Beschluss vom 08.02.2024 - BVerwG 20 F 1.23

JurisdictionGermany
Judgment Date08 Febrero 2024
Neutral CitationBVerwG 20 F 1.23
ECLIDE:BVerwG:2024:080224B20F1.23.0
CitationBVerwG, Beschluss vom 08.02.2024 - 20 F 1.23 -
Record Number080224B20F1.23.0
Registration Date24 Abril 2024
Subject MatterVerfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO
CourtDas Bundesverwaltungsgericht

BVerwG 20 F 1.23

  • OVG Greifswald - 15.12.2022 - AZ: 13 P 285/20 OVG

In der Verwaltungsstreitsache hat der Fachsenat des Bundesverwaltungsgerichts
für Entscheidungen nach § 99 Abs. 2 VwGO
am 8. Februar 2024
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Henke und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Koch
beschlossen:

  1. Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Fachsenats des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 15. Dezember 2022 geändert. Die Sperrerklärung des Beklagten vom 22. Januar 2020 ist rechtswidrig, soweit sie sich auf Blatt 17 bis 134, 136 bis 225, 228 bis 266, 269 bis 326, 329 und 331 bis 342 des Verwaltungsvorgangs zu den gespeicherten Daten des Klägers bezieht
  2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen
  3. Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens
Gründe I

1 Gegenstand des dem Zwischenverfahren zugrunde liegenden Hauptsacheverfahrens ist das Begehren des Klägers, Auskunft über die zu seiner Person bei einer Landesverfassungsschutzbehörde gespeicherten Daten zu erhalten.

2 Im Hauptsacheverfahren forderte der Kammervorsitzende den Beklagten mit der Eingangsverfügung auf, sämtliche Verwaltungsvorgänge im Original vorzulegen. Daraufhin hat der Beklagte mit Schwärzungen versehene Ausdrucke der elektronisch geführten Verwaltungsvorgänge vorgelegt, die Vorlage der vollständigen, ungeschwärzten Akten hingegen unter Vorlage einer Sperrerklärung vom 22. Januar 2020 verweigert. Der Berichterstatter hat die Beteiligten mit Verfügung vom 24. Februar 2020 darauf hingewiesen, dass es hinsichtlich der angeforderten Akten nach Ansicht der Kammer keines Beweisbeschlusses bedürfe, weil sie zweifelsfrei rechtserheblich seien. Auf Antrag des Klägers hat das Verwaltungsgericht das Verfahren zur Durchführung eines "In-camera"-Verfahrens an den Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern abgegeben.

3 Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 23. November 2022 ergänzende Ausführungen zur Sperrerklärung gemacht.

4 Der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts hat den Antrag des Klägers mit Beschluss vom 15. Dezember 2022 abgelehnt. Hiergegen richtet sich dessen Beschwerde.

II

5 Die Beschwerde des Klägers ist zulässig und größtenteils begründet. Sein Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Sperrerklärung ist zulässig und im tenorierten Umfang begründet.

6 1. Dabei geht der Senat zunächst davon aus, dass das Verwaltungsgericht die Entscheidungserheblichkeit der angeforderten Unterlagen in noch ordnungsgemäßer Form bejaht hat (BVerwG, Beschluss vom 16. August 2023 - 20 F 7.23 - NVwZ 2024, 175 Rn. 6 m. w. N.).

7 2. Der Antrag ist weitgehend begründet. Die Sperrerklärung vom 22. Januar 2020 ist im tenorierten Umfang rechtswidrig.

8 a) Sie bezieht sich auf die vorenthaltenen Akteninhalte in dem Verwaltungsvorgang zu den gespeicherten Daten des Klägers (im Folgenden: Akte).

9 b) Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO sind Behörden zur Vorlage von Urkunden oder Akten, zur Übermittlung elektronischer Dokumente und zu Auskünften verpflichtet. Wenn das Bekanntwerden ihres Inhalts dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen, kann die zuständige oberste Aufsichtsbehörde gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO a. F. (nunmehr § 99 Abs. 1 Satz 3 VwGO) die Vorlage der Urkunden oder Akten, die Übermittlung elektronischer Dokumente und die Erteilung der Auskünfte verweigern. Danach ist die Sperrerklärung rechtswidrig, soweit sie sich auf Blatt 17 bis 134, 136 bis 225, 228 bis 266, 269 bis 326, 329 und 331 bis 342 der Akte bezieht. Im Übrigen ist sie rechtmäßig.

10 aa) Bei den gesperrten Inhalten im Bereich von Blatt 17 bis 342 der Akte kann dahinstehen, ob die - in der Sperrerklärung nicht nach ihren drei Varianten differenziert ausgewiesenen - Weigerungsgründe nach § 99 Abs. 1 Satz 3 VwGO vorliegen. Jedenfalls ist die Sperrerklärung insoweit ermessensfehlerhaft.

11 (1) Durch die Ermessenseinräumung nach § 99 Abs. 1 Satz 3 VwGO wird der obersten Aufsichtsbehörde die Möglichkeit eröffnet, dem öffentlichen Interesse und dem individuellen Interesse der Prozessparteien an der Wahrheitsfindung in dem vom Untersuchungsgrundsatz beherrschten Verwaltungsprozess den Vorrang vor dem Interesse an der Geheimhaltung der Schriftstücke zu geben. § 99 Abs. 1 Satz 3 VwGO regelt die Auskunftserteilung und Aktenvorlage im...

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