Beschluss vom 06.03.2019 - BVerwG 6 B 135.18

Judgment Date06 Marzo 2019
Neutral CitationBVerwG 6 B 135.18
ECLIDE:BVerwG:2019:060319B6B135.18.0
Registration Date08 Abril 2019
Record Number060319B6B135.18.0
Applied RulesBGB §§ 26, 27 Abs. 3, §§ 28, 80, 81 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5, §§ 85, 86 Satz 1, §§ 87, 104 Nr. 2, § 105 Abs. 2, § 664 Abs. 1 Satz 1,ZPO § 545 Abs. 1, § 560,StiftG SH § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1,GG Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1,VwGO §§ 55, 63 Nr. 3, § 86 Abs. 1 und 2, § 117 Abs. 2 Nr. 5, §§ 121, 132 Abs. 2, § 137 Abs. 1, § 138 Nr. 5 und 6, § 173 Satz 1,GVG § 171b Abs. 1 Satz 1
Subject MatterSachen, die nicht einem anderen Senat zugewiesen sind
CourtDas Bundesverwaltungsgericht

BVerwG 6 B 135.18

  • VG Schleswig - 21.01.2016 - AZ: VG 6 A 12/15
  • OVG Schleswig - 07.12.2017 - AZ: OVG 3 LB 3/17

In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 6. März 2019
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Tegethoff und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Steiner
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 7. Dezember 2017 wird verworfen.
  2. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 7. Dezember 2017 wird zurückgewiesen.
  3. Die Klägerin und der Beigeladene tragen die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens sowie die außergerichtlichen Kosten des Beklagten im Beschwerdeverfahren je zur Hälfte; im Übrigen tragen die Klägerin und der Beigeladene ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 500 000 € festgesetzt.
Gründe I

1 Die Klägerin, eine Familienstiftung privaten Rechts, begehrt zuletzt nur noch die Feststellung, dass ihre Satzung in der Fassung vom 19. Februar 2010 gültig und die Satzungsänderung vom 23. Dezember 2010 unwirksam ist.

2 Das Innenministerium des Landes Schleswig-Holstein hat am 6. Dezember 2001 die Errichtung der Klägerin genehmigt. Nach der zugrundeliegenden Stiftungssatzung vom 16. November 2001 ist Stiftungszweck die Förderung der Destinatäre durch laufende und einmalige Zuwendungen. Zur Erfüllung dieses Zwecks hat die Stiftung für die Förderung der Unternehmensgruppe A. Sorge zu tragen, insbesondere durch Sicherung und Fortentwicklung ihrer Vermögens- und Ertragskraft.

3 Destinatäre sind der Stifter B. A., seine Ehefrau und ihre gemeinsamen Kinder sowie deren eheliche Abkömmlinge und - über Generationen hinweg - alle weiteren ehelichen Abkömmlinge. Als Stiftungsorgane wurden Vorstand, Beirat und Familientag vorgesehen. Der Vorstand sollte aus drei bis fünf Mitgliedern bestehen, von denen ein Mitglied aus dem Kreis der Mitglieder des Verwaltungsrates der Unternehmensgruppe A. und ein weiteres Vorstandsmitglied aus dem Kreis der rechts- bzw. wirtschaftsberatenden Berufe berufen werden soll. Der Familientag sollte die Anzahl der übrigen, sich aus den Destinatären rekrutierenden Vorstandsmitglieder bestimmen und diese wählen.

4 Nach der Änderungssatzung vom 19. Februar 2010 sollte der Vorstand der Klägerin nunmehr aus drei bis sechs Mitgliedern bestehen. Der Beklagte genehmigte die Satzungsänderung im März 2010.

