Beschluss vom 17. Januar 2024 - 2 BvR 1756/23
ECLI | ECLI:DE:BVerfG:2024:rk20240117.2bvr175623 |
Judgement Number | 2 BvR 1756/23 |
Date | 17 Enero 2024 |
Citation | BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 17. Januar 2024 - 2 BvR 1756/23 -, Rn. 1-22, |
Court | Constitutional Court (Germany) |
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 1756/23 -
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn (…), |
- Bevollmächtigter:
- (…) -
gegen |
a) den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 10. November 2023 - 1 Ws 34/23 H -, |
|
b) den Haftbefehl des Amtsgerichts Itzehoe vom 25. Juni 2021 - 40 Gs 1205/21 - |
und | Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung |
hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
die Richterinnen Langenfeld,
Fetzer
und den Richter Offenloch
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung
vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)
am 17. Januar 2024 einstimmig beschlossen:
- Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen
- Mit der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegenstandslos (§ 40 Abs. 3 GOBVerfG)
Der Beschwerdeführer begehrt die Aufhebung des Haftbefehls des Amtsgerichts Itzehoe sowie der Haftfortdauerentscheidung des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts im ersten Haftprüfungstermin.
I.
1. Der 37-jährige Beschwerdeführer mit Wohnsitz in Spanien befindet sich seit dem 4. Mai 2023 aufgrund des auf Fluchtgefahr gestützten Haftbefehls des Amtsgerichts Itzehoe vom 25. Juni 2021 ununterbrochen in Untersuchungshaft. Nach dem Haftbefehl ist der Beschwerdeführer dringend verdächtig, in 14 tatmehrheitlichen Fällen, davon in vier Fällen gemeinschaftlich handelnd, jeweils unerlaubt mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Handel getrieben und davon in drei Fällen Betäubungsmittel in nicht geringer Menge eingeführt zu haben. Der dringende Tatverdacht beruht auf der Auswertung von sogenannten „Encro-Chat“-Daten.
2. Die Staatsanwaltschaft hat wegen des dem Haftbefehl zugrunde liegenden Sachverhalts am 31. Mai 2023 Anklage zum Landgericht Itzehoe erhoben. Mit Verfügung vom 26. Oktober 2023 legte der Vorsitzende der zuständigen großen Strafkammer die Akten dem Oberlandesgericht zur Entscheidung über die Fortdauer der Untersuchungshaft nach § 121, § 122 Abs. 1 StPO vor. Zur Begründung führte der Vorsitzende aus, die Kammer sei aufgrund einer vorübergehenden Überlastung durch andere Haftsachen, insbesondere vier bereits vor der Anklage in dieser Sache eingegangene umfangreiche Schwurgerichtsverfahren, bereits rein terminlich an der Durchführung einer Hauptverhandlung vor Fristablauf gehindert. Eine Eröffnungsentscheidung sei insbesondere auch deshalb zurückgestellt worden, weil eine Terminierung der Hauptverhandlung in diesem Jahr nicht durchführbar erschienen sei. Der Beginn der Hauptverhandlung sei ab dem 23. Januar 2024 vorgesehen.
3. Im Haftprüfungsverfahren beantragte der Verteidiger des Beschwerdeführers mit Schriftsatz vom 9. November 2023 die Aufhebung des Haftbefehls, da der Beschleunigungsgrundsatz in Haftsachen verletzt sei. Aus anderen Verfahren sei bekannt, dass die Strafkammer bereits seit 2022 dauerhaft mit Haftsachen ausgelastet sei. Die in seinem Schriftsatz dargestellte Rechtsprechung der Obergerichte und des Bundesverfassungsgerichts zugrunde gelegt, sei hier kein anderer wichtiger Grund im Sinne des § 121 Abs. 1 StPO gegeben. Die dauerhaft anhaltende vollständige Auslastung der Kammer sei jedenfalls kein kurzfristig unvorhersehbarer Umstand. Eine ernsthafte Einarbeitung des Gerichts in die Sache habe auch knapp sechs Monate nach Anklageerhebung noch nicht begonnen, eine Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens sei noch nicht getroffen.
4. Mit Beschluss vom 10. November 2023 ordnete das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft die Fortdauer der Untersuchungshaft an. Die Haftfortdauer über sechs Monate hinaus sei aus wichtigem Grund gerechtfertigt und auch nicht unverhältnismäßig. Zur Begründung schloss sich das Oberlandesgericht den Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft an: Es sei der bei der Jahresgeschäftsverteilung 2023 nicht vorhersehbaren ungewöhnlich hohen Belastung der Kammer geschuldet, dass der Beginn der Hauptverhandlung erst ab dem 23. Januar 2024 vorgesehen sei. Die Kammer verhandele derzeit zwei umfangreiche Schwurgerichtsverfahren mit 77 beziehungsweise 127 in den Anklagen benannten Zeugen, weshalb Hauptverhandlungstermine nicht mehr zur Verfügung stünden. Bis Jahresende müsse die Kammer eine weitere, bereits länger eingegangene Haftsache gegen einen minderjährigen Angeklagten verhandeln. Die kurzfristige Überlastung der Kammer beruhe nicht auf gerichtsorganisatorischen Gründen, so dass die Verfahrensverzögerung...
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