Beschluss vom 12.09.2019 - BVerwG 9 KSt 1.19

JurisdictionGermany
Judgment Date12 Septiembre 2019
Neutral CitationBVerwG 9 KSt 1.19
ECLIDE:BVerwG:2019:120919B9KSt1.19.0
CitationBVerwG, Beschluss vom 12.09.2019 - 9 KSt 1.19
Registration Date16 Diciembre 2019
Subject MatterStraßen- und Wegerecht
CourtDas Bundesverwaltungsgericht
Record Number120919B9KSt1.19.0

BVerwG 9 KSt 1.19

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 12. September 2019
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bier,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Bick,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Steinkühler und Dr. Dieterich
und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Sieveking
beschlossen:

Dem Großen Senat des Bundesverwaltungsgerichts wird die Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt, ob Kosten eines Privatgutachtens, das sich zur Rechtmäßigkeit des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses verhält und sowohl im Klageverfahren als auch im zugehörigen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vorgelegt wird, vorbehaltlich der jeweiligen Kostengrundentscheidung unter den in § 162 Abs. 1 VwGO genannten Voraussetzungen anteilig in beiden Verfahren erstattungsfähig sind.

Gründe I

1 Der Antragsteller erstellte im Dezember 2016 und Januar 2017 für einen nach § 3 UmwRG anerkannten Umweltverband mehrere Gutachten zu Fragen der Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses der Bezirksregierung Köln für den Ausbau der Bundesautobahn A 1. Der Kläger legte die Gutachten zur Begründung seiner Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss sowie seines Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes vor.

2 Nachdem der Antragsgegner die Vollziehung des Planfeststellungsbeschlusses selbst weitgehend ausgesetzt hatte und das Eilverfahren in diesem Umfang übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt worden war, hat der Senat den Antrag, im noch streitigen Umfang die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen, mit Beschluss vom 16. Februar 2017 - 9 VR 2.16 - abgelehnt. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, unter Berücksichtigung der Feststellungen des Planfeststellungsbeschlusses einerseits und der umfänglichen, gutachterlich unterlegten Einwendungen andererseits stelle sich die Rechtmäßigkeit der umstrittenen Planung als offen dar. Im Rahmen einer Folgenabwägung überwiege das öffentliche Vollzugsinteresse, weil mit den wenigen von der Aussetzungsentscheidung des Antragsgegners ausgenommenen Maßnahmen noch keine vollendeten Tatsachen geschaffen würden. Der Senat hat die Kosten des Eilverfahrens dem Antragsgegner auferlegt, weil dieser die Teilerledigung herbeigeführt hatte und der Antragsteller nur geringfügig unterlegen war.

3 Die Klage der Vereinigung hat der Senat sodann durch Urteil vom 11. Oktober 2017 - 9 A 14.16 - abgewiesen.

4 Schon zuvor hatte der Umweltverband in einem Vertrag vom 30./31. Mai 2017 seine Erstattungsansprüche gegen den Antragsgegner an den Antragsteller abgetreten. Daraufhin beantragte dieser die Kostenfestsetzung für das Eilverfahren. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle gab dem Antrag mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 14. Dezember 2018 teilweise statt. Sie begrenzte darin die Höhe der geltend gemachten Aufwendungen und verteilte diese auf das Eil- und auf das Hauptsacheverfahren - in Anlehnung an die Festsetzung der jeweiligen Streitwerte - im Verhältnis von 1/3 zu 2/3. Sowohl der Antragsteller als auch der Antragsgegner haben hiergegen die Entscheidung des Gerichts beantragt.

II

5 Der Senat möchte die im Tenor bezeichnete Vorlagefrage bejahen. Da er damit in entscheidungserheblicher Weise von dem Beschluss des 4. Senats vom 16. November 2006 - 4 KSt 1003.06 - (Buchholz 310 § 162 VwGO Nr. 43) abweicht und dieser auf Anfrage mitgeteilt hat, dass er an seiner gegenteiligen Rechtsauffassung festhält (Beschluss vom 26. Juni 2019 - 4 AV 1.19 ), legt der 9. Senat die Frage gemäß § 11 Abs. 2 VwGO dem Großen Senat zur Entscheidung vor.

