Beschluss vom 16.02.2024 - BVerwG 6 B 65.23

JurisdictionGermany
Judgment Date16 Febrero 2024
Neutral CitationBVerwG 6 B 65.23
ECLIDE:BVerwG:2024:160224B6B65.23.0
Record Number160224B6B65.23.0
CitationBVerwG, Beschluss vom 16.02.2024 - 6 B 65.23 -
Registration Date21 Marzo 2024
Subject MatterStaatskirchenrecht einschließlich der Streitigkeiten nach den landesrechtlichen Sonn- und Feiertagsgesetzen
CourtDas Bundesverwaltungsgericht
Applied RulesGG Art. 3 Abs. 1, Art. 14, 20 Abs. 3, Art. 140,WRV Art. 138 Abs. 2,EV Art. 21, 22,KVG § 2 Abs. 1

BVerwG 6 B 65.23

  • VG Weimar - 01.10.2015 - AZ: 2 K 1404/14
  • OVG Weimar - 08.02.2023 - AZ: 4 KO 197/18

In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 16. Februar 2024
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Möller und Hahn
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Thüringer Oberverwaltungsgerichts vom 8. Februar 2023 wird zurückgewiesen
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 4 500 € festgesetzt
Gründe I

1 Die klagende Evangelische Kirche in Mitteldeutschland macht gegenüber der beklagten Gemeinde aus abgetretenem Recht unter Berufung auf eine Kirchenbaulast Ansprüche wegen der Kosten für Sanierungsmaßnahmen im Kirchengebäude der evangelischen Pfarrkirche in Hochheim bei Gotha geltend. Zwischen der damaligen Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde Hochheim und der (damaligen) politischen Gemeinde Hochheim bestand bis Anfang des 19. Jahrhunderts ein gewohnheitsrechtliches Schuldverhältnis kraft Herkommens, wonach Aufwendungen, Reparaturen bzw. Investitionen der Kirchengemeinde von der politischen Gemeinde einseitig finanziell unterstützt wurden. In einem sogenannten Bauregulativ wurde das bisher praktizierte Gewohnheitsrecht im Jahr 1822 von Vertretern der Kommune und der Kirche vor dem Herzoglich Sächsischen Gericht schriftlich festgehalten und nachfolgend vom Fürstlichen Untergericht in Wangenheim sowie vom Herzoglich Sächsischen Oberkonsistorium bestätigt. In der Folge wurden von der politischen Gemeinde Hochheim immer wieder Leistungen zur baulichen Unterhaltung der Kirche erbracht.

2 Im Juli 2013 forderte die Kirchengemeinde von der Beklagten die Übernahme der Kosten in Höhe von 4 500 € für eine Sanierung wegen Befalls mit echtem Hausschwamm. Die nach Ablehnung der Kostenübernahme erhobene Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das Oberverwaltungsgericht hat ausgeführt, die Beklagte sei nicht Gesamtrechtsnachfolgerin der 1957 aufgelösten Gemeinde Hochheim, sondern nach dem Gesetz über die Selbstverwaltung der Gemeinden und Landkreise in der DDR (Kommunalverfassungsgesetz - KomVerfG) vom 17. Mai 1990 als Gebietskörperschaft neu errichtet sowie nach dem Gesetz über das Vermögen der Gemeinden, Städte und Landkreise (Kommunalvermögensgesetz - KVG) vom 6. Juli 1990 im Einzelnen mit Vermögen ausgestattet worden. Die bis 1990 fortbestehenden Kirchenbaulasten seien auf den Gesamtstaat der DDR übergegangen. Eine Einzelrechtsnachfolge der Beklagten liege ebenfalls nicht vor. Die den Übergang von ehemals volkseigenem Vermögen auf die neu errichteten Städte und Gemeinden regelnde Vorschrift des § 2 Abs. 1 KVG gelte nur für Vermögenswerte (Aktiva), nicht aber für reine (isolierte) Verbindlichkeiten, und sei mangels planwidriger Regelungslücke auch nicht analog anzuwenden. Art. 21 und 22 des Einigungsvertrages (EV) in Verbindung mit dem Vermögenszuordnungsgesetz sähen lediglich den Übergang solcher Verbindlichkeiten vor, die in einem sachlichen Zusammenhang mit den übernommenen Vermögenswerten stünden. Bei der Kirchenbaulast handele es sich jedoch um eine isolierte Verbindlichkeit. Mangels einer planwidrigen Lücke sei auch keine analoge Anwendung der Art. 21, 22 EV geboten. Aus dem Verfassungsrecht folge nichts Anderes. Da der Einigungsvertrag isolierte Verbindlichkeiten der DDR nicht als generell überzuleitende Gegenstände anerkannt habe, unterfielen diese weder dem Schutz des Art. 14 GG noch des Art. 140 GG, Art. 138 Abs. 2 WRV. Aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) ergebe sich keine Verpflichtung, die von der DDR hinterlassenen Verbindlichkeiten in vollem Umfang auf einen neuen Rechtsträger zu übertragen. Auch der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) sei nicht verletzt. Danach zu differenzieren, ob eine Verbindlichkeit mit einem übernommenen Vermögenswert zusammenhänge oder ob sie isoliert dastehe, sei nicht sachwidrig. Die Kirchengemeinden in den alten Bundesländern kämen nicht als Vergleichsgruppe in Betracht.

3 Die Revision gegen sein Urteil hat das Oberverwaltungsgericht nicht zugelassen. Die Klägerin erstrebt mit ihrer Beschwerde die Zulassung der Revision.

II

4 Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zur Klärung der von der Klägerin aufgeworfenen Fragen zuzulassen.

5 Grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. Mai 2023 - 6 B 23.22 - N&R 2023, 268 Rn. 5 m. w. N.). Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich nicht, dass diese Voraussetzungen hier erfüllt sind.

6 Die Klägerin hält die folgenden Fragen für grundsätzlich klärungsbedürftig:
"a. Sind Ansprüche von Kirchengemeinden gegen politische Gemeinden auf Übernahme von Kosten für den baulichen Erhalt von kirchlichen Gebäuden (z. B. Kirchen, Pfarrhäuser) aus kommunalen Kirchenbaulasten, die vormals gewohnheitsrechtlich begründet wurden, in den neuen Bundesländern mit dem Inkrafttreten des Einigungsvertrages am...

Um weiterzulesen

FORDERN SIE IHR PROBEABO AN

VLEX uses login cookies to provide you with a better browsing experience. If you click on 'Accept' or continue browsing this site we consider that you accept our cookie policy. ACCEPT