BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 1077/21 -
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn (…), |
gegen |
den nicht erlassenen Hoheitsakt durch das Amtsgericht Hamburg im Verfahren 44 C 187/21 auf Herausgabe von Eigentum aus der geräumten Wohnung nach § 885a ZPO |
und | Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung |
hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
die Richterin Hermanns,
den Richter Maidowski
und die Richterin Langenfeld
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der
Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)
am 9. Februar 2022 einstimmig beschlossen:
- Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die verzögerte Bearbeitung eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung.
I.
1. Der Beschwerdeführer war Mieter einer Wohnung in Jena. Aufgrund eines Räumungstitels des Amtsgerichts Jena vom 21. Februar 2020 tauschte der zuständige Gerichtsvollzieher auf Antrag der ehemaligen Vermieterin – einer als Gesellschaft mit beschränkter Haftung organisierten Immobiliengesellschaft – am 18. Mai 2021 die Schlösser der Wohnung aus und vollzog damit die Räumungsvollstreckung (sogenannte Berliner Räumung, § 885a ZPO). Der Beschwerdeführer lebt seitdem in einer Obdachlosenunterkunft. Sein Hab und Gut befand sich zunächst noch in weiten Teilen in der Wohnung.
Am Tag der Räumung machte der Beschwerdeführer per E-Mail gegenüber der vormaligen Vermieterin einen Herausgabeanspruch hinsichtlich der in der Wohnung befindlichen, nicht pfändbaren Gegenstände geltend. Erst nach wiederholter Fristsetzung teilte die Verwaltung der vormaligen Vermieterin dem Beschwerdeführer am 20. Mai 2021 mit, ihm werde für die Herausnahme seines Eigentums ein Tag gewährt. Er habe an diesem Tag bis 16:00 Uhr Zeit, um die gewünschten Gegenstände aus der Wohnung an sich zu nehmen. Weitere Termine würden nicht gewährt. Zur Vereinbarung eines Termins möge er sich mit dem Hausmeister in Verbindung setzen.
Der Beschwerdeführer vereinbarte mit dem Hausmeister einen Termin für den 25. Mai 2021, wies jedoch gegenüber den Prozessbevollmächtigten der Vermieterin darauf hin, dass offenbleibe, ob ein Termin genüge. Von dem Hausmeister bekam der Beschwerdeführer am 25. Mai 2021 erneut die Auskunft, dass ihm nur dieser eine Tag zur Verfügung stehe. Weiter erklärte der Hausmeister dem Beschwerdeführer, dass im Regelfall der Ablauf der Aufbewahrungsfrist zugewartet und danach unverwandt alles seitens der Vermieterin herausgeräumt werde, erfahrungsgemäß allein zur Vernichtung der Gegenstände. Von einer Verwertung habe er bisher nie erfahren.
Der Beschwerdeführer konnte am 25. Mai 2021 nach seinem Vortrag nicht alle seine Gegenstände mitnehmen, da er wegen seiner Mittellosigkeit alles zu Fuß und mit öffentlichen Verkehrsmitteln bewerkstelligen musste. In der Wohnung verblieben sind unter anderem persönliche Unterlagen und Dokumente sowie eine Waschmaschine.
Nach erneuten Anfragen des Beschwerdeführers teilten die Prozessbevollmächtigten der Vermieterin dem Beschwerdeführer am 27. Mai 2021 mit, dass die Verwaltung der Vermieterin nicht ausschließlich dazu zur Verfügung stehen könne, dem Beschwerdeführer täglich Zugang zu der Wohnung zu gewähren. Er habe bereits am 25. Mai 2021 in der Zeit von 07:30 bis 16:00 Uhr die Gelegenheit gehabt, seine persönlichen Dinge aus der Wohnung zu schaffen. Dies sei ausreichend gewesen. Sofern er jetzt noch einen weiteren Termin benötige, werde vorab für die Vermieterin um eine Erklärung gebeten, dass dies der letzte Termin sei und der Beschwerdeführer sich organisatorisch darauf vorbereitet habe, in diesem Termin alle restlichen Gegenstände aus der Wohnung zu schaffen. Sobald er dies versichere, könne ein neuer Termin vereinbart werden.
Mit E-Mail vom 28. Mai 2021 forderte der Beschwerdeführer die vormalige Vermieterin auf, sämtliche Gegenstände aus dem streitbefangenen Räumungsobjekt an ihn auszuhändigen mangels Geltendmachung eines Vermieterpfandrechts. Eine Reaktion darauf erfolgte nach dem Vortrag des Beschwerdeführers nicht.
2. a) Bereits am 27. Mai 2021 erhob der Beschwerdeführer beim Amtsgericht Hamburg eine mit dem Vermerk „EILT“ versehene Klage gegen die in Hamburg ansässige vormalige Vermieterin und beantragte unter anderem, die Beklagte zu verurteilen, unpfändbare Sachen und solche Sachen, bei denen ein Verwertungserlös nicht zu erwarten sei, auf Verlangen des Beschwerdeführers jederzeit ohne Weiteres aus ihrem Besitz herauszugeben, vorab im Beschlusswege die Herausgabe bis zur Entscheidung über die Hauptsache einstweilen zu verfügen sowie bei Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld zu verhängen.
Der Beschwerdeführer begründete seinen Anspruch mit dem vorstehenden Sachverhalt. Der Verfügungsanspruch ergebe sich aus § 885a Abs. 5 ZPO in Verbindung mit § 985 BGB. Der Verfügungsgrund ergebe sich aus der Weigerung der Vermieterin, die Sachen innerhalb der Aufbewahrungsfrist ohne Weiteres herauszugeben, sowie zusätzlich daraus, dass diese für die Herausgabe einseitig weitere Bedingungen festlege, welche zudem durch Abbedingung des Herausgabeanspruchs bewirkt werden solle. Ein Vermieterpfandrecht sei seitens der Beklagten nicht geltend gemacht worden.
b) Mit Verfügung vom 31. Mai 2021, dem Beschwerdeführer zugestellt am 3. Juni 2021, wies das Amtsgericht Hamburg den Beschwerdeführer darauf hin, dass es nach vorläufiger Würdigung für den Rechtsstreit örtlich nicht zuständig sei. Soweit die geltend gemachten Ansprüche auf den Wohnraummietvertrag gestützt werden sollten, sei gemäß § 29a ZPO das Amtsgericht Jena ausschließlich zuständig, da sich dort die Mieträume befänden. Soweit die Anträge als Erinnerung im Sinne von § 766 ZPO auszulegen sein sollten, sei gemäß § 766 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 764 Abs. 2 ZPO ebenfalls das Amtsgericht Jena als Vollstreckungsgericht ausschließlich örtlich zuständig.
Es werde um Mitteilung binnen drei Tagen gebeten, ob die Verweisung an das Amtsgericht Jena beantragt werde. Andernfalls würde das Gericht die Anträge mangels örtlicher Zuständigkeit des Amtsgerichts Hamburg wohl – ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung – als unzulässig zurückweisen. Auch insoweit werde Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Tagen gegeben.