Beschluss vom 14.03.2024 - BVerwG 2 WDB 12.23

JurisdictionGermany
Judgment Date14 Marzo 2024
Neutral CitationBVerwG 2 WDB 12.23
ECLIDE:BVerwG:2024:140324B2WDB12.23.0
CitationBVerwG, Beschluss vom 14.03.2024 - 2 WDB 12.23 -
Record Number140324B2WDB12.23.0
Registration Date10 Abril 2024
Subject MatterVorlagen/Beschwerden nach der WDO in Disziplinarangelegenheiten
CourtDas Bundesverwaltungsgericht

BVerwG 2 WDB 12.23

  • TDG Süd 2. Kammer - 16.11.2023 - AZ: S 2 DsL 17/23

In der Disziplinarsache hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Burmeister und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Henke
am 14. März 2024 beschlossen:

  1. Auf die Beschwerde der Wehrdisziplinaranwaltschaft wird der Beschluss des Vorsitzenden der 2. Kammer des Truppendienstgerichts Süd vom 16. November 2023 aufgehoben
  2. Die Durchsuchung des Fahrzeugs und der elektronischen Datenträger und EDV-Anlagen des Soldaten wird angeordnet
  3. Die Durchsuchung darf nur außerhalb der Wohnung des Soldaten erfolgen. Die Durchsuchung von Mobilfunkgeräten darf sich nicht auf räumlich getrennte Speichermedien ("Cloud-Daten") erstrecken
  4. Die Kosten des gerichtsgebührenfreien Beschwerdeverfahrens trägt der Soldat, der auch die ihm darin erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen hat
Gründe I

1 Die Beschwerde betrifft die Ablehnung einer Durchsuchungsanordnung.

2 1. Der Soldat ist Hauptfeldwebel. Die Wehrdisziplinaranwaltschaft beantragte beim Truppendienstgericht wegen des Verdachts, dass sich der Soldat gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung betätige, die Anordnung einer Durchsuchung seines Fahrzeugs und seiner elektronischen Datenträger und EDV-Anlagen. Der Verdacht bestehe aufgrund eines Schreibens des Bundesamtes für den Militärischen Abschirmdienst (BAMAD) vom 2. November 2023 zum anderweitig verfolgten Oberstabsgefreiten R. und eines Protokolls über dessen Vernehmung durch die Disziplinarvorgesetzte vom 9. November 2023.

3 2. Der Vorsitzende der Truppendienstkammer hat den Antrag mit Beschluss vom 16. November 2023 abgelehnt. Aufgrund der mitgeteilten Tatsachen bestehe kein hinreichender Verdacht für das vorgeworfene Dienstvergehen, welches auf den Besitz von - stichwortartig beschriebenem - Bildmaterial auf dem Mobiltelefon des Soldaten und eine Äußerung ("vernünftiger Weißer") gegründet sei. Der Inhalt des Schreibens des BAMAD dürfe nicht verwertet werden. Zum einen sei die Übermittlung des Schreibens unzulässig, weil die Informationen zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht benötigt würden. Denn es gehe bloß um einen Besitz inkriminierter Bilder durch den Soldaten, die wohl vom Oberstabsgefreiten R. stammten und vom Soldaten nicht kommentiert worden seien, sowie um eine von der Meinungsfreiheit gedeckte Äußerung des Soldaten. Zum anderen sei der Einsichtnahme in das Mobiltelefon des Oberstabsgefreiten R. durch das BAMAD vermutlich keine Belehrung im Hinblick auf eine disziplinarische Verwertung vorausgegangen. Auch enthalte das Schreiben des BAMAD kein Bildmaterial, sondern nur eine vage Beschreibung des Chatinhalts ohne Kontext, so dass eine objektive Überprüfung nicht möglich sei. Da nur das Mobiltelefon des Oberstabsgefreiten R. eingesehen worden sei, sei nicht bekannt, ob der Soldat die Bilder gelöscht und damit zum Ausdruck gebracht habe, dass er sie nicht gutheiße.

4 3. Die Wehrdisziplinaranwaltschaft hat gegen den Beschluss am 13. Dezember 2023 Beschwerde erhoben. Das Schreiben des BAMAD dürfe verwertet werden. Eine "fruit of the poisonous tree"-Doktrin sei der deutschen Rechtsordnung fremd. Dürfte ein bekannt gewordenes Fehlverhalten nicht disziplinarisch verfolgt werden, liefe der Schutzauftrag des BAMAD leer. Die Wehrdisziplinaranwaltschaft müsse gemäß § 92 Abs. 1 Satz 1 WDO Ermittlungen führen. Ein unbefangener Dritter müsse davon ausgehen, dass durch die Kontrastierung von Farbigen und "vernünftigen Weißen" eine abwertende, rassistische Äußerung zu dunkelhäutigen Menschen habe ausgedrückt werden sollen. Der Soldat habe zumindest den Eindruck erweckt, die freiheitliche demokratische Grundordnung nicht anzuerkennen und nicht durch sein gesamtes Verhalten bereit zu sein, jederzeit aktiv für sie einzutreten.

5 4. Die Bundeswehrdisziplinaranwaltschaft teilt die Ansicht, dass die im Durchsuchungsantrag angeführten Tatsachen den Anfangsverdacht eines Verstoßes gegen die Verfassungstreuepflicht begründen. Ein Unterbleiben der Verfolgung dieses Verdachts könne zu einem enormen Ansehens- und Vertrauensverlust der Bundeswehr führen. Eine bei Datenerhebungen des BAMAD nicht vorgesehene und daher unterbliebene Belehrung könne kein Beweisverwertungsverbot nach sich ziehen. Die Formulierung "vernünftiger Weißer" sei mit der Bezeichnung "Neger" vergleichbar und nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt.

6 5. Der Soldat hält dem entgegen, er habe keine Vorurteile und sei nicht intolerant. Der Oberstabsgefreite R. habe ihn im Chat gefragt, ob der neue Soldat "wieder ein Schwarzer" sei. Die Frage nach der Hautfarbe habe er mit "weiß" beantwortet. Der Zusatz "vernünftig" habe sich auf die sportliche Leistung des zuversetzten Soldaten bezogen, der mit ihm klaglos 37 km marschiert sei. So sei die unglückliche Formulierung "vernünftiger Weißer" entstanden. Er habe die von ihm geführten Soldaten nie nach Hautfarbe unterschieden.

7 6. Der Vorsitzende der Truppendienstkammer hat der Beschwerde mit Beschluss vom 14. Dezember 2023 nicht abgeholfen und sie dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II

8 Die nach § 114 WDO zulässige Beschwerde ist begründet und führt zur beantragten Durchsuchungsanordnung.

9 1. Die Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 WDO lagen bei Erlass des angefochtenen Beschlusses vor und sind auch weiterhin gegeben.

10 a) Die Wehrdisziplinaranwaltschaft ist im Vorermittlungsverfahren (§ 92 WDO) als Vertreterin der Einleitungsbehörde (vgl. § 81 Abs. 2 Satz 1 WDO) befugt, die richterliche Anordnung der Durchsuchung zu beantragen. Denn § 20 WDO sieht keine Beschränkung des Antragsrechts auf den...

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