Beschluss vom 14. März 2013 - 1 BvR 1457/12
ECLI | ECLI:DE:BVerfG:2013:rk20130314.1bvr145712 |
Date | 14 Marzo 2013 |
Judgement Number | 1 BvR 1457/12 |
Court | Constitutional Court (Germany) |
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 1457/12 -
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn D…,
Hochstraße 12, 94405 Landau -
gegen a) | den Beschluss des Amtsgerichts Landau a.d. Isar vom 11. Juni 2012 - 2 C 524/10 -, |
b) | das Endurteil des Amtsgerichts Landau a.d. Isar vom 3. Mai 2012 - 2 C 524/10 - |
hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
die Richter Gaier,
Schluckebier,
Paulus
am 14. März 2013 einstimmig beschlossen:
- Das Endurteil des Amtsgerichts Landau a.d. Isar vom 3. Mai 2012 - 2 C 524/10 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes sowie in seinem grundrechtsgleichen Recht aus Artikel 103 Absatz 1 des Grundgesetzes. Das Urteil wird aufgehoben. Der Beschluss des Amtsgerichts Landau a.d. Isar vom 11. Juni 2012 - 2 C 524/10 - wird damit gegenstandslos. Die Sache wird an einen anderen Richter des Amtsgerichts - Zivilabteilung - zurückverwiesen.
- Der Freistaat Bayern hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.
- Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 8.000 € (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.
I.
Gegenstand des Ausgangsverfahrens ist eine Streitigkeit über die Vergütung von Kommunikationsdienstleistungen.
1. Der Beschwerdeführer hatte über sogenannte Internet-by-call-Einwahlverbindungen Kommunikationsdienstleistungen in Anspruch genommen. Einer Zahlungsklage der Rechtsnachfolgerin der Dienstanbieterin (im Folgenden: Klägerin) war er mit dem Vortrag entgegengetreten, dass er zwar die abgerechneten Dienste genutzt habe, allerdings nicht zu den berechneten Tarifen von bis zu 0,25 € pro Minute, sondern zu 0,001 € (0,1 Cent) pro Minute. Der von der Klägerin vorgelegte Einzelverbindungsnachweis sei nicht zum Beweis geeignet, da dieser die letzten drei Stellen der jeweiligen Einwahlnummer nicht angebe; allein aus den letzten drei Stellen lasse sich jedoch der gewählte Tarif ablesen. Hilfsweise müsse von einer nachträglichen Änderung der Tarife ausgegangen werden. Jedenfalls sei eine Tarifänderung weder dem Beschwerdeführer mitgeteilt noch im Internet publiziert worden. Darüber hinaus seien die abgerechneten Tarife sittenwidrig überhöht, da sie um 900 % bis 1.400 % über den marktüblichen Tarifen lägen.
Das Amtsgericht hatte der Klage stattgegeben und den Beschwerdeführer antragsgemäß zur Zahlung von insgesamt rund 500 € zuzüglich Zinsen verurteilt. Auf die hierauf erhobene Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers hob das Bundesverfassungsgericht das Urteil auf und verwies die Sache an das Amtsgericht zurück (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 17. Januar 2012 - 1 BvR 885/11 -, juris).
2. Hiernach wurde die Sache vor dem Amtsgericht erneut verhandelt. Dort erging noch im Termin das nunmehr angegriffene stattgebende Urteil. Zur Begründung heißt es dort, dass die Klägerin den Anspruch schlüssig dargelegt habe. Soweit der Beschwerdeführer vortrage, das Angebot wissentlich nur zu einem Tarif von 0,1 Cent pro Minute in Anspruch genommen zu haben, sei es ihm zuzumuten gewesen, sich über den jeweils aktuellen Tarif zu informieren; dass die aktuellen Tarife jeweils auf der Internetseite der Dienstanbieterin veröffentlicht seien, habe der Beschwerdeführer nicht wirksam bestritten. Soweit nicht mehr nachvollzogen werden könne, ob die abgerechneten Tarife mit den veröffentlichten Tarifen übereinstimmten, liege dies nur daran, dass der Beschwerdeführer von seinem Recht Gebrauch gemacht habe, die angewählten Rufnummern nur teilweise - das heißt ohne die letzten drei Ziffern - speichern zu lassen. Die Verträge seien auch nicht gemäß § 138 Abs. 2 BGB nichtig. Zwar habe der Beschwerdeführer vorgetragen, dass der durchschnittliche Marktpreis bei maximal 1,0 Cent pro Minute liege. Dem sei die Klägerin jedoch substantiiert mit der Behauptung entgegengetreten, dass sich die üblichen Preise zwischen 0,1 und 15,0 Cent pro Minute bewegten. Eine Inaugenscheinnahme vergleichbarer Angebote durch das Gericht habe ergeben, dass die Preise bei einzelnen Anbietern erheblichen Schwankungen ausgesetzt seien und durchaus auch höhere Preise als vom Beschwerdeführer angegeben gefordert würden. Damit sei schon der objektive Tatbestand des Wuchers nicht gegeben; im Übrigen lägen auch die subjektiven Tatbestandsmerkmale nicht vor, wobei es bereits an substantiiertem Vortrag hierzu fehle. Eine Nichtigkeit wegen Sittenwidrigkeit gemäß § 138 Abs. 1 BGB scheitere...
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