5 Mit Beschluss vom 23. Dezember 2010 wurde u.a. § 8 C der Stiftungssatzung geändert. Danach sollte der nach dem Ableben von B. A. neu zu bestellende Vorstand aus vier Personen bestehen. Neben die namentlich benannten Töchter des Stifters O. A. (Vorsitzende) und V. A. sollte ein Mitglied aus dem Verwaltungsrat sowie ein Mitglied aus dem Kreis der die Unternehmensgruppe A. laufend beratenden Anwälte treten; letzteres sollte gemeinsam von den beiden genannten Töchtern berufen werden. Der Beschluss war von den Vorstandsmitgliedern B. A. und M. H. unterschrieben. Über der Unterschrift von B. A. hieß es: "Zugleich für den erkrankten H. W.". Der Beklagte genehmigte die Satzungsänderung am 30. Dezember 2010.

6 Nach dem Tod des Stifters teilte der Beigeladene dem Beklagten im Dezember 2012 mit, der neu bestellte Vorstand bestehe aus O. A. (Vorsitzende), dem Beigeladenen als einem die Unternehmensgruppe A. laufend beratenden Anwalt (stellvertretender Vorsitzender), V. A. sowie M. H. (Mitglied des Verwaltungsrats). Der Beklagte stellte eine entsprechende Vertretungsbescheinigung aus.

7 Am 18. Februar 2013 beschlossen O. und V. A. mit sofortiger Wirkung die Abberufung des Beigeladenen als Vorstandsmitglied. In einer außerordentlichen Sitzung des Familientages stimmten sämtliche Destinatäre der Abberufung zu und bestätigten diese. Am 11. März 2013 legte H. sein Amt als Vorstandsmitglied mit sofortiger Wirkung nieder. Daraufhin teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass die Abberufung des Beigeladenen aus dem Vorstand nicht wirksam sei. Nachdem H. sein Amt niedergelegt habe, sei der Stiftungsvorstand nicht mehr satzungsgemäß besetzt.

8 Am 10. Mai 2013 fand eine Vorstandssitzung in Anwesenheit von O. A. und V. A. statt, in der festgestellt wurde, dass der Beigeladene trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen sei. Durch Beschluss wurde die Abberufung des Beigeladenen vom 18. Februar 2013 genehmigt, bestätigt und vorsorglich erneut beschlossen.

9 Mit Schreiben vom 10. Juni 2013 wurde die Erteilung der Genehmigung für Satzungsänderungen beantragt, die der Vorstand am 9. Juni 2013 einstimmig im schriftlichen Umlaufverfahren beschlossen hatte. Unterzeichnet war die Beschlussfassung von O. A. und V. A. sowie sämtlichen Destinatären. Danach soll, wenn die Wahl eines Mitglieds aus dem Kreis der Mitglieder des Verwaltungsrates nicht binnen eines Monats zustande kommt, das Vorstandsmitglied aus dem Kreis der Destinatäre bestimmt werden. Zudem sollen in § 8 C Ziff. 3 aus der am 23. Dezember 2010 geänderten Satzung die Worte "aus dem Kreis der die Unternehmensgruppe A. laufend beratenden Anwälte" ersatzlos gestrichen werden. Die weitere Änderung betrifft die Zusammensetzung des Beirats.

10 Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 21. Juli 2014 die Genehmigung der Satzungsänderungen ab, da der Änderungsbeschluss unwirksam sei. Zum einen sei der Vorstand bei der Beschlussfassung am 9. Juni 2013 nicht nach den Vorgaben der Satzung in der Fassung vom 23. Dezember 2010 besetzt gewesen. Diese Fassung der Stiftungssatzung sei maßgeblich, da der Vorstandsbeschluss vom 23. Dezember 2010 zur Änderung der Satzung in der Fassung vom 19. Februar 2010 wirksam sei. Die Beschlussfassung im Umlaufverfahren, bei der ein Vorstandsmitglied stellvertretend für ein anderes gehandelt habe, sei nicht zu beanstanden. Zum anderen seien die Änderungen auch inhaltlich nicht mit dem Stifterwillen vereinbar. Der dagegen erhobene Widerspruch hatte keinen Erfolg.

