Beschluss vom 12. März 2024 - 1 BvR 605/24
ECLI | ECLI:DE:BVerfG:2024:rk20240312.1bvr060524 |
Judgement Number | 1 BvR 605/24 |
Date | 12 Marzo 2024 |
Citation | BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 12. März 2024 - 1 BvR 605/24 -, Rn. 1-22, |
Court | Constitutional Court (Germany) |
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 605/24 -
über
die Verfassungsbeschwerde
der (…)-GmbH, vertreten durch die (…), |
gegen |
den Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 31. Januar 2024 - 324 O 38/24 - |
hier: | Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung |
hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Präsidenten Harbarth,
die Richterin Härtel
und den Richter Eifert
am 12. März 2024 einstimmig beschlossen:
- Der Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 31. Januar 2024 - 324 O 38/24 - verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem grundrechtsgleichen Recht auf prozessuale Waffengleichheit gemäß Artikel 3 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes. Seine Wirksamkeit wird bis zu einer Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde in der Hauptsache oder bis zu einer erneuten Entscheidung des Landgerichts, längstens jedoch für die Dauer von sechs Monaten ausgesetzt.
- Die Freie und Hansestadt Hamburg hat der Beschwerdeführerin ihre notwendigen Auslagen im Verfahren über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu erstatten.
I.
Mit ihrer Verfassungsbeschwerde und ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wendet sich die Beschwerdeführerin gegen eine durch das Landgericht Hamburg erlassene einstweilige Verfügung, mit der der Beschwerdeführerin die Bebilderung zweier Presseartikel teilweise untersagt wurde.
1. Die Beschwerdeführerin verlegt die deutschlandweit erscheinende Zeitschrift „(…)“, deren Internetseite „(…)“ sie ebenfalls verantwortet. Die Antragstellerin des Ausgangsverfahrens (im Folgenden: Antragstellerin) ist die Witwe des Verstorbenen, über dessen Unfalltod vom (…) die Beschwerdeführerin einen Tag später auf ihrer Internetseite berichtete. In einem ersten Artikel mit dem Titel „(…)-Verkäufer rast sich und Beifahrerin in den Tod“ berichtete die Beschwerdeführerin über den Unfallhergang, zu dem sich Anwohner geäußert hätten, sowie über vorausgegangenen Drogenkonsum des Verstorbenen, den andere Gäste einer zuvor von diesem besuchten Bar geschildert hätten. In einem zweiten, wenige Stunden später veröffentlichten Artikel mit dem Titel „(…)-Verkäufer hatte seit elf Jahren keinen Führerschein“ ergänzte die Beschwerdeführerin, dass dem Verstorbenen nach ihren Informationen bereits 2012 die Erteilung einer Fahrerlaubnis unanfechtbar versagt worden sei. Beide Artikel waren mit Fotoaufnahmen bebildert, auf denen unter anderen der Verstorbene – bis auf die Augenpartie unverpixelt – zu sehen war.
2. Eine ihr am 2. Januar 2024 anwaltlich übermittelte 24-seitige Aufforderung der Antragstellerin, sich zum Unterlassen einzelner namentlich und bildlich identifizierender Äußerungen über den Verstorbenen zu verpflichten, wies die Beschwerdeführerin binnen ihr hierzu gesetzter Frist am 8. Januar 2024 zurück. Daraufhin stellte die Antragstellerin durch (einschließlich Anlagen mehr als 60 Seiten umfassenden) anwaltlichen Schriftsatz vom 15. Januar 2024 beim Landgericht Hamburg am 24. Januar 2024 einen mit ihrer außergerichtlichen Abmahnung nahezu gleichlautenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, den das Landgericht einen Tag später der Beschwerdeführerin zur Stellungnahme binnen dreier Arbeitstage übermittelte. In ihrer hierzu übersandten (einschließlich Anlagen knapp 60 Seiten umfassenden) Erwiderung vom 30. Januar 2024 beantragte die Beschwerdeführerin, den Antrag zurückzuweisen. Angesichts des längeren Zuwartens der Antragstellerin bestehe kein Verfügungsgrund, mangels Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts aber auch kein Verfügungsanspruch. Jedenfalls aber sei angesichts des Umfangs der Angelegenheit, des langen Zuwartens der Antragstellerin und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Termin zur mündlichen Verhandlung anzuberaumen gewesen. Ein dringender Fall, in dem auf eine mündliche Verhandlung gemäß § 937 Abs. 2 ZPO verzichtet werden könne, liege nicht vor.
3. Durch angegriffenen Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 31. Januar 2024 - 324 O 38/24 - wurde es der Beschwerdeführerin unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel untersagt, die in der Antragsschrift genannten Bildnisse zu veröffentlichen. Hinsichtlich der von der Antragstellerin beanstandeten Wortberichterstattung wurde der Antrag zurückgewiesen. Nachdem dieser Beschluss am 5. Februar 2024, wie bereits in der Antragsschrift beantragt, ausgefertigt und der Beschwerdeführerin am 20. Februar 2024 im Parteibetrieb zugestellt worden war, legte die Beschwerdeführerin durch Schriftsatz vom 1. März 2024 Widerspruch ein. Ein Termin zur mündlichen Verhandlung über den Widerspruch steht aus.
4. Ebenfalls am 1. März 2024 hat die Beschwerdeführerin Verfassungsbeschwerde erhoben und hiermit verbunden beantragt, die Wirksamkeit des angegriffenen Beschlusses einstweilen, jedenfalls bis zur Durchführung der mündlichen Verhandlung über den Widerspruch der...
Um weiterzulesen
FORDERN SIE IHR PROBEABO AN