Beschluss vom 10.12.2014 - BVerwG 6 C 18.13

JurisdictionGermany
Judgment Date10 Diciembre 2014
Neutral CitationBVerwG 6 C 18.13
ECLIDE:BVerwG:2014:101214B6C18.13.0
CitationBVerwG, Beschluss vom 10.12.2014 - 6 C 18.13
Registration Date03 Marzo 2015
Applied RulesGG Art. 12 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 Satz 1, Art. 100 Abs. 1,VwGO § 113 Abs. 5, § 123 Abs. 1,TKG 2004 § 12, § 28, § 31, § 33, § 35
CourtDas Bundesverwaltungsgericht
Record Number101214B6C18.13.0

BVerwG 6 C 18.13

  • VG Köln - 28.08.2013 - AZ: VG 21 K 5166/06

In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 10. Dezember 2014
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Neumann
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Graulich, Dr. Möller, Hahn und Prof. Dr. Hecker
beschlossen:

  1. Das Verfahren wird ausgesetzt.
  2. Dem Bundesverfassungsgericht wird gemäß Art. 100 Abs. 1 GG die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob § 35 Abs. 5 Satz 2 und 3 des Telekommunikationsgesetzes ‌- TKG - vom 22. Juni 2004 (BGBl. I S. 1190) mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 und Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar ist.
Gründe I

1 Die Klägerin betreibt ein digitales zellulares Mobilfunknetz nach dem GSM-Standard (Global System for Mobile Communications) und dem UMTS-Standard (Universal Mobile Telecommunications Standard). Sie verwendete zum Zeitpunkt des hier streitgegenständlichen Beschlusses im GSM-Netz überwiegend, mit Ausnahme einiger Ergänzungsbänder im Bereich von 1.800 MHz, Frequenzen aus dem Bereich von 900 MHz.

2 Mit Regulierungsverfügung vom 30. August 2006 wurde die Klägerin verpflichtet, Betreibern von öffentlichen Telefonnetzen die Zusammenschaltung mit ihrem öffentlichen Mobiltelefonnetz am Vermittlungsstellenstandort zu ermöglichen, über die Zusammenschaltung Verbindungen in ihr Netz zu terminieren und zum Zwecke dieser Zugangsgewährung Kollokation sowie im Rahmen dessen Nachfragern bzw. deren Beauftragten jederzeit Zutritt zu diesen Einrichtungen zu gewähren. Die Entgelte für die Gewährung der Zusammenschaltungsleistungen wurden der Genehmigung nach Maßgabe des § 31 TKG unterworfen. Die gegen diese Regulierungsverfügung erhobene Anfechtungsklage der Klägerin hat der Senat durch Revisionsurteil vom 2. April 2008 - BVerwG 6 C 17.07 - unter teilweiser Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils auch insoweit abgewiesen, als das Verwaltungsgericht ihr stattgegeben hatte. Die hiergegen eingelegte Verfassungsbeschwerde der Klägerin hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 21. Dezember 2011 - 1 BvR 1933/08 - nicht zur Entscheidung angenommen.

3 Im September 2006 beantragte die Klägerin unter Vorlage entsprechender Kostenunterlagen die Genehmigung der Entgelte für die ihr mit der Regulierungsverfügung auferlegten Zugangsleistungen. Mit Beschluss vom 16. November 2006 - BK 3 a/b-06-011/E07.09.06 - genehmigte die Bundesnetzagentur für die Terminierung im Netz der Klägerin für den Zeitraum vom 30. August 2006 bis 22. November 2006 ein Verbindungsentgelt in Höhe von 11 Cent/Minute (Ziffer 1.1) oder - bei Eintritt einer von zwei näher beschriebenen auflösenden Bedingungen - in Höhe von 9,78 Cent/Minute (Ziffer 2). Ab dem 23. November 2006 genehmigte die Bundesnetzagentur - befristet bis zum 30. November 2007 (Ziffer 3) - ein Verbindungsentgelt in Höhe von 8,78 Cent/Minute (Ziffer 1.2). Im Übrigen wurde der Antrag abgelehnt (Ziffer 4).