11 Das Verwaltungsgericht wies die auf Genehmigung der Satzungsänderung vom 9. Juni 2013 gerichtete Verpflichtungsklage ab. Auf den hilfsweise gestellten Zwischenfeststellungsantrag stellt es fest, dass die Satzungsänderung vom 23. Dezember 2010 unwirksam ist und die Satzung in der Fassung vom 19. Februar 2010 gilt. Gegen diesen Feststellungsausspruch haben der Beklagte und der Beigeladene Berufung eingelegt.

12 Mit Urteil vom 7. Dezember 2017 hat das Oberverwaltungsgericht die Berufung des Beigeladenen verworfen. Auf die Berufung des Beklagten hat es das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage insgesamt abgewiesen (OVG Schleswig, Urteil vom 7. Dezember 2017 - 3 LB 3/17 - ZStV 2018, 170). Es hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass der Beigeladene durch den Feststellungsausspruch nicht beschwert sei. Als Mitglied des Stiftungsvorstands könne er weder durch die ursprünglich begehrte Genehmigung der Satzungsänderung noch durch die hilfsweise beantragte Feststellung, dass die Satzung in der Fassung vom 19. Februar 2010 maßgeblich sei, in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten berührt sein. Denn die Vorschriften des Schleswig-Holsteinischen Stiftungsgesetzes über die staatliche Stiftungsaufsicht dienten nur dem öffentlichen Interesse und dem Interesse der Stiftung selbst. Dritte wie u.a. einzelne Organmitglieder könnten durch eine stiftungsaufsichtsrechtliche Maßnahme wie die Genehmigung einer Satzungsänderung allenfalls reflexweise, nicht aber in geschützten Rechtspositionen berührt werden. Sie könnten nur zivilrechtlichen Rechtsschutz gegenüber einer möglichen Verletzung eigener Rechte durch die Satzungsänderung in Anspruch nehmen. Für die Feststellung, welche Fassung einer Stiftungssatzung wirksam sei, gelte nichts anderes.

13 Die Berufung des Beklagten sei zulässig und begründet. Die hilfsweise erhobene Zwischenfeststellungsklage sei zulässig. Das Verwaltungsgericht sei zuständig und die Prozessvoraussetzungen lägen vor, weil die Änderung einer Stiftungssatzung der Genehmigung durch die Stiftungsaufsicht unterliege. Bei solchen Genehmigungsentscheidungen sei die Stiftungsaufsicht regelmäßig gehalten, auch zivilrechtliche Vorfragen zu klären.

14 Die Zwischenfeststellungsklage sei jedoch unbegründet, da die Satzung in der Fassung vom 23. Dezember 2010 die maßgebliche sei. Der Satzungsänderungsbeschluss von diesem Tag sei wirksam, denn weder Gesetz noch Satzung schlössen eine Stellvertretung durch ein anderes Vorstandsmitglied aus. Gemäß § 86 BGB finde auf Stiftungen das Vereinsrecht entsprechend Anwendung und § 27 Abs. 3 BGB verweise auf das Auftragsrecht. Daraus ergebe sich, dass ein Vereinsvorstand zu persönlichem Tätigwerden verpflichtet sei. Damit sei im Vorstand eine Bevollmächtigung durch außenstehende Dritte, nicht aber eines anderen Vorstandsmitglieds ausgeschlossen. Die Stiftungsverfassung der Klägerin stehe dem nicht entgegen; vielmehr spreche die herausragende Stellung des Stifters zu seinen Lebzeiten für die Möglichkeit seiner Bevollmächtigung. Der zu diesem Zeitpunkt geschäftsfähige B. A. habe die Satzungsänderung am 23. Dezember 2010 stellvertretend für den erkrankten Zeugen W. unterzeichnet. Schließlich sei die nur die innere Ordnung der Klägerin betreffende Satzungsänderung auch materiell rechtmäßig; sie widerspreche nicht dem objektivierten Stifterwillen.

15 Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht...

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