Beschluss vom 07.03.2017 - BVerwG 6 B 53.16

Judgment Date07 Marzo 2017
Neutral CitationBVerwG 6 B 53.16
ECLIDE:BVerwG:2017:070317B6B53.16.0
Applied RulesVwGO § 54 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3, § 56 Abs. 1, § 79 Abs. 1 Nr. 1, §§ 88, 117 Abs. 1 Satz 2, § 133 Abs. 5 Satz 1, Abs. 6, § 138 Nr. 1 bis 3, § 173 Satz 1,ZPO §§ 47, 48, 318,KrO §§ 2, 3, 25 Abs. 1 Satz 1, § 31 Abs. 2, § 40c Satz 3 Nr. 10, § 41 Abs. 7 Satz 2, § 51 Abs. 5,GG Art. 101 Abs. 1 Satz 2, Art. 103 Abs. 1
Record Number070317B6B53.16.0
Registration Date22 Marzo 2017
Subject MatterPolizei- und Ordnungsrecht
CourtDas Bundesverwaltungsgericht

BVerwG 6 B 53.16

  • VG Schleswig - 12.02.2015 - AZ: VG 8 A 220/13
  • OVG Schleswig - 28.04.2016 - AZ: OVG 4 LB 8/15

In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 7. März 2017
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Möller und Hahn
beschlossen:

  1. Auf die Beschwerde des Klägers wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 28. April 2016 aufgehoben, soweit darin die Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 27. September 2013, die Zahlungserinnerung vom 11. November 2013 und den Widerspruchsbescheid vom 13. November 2013 abgewiesen wird.
  2. Insoweit wird die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
  3. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
  4. Der Kläger trägt 99/100 der Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt. Im Übrigen bleibt die Kostenentscheidung der Schlussentscheidung vorbehalten.
  5. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 031,71 € festgesetzt.
Gründe I

1 Der Kläger begehrt zum einen die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer von der Beigeladenen, seiner von ihm getrennt lebenden Ehefrau, beantragten Auskunftssperre und zum anderen die Aufhebung von Gebühren- und Kostenfestsetzungen für eine von ihm beantragte Melderegisterauskunft.

2 Nach Trennung der Eheleute meldete sich die Beigeladene am 3. Mai 2013 bei der Beklagten an und beantragte zugleich die Einrichtung einer melderechtlichen Auskunftssperre, die vorläufig eingetragen wurde. Auf ihren schriftlichen Antrag verfügte die Beklagte mit Bescheid vom 29. Mai 2013 eine Auskunftssperre bis zum 31. Dezember 2015. Auf entsprechende Mitteilung der Beigeladenen löschte die Beklagte die Auskunftssperre im Bescheid vom 30. August 2013 mit Wirkung vom 7. Oktober 2013.

3 Am 27. September 2013 erteilte die Beklagte dem Kläger eine Melderegisterauskunft über die Wohnanschrift der Beigeladenen und setzte dafür eine Gebühr und Portoauslagen in Höhe von 14,58 € fest. Am 11. November 2013 verlangte sie darüber hinaus Mahngebühren in Höhe von 4,50 €. Den Widerspruch wies der Kreis P. am 13. November 2013 zurück, legte dem Kläger die Kosten des Verfahrens auf und setzte für den Erlass des Widerspruchsbescheids Kosten i.H.v. 12,63 € fest.