6 1. Nach § 162 Abs. 1 VwGO sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten erstattungsfähig. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, bestimmt sich nicht nach der subjektiven Auffassung der Beteiligten, sondern danach, wie ein verständiger Beteiligter, der bemüht ist, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten, in gleicher Lage seine Interessen wahrgenommen hätte. Abzustellen ist dabei auf den Zeitpunkt der Handlung, die die Aufwendungen verursacht hat. Ohne Belang ist, ob sich die Handlung im Nachhinein als erforderlich oder unnötig herausstellt. Kosten von Privatgutachten sind nur unter besonderen Umständen erstattungsfähig. Das gilt gerade für Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, die in der Regel auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache beschränkt sind. Die Einholung eines Privatgutachtens kann gleichwohl als notwendig anzuerkennen sein, wenn ein Beteiligter mangels ausreichender eigener Sachkunde die sein Begehren tragenden Behauptungen nur mit Hilfe des eingeholten Gutachtens darlegen oder unter Beweis stellen kann. Zudem muss die jeweilige Prozesssituation das Gutachten herausfordern; dessen Inhalt muss auf die Förderung des jeweiligen Verfahrens zugeschnitten sein. Hinsichtlich dieser Rechtsgrundsätze stimmen der 4. und der 9. Senat überein (BVerwG, Beschlüsse vom 11. April 2001 - 9 KSt 2.01 - Buchholz 310 § 162 VwGO Nr. 37 S. 5 und vom 16. November 2006 - 4 KSt 1003.06 - Buchholz 310 § 162 VwGO Nr. 43 Rn. 6 ff., jeweils m.w.N.).

7 2. Nach Ansicht des 4. Senats sind die Kosten eines (auch) im Eilverfahren eingeholten Privatgutachtens selbst dann, wenn die vorgenannten Voraussetzungen erfüllt sind, im Eilverfahren nicht erstattungsfähig, soweit dem Gutachten der spezifische Bezug zum vorläufigen Rechtsschutz fehlt. Aufwendungen für ein Gutachten, das sich zu Fragen der Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses verhalte und damit sowohl im Eilverfahren als auch im Klageverfahren Bedeutung erlange, könnten nicht nach dem Belieben eines Beteiligten dem einen oder dem anderen Verfahren zugeordnet werden. Sie seien vielmehr regelmäßig als Kosten des Hauptsacheverfahrens anzusehen, weil erst dort rechtskräftig darüber entschieden werde, ob der Betroffene einen Anspruch auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses habe. Wegen des Grundsatzes der mündlichen Verhandlung und der fehlenden Beschränkung auf eine - allenfalls - summarische Rechtmäßigkeitsprüfung biete das Hauptsacheverfahren eine höhere Richtigkeitsgewähr auch und gerade hinsichtlich der Beurteilung von privatgutachtlich substantiierten Einwendungen (Beschluss vom 16. November 2006 - 4 KSt 1003.06 - Buchholz 310 § 162 VwGO Nr. 43 Rn. 9 ff.).

8 Diese Sichtweise entspricht nach Ansicht des 4. Senats auch praktischen Bedürfnissen. Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO könnten nur die Erfolgsaussichten der Anfechtungsklage berücksichtigt werden, dagegen regelmäßig nicht mit der Verpflichtungsklage zu verfolgende Ansprüche auf Planergänzung, wie sie im Hauptsacheverfahren häufig hilfsweise geltend gemacht würden. Die materiellrechtliche Prüfung, in welchem Umfang die in einem Privatgutachten behaupteten Mängel für sich genommen oder in ihrer Gesamtheit geeignet gewesen seien, einen Anspruch auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses zu tragen, könne vom Urkundsbeamten in der Regel nicht geleistet werden. Für eine anteilige Kostentragung fehle es an greifbaren Maßstäben dafür, welche Anteile jeweils auf das Eil- und das Hauptsacheverfahren entfielen. Das gelte namentlich dann, wenn hilfsweise eingeklagte Verpflichtungsansprüche für den Erfolg eines Antrages nach § 80 Abs. 5 VwGO außer Betracht zu bleiben hätten (Beschluss vom 16. November 2006 - 4 KSt 1003.06 - Buchholz 310 §...

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