Beschluss vom 19.08.2010 - BVerwG 2 C 34.09

JurisdictionGermany
Judgment Date19 Agosto 2010
Neutral CitationBVerwG 2 C 34.09
ECLIDE:BVerwG:2010:190810B2C34.09.0
CitationBVerwG, Beschluss vom 19.08.2010 - 2 C 34.09
Registration Date22 Enero 2013
Applied RulesGG Art. 20 Abs. 3, Art. 33 Abs. 5, Art. 3 Abs. 1,BeamtVG a.F. § 14a Abs. 1,DNeuG Art. 4 Nr. 11 Buchst a Doppelbuchst. aa, Art. 17 Abs. 1,BeamtVG §§ 14, 14a
CourtDas Bundesverwaltungsgericht
Record Number190810B2C34.09.0

BVerwG 2 C 34.09

  • Magdeburg - 01.07.2009 - AZ: OVG 1 L 28/09 -
  • OVG des Landes Sachsen-Anhalt - 01.07.2009 - AZ: OVG 1 L 28/09

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 19. August 2010
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Herbert,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Thomsen,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Maidowski und Dr. Hartung
sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt
für Recht erkannt:

  1. Das Verfahren wird ausgesetzt.
  2. Dem Bundesverfassungsgericht wird gemäß Art. 100 Abs. 1 GG die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob Art. 17 Abs. 1 des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes (DNeuG) vom 5. Februar 2009 (BGBl I S. 160, 274) mit Art. 20 Abs. 3, Art. 33 Abs. 5 und Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar und nichtig ist.
Gründe I

1 Der 1948 geborene Kläger stand seit 1992, zuletzt als Polizeihauptmeister, im Dienst der Beklagten beim Bundesgrenzschutz. Er wurde nach Vollendung des 60. Lebensjahres mit Ablauf des Monats Februar 2008 in den Ruhestand versetzt.

2 Auf seinen Antrag setzte die Beklagte mit Bescheid vom 12. Februar 2008 das Ruhegehalt mit Wirkung ab dem 1. März 2008 auf 1 691,89 € fest. Dabei erhöhte sie den nach § 14 Abs. 1 BeamtVG berechneten Ruhegehaltssatz in Höhe von 32,64 v. H. gemäß § 14a BeamtVG vorübergehend um 24,58 v. H. auf insgesamt 57,22 v. H.

3 Hiergegen wandte sich der Kläger und „beantragte“ einen - erhöhten - Ruhegehaltssatz auf Basis des amtsabhängigen Mindestruhegehaltssatzes gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG (in Höhe von 35 v. H. auf 59,58 v. H.). Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 26. März 2008 und Widerspruchsbescheid vom 17. Juni 2008 ab.

4 Während das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben hat, hat das Berufungsgericht nach der Änderung des § 14a Abs. 1 BeamtVG durch das Dienstrechtsneuordnungsgesetz - DNeuG - vom 5. Februar 2009 (BGBl I S. 160, 274; dort Art. 4 Nr. 11 Buchst. a Doppelbuchst. aa in Verbindung mit Art. 17 Abs. 1) mit Wirkung zum 24. Juni 2005 die Klage mit im Wesentlichen folgender Begründung abgewiesen:

5 Die Beklagte habe nach jetzt geltender Rechtslage das - weitergehende - Begehren des Klägers zu Recht abgelehnt. Anders als nach § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. könne nach der Gesetzesänderung nicht mehr der amtsbezogene Ruhegehaltssatz nach § 14 Abs. 4 Satz 1 und 2 BeamtVG, sondern nur noch der erdiente Ruhegehaltssatz nach § 14 Abs. 1 BeamtVG Berechnungsgrundlage für die vorübergehende Erhöhung des Mindestruhegehaltssatzes sein. Die Neuregelung sei mit Wirkung vom 24. Juni 2005 in Kraft getreten. Da der Kläger erst nach diesem Zeitpunkt in den Ruhestand getreten sei, sei sie auf ihn anzuwenden.