4 Das Verwaltungsgericht hat dem Feststellungsantrag vollumfänglich und dem Anfechtungsantrag teilweise stattgegeben. Das Oberverwaltungsgericht hat das Verfahren hinsichtlich des Zeitraums der begehrten Feststellung der Rechtswidrigkeit der Auskunftssperre vor dem 29. Mai 2013 eingestellt und die Klage auf die Berufung der Beklagten vollumfänglich abgewiesen; die Berufung des Klägers hat es zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass für die erst nach Löschung der Auskunftssperre erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage kein berechtigtes Interesse ersichtlich sei. Insbesondere bestehe kein Rehabilitierungsinteresse des Klägers, da die von ihm vorgetragene Stigmatisierung seiner Person nicht durch die Auskunftssperre als solche, sondern nur darauf beruhen könne, dass der zugrundeliegende Sachverhalt rechtswidrigerweise nach außen gedrungen sei. Die Gebühren- und Kostenfestsetzungen seien rechtmäßig. Zwar spreche viel dafür, dass die Einrichtung einer Auskunftssperre zunächst ohne weiteres gerechtfertigt gewesen sei, da Tatsache i.S. des damals noch anzuwendenden § 27 Abs. 7 Satz 1 LMG auch ein schlüssiger Sachvortrag des die Sperre beantragenden Betroffenen sei. Darauf komme es aber nicht entscheidungserheblich an, da jedenfalls eine Melderegisterauskunft mit größerem Verwaltungsaufwand vorgelegen habe.

5 Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Beschwerde.

II

6 Die auf die Zulassungsgründe vorliegender Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und der Abweichung (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) gestützte Beschwerde des Klägers hat nur zum Teil Erfolg.

7 1. Der Senat kann über die Beschwerde entscheiden, ohne dem Antrag des Klägers zu folgen, die Akten der Vorinstanz vorzulegen, damit diese erneut im Wege der Abhilfe über die Zulassung der Revision entscheidet.

8 Der vom Berufungsgericht am 10. Oktober 2016 gefasste Nichtabhilfebeschluss brauchte den Beteiligten gemäß § 56 Abs. 1 VwGO nicht zugestellt zu werden; der Kläger hat Kenntnis durch Akteneinsicht erlangt. Für die Nichtabhilfeentscheidung bedarf es nicht einmal zwingend förmlicher Beschlussfassung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. November 1962 - 4 B 124.62 - Buchholz 310 § 148 VwGO Nr. 1).

9 Der Umstand, dass der Nichtabhilfebeschluss von den mit Schriftsatz des Klägers vom 26. August 2016 erneut abgelehnten Richtern getroffen worden ist, berührt seine Wirksamkeit nicht. Wird ein Befangenheitsgesuch - wie hier - erst nach Fällung des Urteils und durch Übermittlung des Tenors eingetretener Bindungswirkung (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 318 ZPO) angebracht und Nichtzulassungsbeschwerde erhoben, ist das Befangenheitsgesuch mit Blick auf die noch ausstehende (Nicht-)Abhilfeentscheidung der Vorinstanz (§ 133 Abs. 5 Satz 1 VwGO) nicht schon wegen Beendigung der Instanz offensichtlich unzulässig (BVerwG, Urteil vom 16. April 1997 - 6 C 9.95 - NJW 1998, 323 ). Es kann aber ausnahmsweise dann unter Mitwirkung der abgelehnten Richter als unzulässig verworfen werden oder unberücksichtigt bleiben, wenn es sich als offenbarer Missbrauch des Ablehnungsrechts darstellt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. Januar 2014 - 7 C 13.13 - Buchholz 310 § 54 VwGO Nr. 76 Rn. 5; stRspr). Davon ist auszugehen, wenn keine geeigneten Befangenheitsgründe vorgetragen werden, vielmehr das Vorbringen des Antragstellers von vornherein ersichtlich ungeeignet ist, die Besorgnis der Befangenheit zu rechtfertigen, etwa, wenn das Gesuch offenbar grundlos ist, nur der Verschleppung dient und damit rechtsmissbräuchlich ist (BVerwG, Beschluss vom 12. März 2013 - 5 B 9.13 - juris).

10 Diese Voraussetzungen lagen hier vor. Der erneute Befangenheitsantrag des Klägers vom 26. August 2016 wurde auf den eine Tatbestandsberichtigung bzw. Tatbestandsergänzung ablehnenden Beschluss des Berufungsgerichts vom 17. August...

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