Beschluss vom 05. Oktober 2015 - 2 BvR 2503/14
ECLI | ECLI:DE:BVerfG:2015:rk20151005.2bvr250314 |
Judgement Number | 2 BvR 2503/14 |
Date | 05 Octubre 2015 |
Citation | BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 05. Oktober 2015 - 2 BvR 2503/14 - Rn. (1-22), |
Court | Constitutional Court (Germany) |
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 2503/14 -
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn I…,
gegen |
a) |
den Beschluss des Bundesgerichtshofs |
vom 18. September 2014 - III ZA 6/14 -, |
||
b) |
den Beschluss des Bundesgerichtshofs |
|
vom 21. August 2014 - III ZA 6/14 -, |
||
c) |
das Urteil des Kammergerichts |
|
vom 14. Februar 2014 - 9 U 3/12 - |
hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
die Richter Huber,
Müller,
Maidowski
am 5. Oktober 2015 einstimmig beschlossen:
- Das Urteil des Kammergerichts vom 14. Februar 2014 - 9 U 3/12 - und der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 21. August 2014 - III ZA 6/14 - sowie der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 18. September 2014 - III ZA 6/14 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes
- Die genannten Entscheidungen werden aufgehoben und die Sache an das Kammergericht zurückverwiesen
- Das Land Berlin hat die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers zu erstatten
I.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Verletzung einer Obhuts- und Verkehrssicherungspflicht von Amtswaltern gegenüber einem jugendlichen Untersuchungshäftling.
1. Der Beschwerdeführer wurde während der Untersuchungshaft in der Jugendstrafanstalt Berlin von einem anderen Mithäftling (im Folgenden: Schädiger) mehrfach mit einem Hammer geschlagen und dadurch schwer verletzt.
2. Mit Urteil vom 16. November 2011 hatte ihm das Landgericht Berlin zunächst 80.000 Euro Schmerzensgeld und Schadensersatz aus Amtshaftung gegenüber dem Land Berlin (im Folgenden: Land) zugesprochen (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG). Es war dabei zu der Überzeugung gelangt, dass das Land für die vom Anstaltsarzt schuldhaft verkannte extreme Gefährlichkeit des Schädigers und die damit verbundenen Verletzungen des Beschwerdeführers einstehen müsse. Den Bediensteten der Jugendstrafanstalt hätte klar sein müssen, dass der Schädiger hoch gefährlich war und nicht mit anderen Insassen alleine und ohne Aufsicht hätte untergebracht werden dürfen. Erst recht hätte er insoweit keinen Zugang zu Werkzeugen haben dürfen. Der Schädiger habe sich wegen des Vorwurfs erheblicher Gewaltdelikte, die er nur wenige Wochen vor der verfahrensgegenständlichen Tat begangen haben soll, in Untersuchungshaft befunden und sei zudem bereits mit Randale im Haftraum sowie anderweitigen psychischen Auffälligkeiten in Erscheinung getreten. Bei pflichtgemäßem Verhalten der in der Justizvollzugsanstalt verantwortlichen Amtsträger hätte dies zu besonderen Sicherheitsmaßnahmen Anlass geben müssen. Darüber hinaus liege auch ein Organisationsverschulden des Landes vor, weil ein von einem externen Gutachter eingeholtes Gutachten, welches die Gefährlichkeit des Schädigers belegt habe, vom zuständigen Gericht nicht schnell genug an die Anstaltsleitung übermittelt worden sei.
3. Auf die Berufung des Landes hin änderte das Kammergericht die Entscheidung des Landgerichts mit Urteil vom 14. Februar 2014 und wies die Klage vollumfänglich ab. Dem Beschwerdeführer stehe kein Amtshaftungsanspruch zu, weil es an einem vorwerfbaren Fehlverhalten der zuständigen Amtsträger fehle. Bei der unterlassenen Trennung des Schädigers von den übrigen Gefangenen habe es sich zwar um eine drittschützende Amtspflicht gehandelt; deren Verletzung sei allerdings nicht vorwerfbar. Nach der zum Zeitpunkt der Tat geltenden Rechtslage (Nr. 22 Abs. 5 UVollzO) wäre eine Trennung von Gefangenen bei besonderem Gefährdungspotential gegenüber anderen Gefangenen angezeigt gewesen. Bei der für die Beurteilung insoweit relevanten ex ante -Sicht könne unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls jedoch nicht festgestellt werden, dass die Verneinung einer besonderen Gefährlichkeit des Schädigers schuldhaft erfolgt sei. Das belege ein vom Gericht eingeholtes Sachverständigengutachten, wonach die vom Anstaltsarzt gestellte Diagnose zur fehlenden Gefährlichkeit des Schädigers - ex post betrachtet - zwar falsch gewesen sei. Dem habe jedoch keine fehlerhafte Untersuchung zugrunde gelegen. Die fehlerhafte Diagnose sei - ex ante betrachtet - jedenfalls vertretbar gewesen und die angewandte Methodik medizinisch nicht zu beanstanden. Ohne besondere Erwähnung des vom Beschwerdeführer eingeholten und vorgelegten Privatgutachtens hat sich das Kammergericht dabei auch mit den vom Beschwerdeführer gegen das gerichtliche Sachverständigengutachten erhobenen Einwendungen auseinandergesetzt.
4. Mit Beschluss vom 21. August 2014 lehnte der...
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Urteil Nr. B 2 U 2/17 R des Bundessozialgericht, 2018-06-19
...89, 1, 13 f und vom 8.7.1997 - 1 BvR 1934/93 - BVerfGE 96, 189, 203 sowie Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5.10.2015 - 2 BvR 2503/14 - NJW 2016, 1081 RdNr 9, vom 19.11.2015 - 2 BvR 2088/15 - NVwZ-RR 2016, 201, RdNr 22 und vom 19.7.2016 - 2 BvR 470/08 - NJW 2016, 3153 RdNr 23)......
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