6 In dem durch Art. 17 Abs. 1 DNeuG angeordneten rückwirkenden Inkrafttreten von Art. 4 Nr. 11 Buchst. a Doppelbuchst. aa DNeuG liege kein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot (Art. 20 Abs. 3 GG). Die betroffenen Beamten bedürften keines Vertrauensschutzes, weil nicht ersichtlich sei, dass sie in Kenntnis der rückwirkenden Änderung von bestimmten Aufwendungen abgesehen hätten, zumal es hier um einen geringen Betrag gehe. Gegenteiliges lege der Kläger nicht dar. Hinzu komme, dass sich die Rückwirkungsanordnung wegen § 52 Abs. 1 BeamtVG bei Ruhestandsbeamten, deren Versorgungsbezüge bestandskräftig festgesetzt worden seien, tatsächlich erst in der Zukunft, beginnend mit dem Zahlungsmonat März 2009 auswirke. Von der Rückwirkung seien im Übrigen nur die noch aktiven Beamten betroffen und Ruhestandsbeamte, deren Versorgungsbezüge noch nicht oder noch nicht bestandskräftig festgesetzt worden seien. Auch hier wirke sich die Neuregelung erst zukunftsbezogen aus oder betreffe eine noch nicht endgültig gesicherte Rechtsposition. Insofern könne nicht unberücksichtigt bleiben, dass eine unklare oder verworrene Rechtslage bestanden habe, so dass der Gesetzgeber rückwirkend ein klarstellendes Gesetz habe erlassen dürfen. Etwaiges Vertrauen sei bereits beginnend mit dem von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf im November 2007 (BTDrucks 16/7076) nicht mehr gerechtfertigt gewesen. Der Kläger sei nach diesem Zeitpunkt in den Ruhestand versetzt worden. Ungeachtet dessen sei es dem Gesetzgeber möglich, selbst Normen, die in erheblichem Umfang an in der Vergangenheit liegende Tatbestände anknüpften, zu erlassen, unter Änderung der künftigen Rechtsfolgen dieser Tatbestände auf veränderte Gegebenheiten mit einer Änderung seines Normenwerkes zu reagieren und durch eine solche Änderung bestimmte soziale Gegebenheiten zu beeinflussen. Der rechtsstaatliche Grundsatz des Vertrauensschutzes garantiere nicht das Fortbestehen der Rechtslage, die der Betroffene beim Eintritt in das Beamtenverhältnis vorgefunden habe. Beamte müssten damit rechnen, dass sich ihre Gesamtbesoldung und -versorgung ändern könne. Dies gelte umso mehr, als es sich bei § 14a BeamtVG nicht um eine von Art. 33 Abs. 5 GG geforderte Bestimmung handele. Der Anspruch des Ruhestandsbeamten auf amtsangemessene Versorgung stehe unter dem besonderen Schutz des Art. 33 Abs. 5 GG, der die allgemeinen rechtsstaatlichen Prinzipien des Vertrauensschutzes, der Rechtssicherheit, aber auch der Verhältnismäßigkeit grundsätzlich einbeziehe, so dass daneben dem allgemeinen rechtsstaatlichen Vertrauensschutz keine selbstständige Bedeutung zukomme.

7 Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Revision. Er beantragt, den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 1. Juli 2009 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 26. Januar 2009 zurückzuweisen.

8 Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II

9 Das Verfahren ist gemäß Art. 100 Abs. 1 GG auszusetzen, um dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorzulegen, ob Art. 17 Abs. 1 des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes (DNeuG) vom 5. Februar 2009 (BGBl I S. 160, 274) mit Art. 20 Abs. 3, Art. 33 Abs. 5 und Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar und nichtig ist, soweit Art. 4 Nr. 11 Buchst. a Doppelbuchst. aa mit Wirkung vom 24. Juni 2005 in Kraft tritt.