4 Die Klägerin hat am 4. Dezember 2006 Klage erhoben. Ihren Antrag, die Beklagte zu verpflichten, bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung ihrer Klage das von ihr beantragte Entgelt für die Leistung V.1 in Höhe von 11 Cent/Minute mit Wirkung ab Eintritt der Entgeltgenehmigungspflicht vorläufig zu genehmigen, hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 20. Juni 2007 abgelehnt.

5 Durch Urteil vom 28. August 2013 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei zulässig. Selbst wenn der mit der Klage bezweckte wirtschaftliche Erfolg nicht eintreten könne, weil in Ermangelung einer gerichtlichen Anordnung gemäß § 123 VwGO eine aufgrund eines Verpflichtungsurteils ergangene behördliche Genehmigung eines höheren Entgelts gemäß § 35 Abs. 5 Satz 3 TKG keine Rückwirkung entfalten könnte, ließe dies das Rechtsschutzbedürfnis nicht entfallen. Die Wirkung des § 35 Abs. 5 Satz 3 TKG bestehe darin, dass sie die zivilrechtlichen Folgen der Genehmigung modifiziere. Die Rückwirkungssperre bezwecke hingegen keine Einschränkung des gerichtlichen Rechtsschutzes gegen Entgeltgenehmigungen.

6 Die Klage sei nicht begründet. Es könne offen bleiben, ob der angefochtene Beschluss formell rechtswidrig sei, weil die Beklagte vor der endgültigen Genehmigung der Entgelte kein Konsolidierungsverfahren im Sinne des § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 TKG und kein nationales Konsultationsverfahren gemäß § 15 TKG i.V.m. § 12 Abs. 1 TKG durchgeführt habe. Die Klägerin könnte sich nicht erfolgreich auf die Verletzung dieser Verfahrensvorschriften berufen, da diese nicht ihre subjektiven Rechte schützen sollten, sondern allein öffentlichen Interessen zu dienen bestimmt seien. Materiell seien ebenfalls keine Rechtsfehler zu erkennen. Insbesondere beruhe die Höhe des genehmigten Verbindungsentgelts für die Terminierung im Netz der Klägerin für den Zeitraum vom 30. August 2006 bis zum 22. November 2006, die in Folge des Eintritts der in Ziffer 2. des Beschlusses formulierten auflösenden Bedingung 9,78 Cent/Minute betrage, auf der Durchführung einer rechtlich nicht zu beanstandenden internationalen Vergleichsmarktbetrachtung. Gleiches gelte in Bezug auf das für den Zeitraum ab dem 23. November 2006 genehmigte Verbindungsentgelt in Höhe von 8,78 Cent/Minute. Die von der Klägerin mit dem Entgeltantrag vorgelegten Kostenunterlagen hätten zur Bestimmung der für die Genehmigung maßgeblichen Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung nicht ausgereicht. Die Beklagte habe ihr Ermessen fehlerfrei dahingehend ausgeübt, den Entgeltantrag der Beigeladenen nicht gemäß § 35 Abs. 3 Satz 3 TKG wegen Unvollständigkeit der Kostenunterlagen gänzlich abzulehnen, sondern auf der Grundlage einer Vergleichsmarktbetrachtung gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2, Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TKG zu genehmigen. Die wahlweise mögliche Heranziehung eines Kostenmodells nach § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TKG habe sie nachvollziehbar und ermessensfehlerfrei abgelehnt.

