Beschluss vom 08.09.2020 - BVerwG 1 B 30.20
Jurisdiction | Germany |
Judgment Date | 08 Septiembre 2020 |
Neutral Citation | BVerwG 1 B 30.20 |
Subject Matter | Asylrecht |
Registration Date | 02 Febrero 2021 |
Court | Das Bundesverwaltungsgericht |
Record Number | 080920B1B30.20.0 |
BVerwG 1 B 30.20
- VG Minden - 26.09.2018 - AZ: VG 12 K 10529/17.A
- OVG Münster - 30.04.2020 - AZ: OVG 11 A 4311/18.A
In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 8. September 2020
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Fleuß
beschlossen:
- Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 30. April 2020 wird zurückgewiesen.
- Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
1 Die auf alle drei Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
2 I. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
3 1. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine abstrakte, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts mit einer über den Einzelfall hinausgehenden allgemeinen Bedeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder im Interesse der Rechtsfortbildung in einem Revisionsverfahren geklärt werden muss. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn sich die aufgeworfene Frage im Revisionsverfahren nicht stellen würde, wenn sie bereits geklärt ist bzw. aufgrund des Gesetzeswortlauts mithilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden kann oder wenn sie einer abstrakten Klärung nicht zugänglich ist (BVerwG, Beschlüsse vom 1. April 2014 - 1 B 1.14 - juris Rn. 2 und vom 25. Juli 2017 - 1 B 117.17 - juris Rn. 3).
4 Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt insoweit die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besteht. Die Beschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts führen kann (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133
5 2. Daran gemessen kommt die Zulassung der Revision nicht in Betracht, weil eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, soweit sie in einer Weise dargelegt ist, die den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt, jedenfalls in der Sache nicht besteht.
6 2.1 Die Beschwerde hält zunächst für klärungsbedürftig,
"ob eine rechtskräftig gewordene Verpflichtung zur Feststellung des nationalen ausländerrechtlichen Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG Bindungswirkung bei der Prüfung vorrangiger Schutztatbestände entfaltet, namentlich im Rahmen der Feststellung, ob gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG ein Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig abzulehnen ist, Bindungswirkung dahin, dass gemäß der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union dann nicht auf die Befugnis aus Art. 33 Abs. 2 Buchst. a RL 2013/32/EU zurückgegriffen werden kann".
7 a) Die Darlegungen der Beklagten zur Entscheidungserheblichkeit dieser Frage in einem Revisionsverfahren sind mit Blick auf die in der Beschwerdebegründung eingelegte Anschlussberufung allerdings in sich widersprüchlich.
8 aa) Das Berufungsgericht selbst ist zwar entscheidungstragend davon ausgegangen, das Urteil des Verwaltungsgerichts sei (jedenfalls) im maßgeblichen Zeitpunkt seiner Entscheidung hinsichtlich der Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG in (Teil-)Rechtskraft erwachsen, ohne insoweit den genauen Zeitpunkt zu kennzeichnen, zu dem diese (Teil-)Rechtskraft eingetreten ist; die weiteren Ausführungen des Urteils weisen darauf, dass das Berufungsgericht dies mit dem Ablauf der Berufungsfrist angenommen hat.
9 Dies vernachlässigt indes die - von der Beklagten nach Zustellung des Beschlusses nach § 130a VwGO auch in Anspruch genommene - Möglichkeit der Anschlussberufung nach § 127 VwGO (zur Frage des Eintritts von Teilrechtskraft in derartigen Fällen vgl. BGH, Urteil vom 1. Dezember 1993 - VIII ZR 41/93 - NJW 1994, 657 ). Bis zu dem Zeitpunkt des Erlasses der berufungsgerichtlichen Entscheidung am 30. April 2020 war die Monatsfrist des § 127 Abs. 2 Satz 2 VwGO noch nicht in Lauf gesetzt und daher auch noch nicht abgelaufen. Denn die Berufungsbegründungsschrift der Kläger vom 17. März 2020 ist der Beklagten nicht förmlich zugestellt, sondern nur formlos übermittelt worden; die Gerichtsakten enthalten weder einen Hinweis auf eine förmliche Zustellung noch auf einen entsprechenden Zustellungswillen des Gerichts. Bei fehlendem Zustellungswillen greift auch die Zustellungsfiktion des § 56 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 189 ZPO nicht ein (BVerwG, Urteil vom 23. September 2010 - 7 C 20.09 - Buchholz 451.223 ElektroG Nr. 4 Rn. 18 m.w.N.).
10 bb) Aus den zu b) nachfolgenden Gründen bedarf es indes keiner abschließenden Klärung, ob sich durch oder mit dem Erlass der Berufungsentscheidung oder ihrem Wirksamwerden in Bezug auf die Rechtskraft der verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen Veränderungen ergeben haben und ob, unter welchen Voraussetzungen bzw. in welchem Verfahrensstadium...
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