10 1. Gemäß § 14a Abs. 1 des Beamtenversorgungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. März 1999 (BGBl I S. 322, 847, 2033), zuletzt geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 29. Juli 2008 (BGBl I S. 1582) - BeamtVG a.F. - erhöhte sich der nach den sonstigen Vorschriften berechnete Ruhegehaltssatz vorübergehend - bis zur Erreichung der Regelaltersgrenze - um 1 v.H. der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge für je 12 Kalendermonate der anrechnungsfähigen Pflichtversicherungszeiten. Um einen derartigen, vorübergehend zu erhöhenden Ruhegehaltssatz handelt es sich auch bei dem Mindestruhegehaltssatz von 35 v.H. gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG. Dieses Ergebnis folgt aus einer Auslegung des § 14a Abs. 1 BeamtVG nach Wortlaut, Systematik und Normzweck unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte (Urteile vom 23. Juni 2005 - BVerwG 2 C 25.04 - BVerwGE 124, 19 = Buchholz 239.1 § 14a BeamtVG Nr. 4 und vom 12. November 2009 - BVerwG 2 C 29.08 - Buchholz 239.1 § 14a BeamtVG Nr. 5). In der vor der Gesetzesänderung maßgebenden Fassung lautete § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. wie folgt:
(1) Der nach den sonstigen Vorschriften berechnete Ruhegehaltssatz erhöht sich vorübergehend, wenn der Beamte vor der Vollendung des fünfundsechzigsten Lebensjahres in den Ruhestand getreten ist und er
1. bis zum Beginn des Ruhestandes die Wartezeit von sechzig Kalendermonaten für eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllt hat,
2. a) wegen Dienstunfähigkeit im Sinne des § 42 Abs. 1 des Bundesbeamtengesetzes oder entsprechenden Landesrechts in den Ruhestand versetzt worden ist oder
b) wegen Erreichens einer besonderen Altersgrenze in den Ruhestand getreten ist und das sechzigste Lebensjahr vollendet hat,
3. einen Ruhegehaltssatz von 66,97 vom Hundert noch nicht erreicht hat und
4. keine Einkünfte im Sinne des § 53 Abs. 7 bezieht. Die Einkünfte bleiben außer Betracht, soweit sie durchschnittlich im Monat 325 Euro nicht überschreiten.
(2) Die Erhöhung des Ruhegehalts beträgt 0,95667 vom Hundert der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge für je zwölf Kalendermonate der für die Erfüllung der Wartezeit (Absatz 1 Nr. 1) anrechnungsfähigen Pflichtbeitragszeiten, soweit sie nicht von § 50e Abs. 1 erfasst werden, nach Vollendung des 17. Lebensjahres und vor Begründung des Beamtenverhältnisses zurückgelegt wurden und nicht als ruhegehaltfähig berücksichtigt sind. Der hiernach berechnete Ruhegehaltssatz darf 66,97 vom Hundert nicht überschreiten. In den Fällen des § 14 Abs. 3 ist das Ruhegehalt, das sich nach Anwendung der Sätze 1 und 2 ergibt, entsprechend zu vermindern. Für die Berechnung nach Satz 1 sind verbleibende Kalendermonate unter Benutzung des Nenners 12 umzurechnen; § 14 Abs. 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.
(3) Die Erhöhung fällt spätestens mit Ablauf des Monats weg, in dem der Ruhestandsbeamte das fünfundsechzigste Lebensjahr vollendet. Sie endet vorher, wenn der Ruhestandsbeamte
1. eine Versichertenrente der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht, mit Ablauf des Tages vor dem Beginn der Rente, oder
2. in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 Buchstabe a nicht mehr dienstunfähig ist, mit Ablauf des Monats, in dem ihm der Wegfall der Erhöhung mitgeteilt wird, oder
3. ein Erwerbseinkommen bezieht, mit Ablauf des Tages vor dem Beginn der Erwerbstätigkeit.
§ 35 Abs. 3 Satz 2 gilt sinngemäß.
(4) Die Erhöhung des Ruhegehaltssatzes wird auf Antrag vorgenommen. Anträge, die innerhalb von drei Monaten nach Eintritt des Beamten in den Ruhestand gestellt werden, gelten als zum...

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