ihrer Stellungnahmen, dass über die Leitplanken hinaus Details der Änderungen nicht bekannt seien.
Auf Antrag der Koalitionsfraktionen fand am Dienstag, dem 27. Juni 2023, trotz Widerspruchs der CDU/CSU-Fraktion, eine Sondersitzung des Ausschusses für Klimaschutz und Energie statt. In deren Verlauf wurde der Termin für eine zweite Anhörung mehrheitlich auf den darauffolgenden Montag, den 3. Juli 2023 (13:30 Uhr), festgelegt, unter der Voraussetzung, dass die Änderungsanträge bis Freitag, den 30. Juni 2023, vorgelegt würden. Anträge der CDU/CSU-Fraktion (BT-AusschussDrucks 20<25>419) und des Ausschussvorsitzenden, dass die Änderungsanträge mit den maßgeblichen neuen Gesetzestexten zumindest bis Mittwoch, den 28. Juni 2023, beziehungsweise bis Donnerstag, den 29. Juni 2023, als Voraussetzung für die Durchführung der Anhörung vorzulegen seien, wurden mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen abgelehnt.
Am Dienstag, dem 27. Juni 2023, stellten Vertreter der Koalitionsfraktionen die Ergebnisse ihrer Verhandlungen zu noch offenen Punkten vor. Laut Mitteilung der SPD-Fraktion seien Neuerungen zum Vorliegen einer verbindlichen Wärmeplanung, zur Förderkulisse, zum Mieterschutz und zum Einbau von Gas- und mit Biomasse betriebenen Heizungen beschlossen worden (vgl. SPD-Bundestagsfraktion, 28. Juni 2023, Heizungsgesetz – Eine sozial gerechte Wärmewende, abrufbar unter https://www.spdfraktion.de/heizungswende).
Am Freitag, dem 30. Juni 2023, wurde dem Ausschuss für Klimaschutz und Energie die „Formulierungshilfe des BMWK für einen Änderungsantrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP“ vorgelegt (vgl. BT-AusschussDrucks 20<25>426). Sie enthält eine 94-seitige Synopse des Gesetzentwurfs der Bundesregierung und der Änderungsvorschläge sowie einen 14-seitigen Begründungsteil.
Die zweite öffentliche Anhörung des Ausschusses für Klimaschutz und Energie fand am 3. Juli 2023 statt und am 5. Juli 2023 eine weitere Ausschusssitzung. Nach Angaben des Antragsgegners sollen am 7. Juli 2023 die zweite und dritte Lesung mit der Schlussabstimmung im Deutschen Bundestag stattfinden.
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