7 Die im Rahmen der Vergleichsmarktbetrachtung herangezogenen europäischen Unternehmen böten „entsprechende Leistungen" im Sinne des § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TKG an. Auch regulierte Märkte könnten als „dem Wettbewerb geöffnete Märkte" als Vergleichsmärkte herangezogen werden. Die monopolistische Struktur der Mobilfunkterminierungsmärkte stehe der Vergleichsmarktbetrachtung nicht entgegen. Die herangezogenen Märkte seien vergleichbar. Strukturunterschiede schlössen die Vergleichbarkeit nicht grundsätzlich aus, seien jedoch als „Besonderheiten der Vergleichsmärkte" im Sinne des § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TKG zu berücksichtigen und könnten bei der abschließenden Festlegung des wettbewerbsanalogen Preises zur Notwendigkeit von Zu- bzw. Abschlägen führen. Bei der Frage, welche Märkte sie für die Preisbildung heranziehe, stehe der Beklagten ein Auswahlermessen zu. Gemessen an diesen Vorgaben sei die Auswahlentscheidung rechtlich nicht zu beanstanden. Es sei nicht ermessenshaft, dass die Beklagte keine nationale Vergleichsmarktbetrachtung durchgeführt habe und nur die EU-Länder in den Vergleich einbezogen habe, in denen nach der Liberalisierung bereits ein ausreichender Zeitraum für das Entstehen von Wettbewerbsstrukturen verstrichen sei. Dem „Länderansatz" der Beklagten stehe auch nicht entgegen, dass relevante Kosteneinflussgrößen in den einzelnen Ländern - wie die Einwohnerzahl des Lizenzgebiets, die Bevölkerungskonzentration, das Verhältnis zwischen Ballungsräumen und gering besiedelten Gebieten, die geographische Ausdehnung eines Landes bzw. des Lizenzgebiets sowie die jeweilige Frequenzausstattung der Referenzbetreiber im Verhältnis zu den vorgenannten Faktoren - keine ausreichende Berücksichtigung fänden. Es könne ferner nicht als ermessensfehlerhaft angesehen werden, dass die Beklagte ihre Vergleichsauswahl in weiteren Schritten auf die Länder eingeschränkt habe, in denen die Entgelte originär anhand von Kostennachweisen bzw. Kostenmodellen, nicht aber anhand von Vergleichsmarktbetrachtungen bestimmt worden seien, und die Auswahl ausschließlich auf die Mobilfunknetzbetreiber verdichtet habe, die eine gemeinsame GSM-/UMTS-Netzinfrastruktur aufwiesen; denn nur so sei gewährleistet, dass bei den zum Vergleich herangezogenen Tarifen die höheren Kosten für die UMTS-Netzinfrastruktur Berücksichtigung fänden.

8 Ferner sei es auch nicht als ermessensfehlerhaft zu beanstanden, dass die Beklagte die Unternehmen in den 10 Ländern, die nach den angewandten Auswahlkriterien verblieben seien, in zwei unabhängige Vergleichsgruppen „geclustert“ habe, nämlich in 900 MHz-Netzbetreiber und 1800 MHz-Netzbetreiber. Dem Einwand, dass es sowohl nach den nationalen als auch nach den europäischen Vorgaben nur symmetrische Terminierungsentgelte geben dürfe, sei nicht zu folgen. Da jedes Mobilfunkunternehmen für seine Terminierungsleistungen einen eigenen Monopolmarkt bilde, gebe es nicht nur einen einheitlichen wettbewerbsanalogen Preis. Die Kosten der Leistungsbereitstellung variierten von Unternehmen zu Unternehmen. Ansatzpunkt für ihre Ermittlung seien dementsprechend gemäß § 33 TKG (a.F.) die Kostenunterlagen des beantragenden Unternehmens. Die Erwägungen, mit denen die Beklagte die Bildung zweier unterschiedlicher Vergleichsgruppen - mit der Folge einer Genehmigung der Mobilfunkterminierungsentgelte in unterschiedlicher Höhe für D- und E-Netzbetreiber - begründet habe, hielten rechtlicher Überprüfung stand. Sie habe erkannt, dass die frequenzausstattungsbedingten Unterschiede bei den Kosten der Netzinfrastruktur zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht mehr sehr gravierend gewesen seien. Für die Genehmigung nicht-reziproker...

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