Beschluss vom 21.12.2021 - BVerwG 9 B 19.21

JurisdictionGermany
Judgment Date21 Diciembre 2021
Neutral CitationBVerwG 9 B 19.21
ECLIDE:BVerwG:2021:211221B9B19.21.0
Record Number211221B9B19.21.0
Registration Date09 Marzo 2022
Subject MatterSonstiges Abgabenrecht
CourtDas Bundesverwaltungsgericht
CitationBVerwG, Beschluss vom 21.12.2021 - 9 B 19.21 -

BVerwG 9 B 19.21

  • VG Frankfurt am Main - 26.02.2019 - AZ: VG 6 K 6803/17.F
  • VGH Kassel - 17.03.2021 - AZ: VGH 5 A 812/19

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 21. Dezember 2021
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Bick, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Martini und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Sieveking
beschlossen:

  1. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 17. März 2021 wird zurückgewiesen
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens
  3. Der Wert des Streitgegenstands für das Beschwerdeverfahren wird auf 325,68 € festgesetzt
Gründe

1 Die auf sämtliche Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde ist unbegründet.

2 1. Eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil dieser Zulassungsgrund nicht in einer den Begründungsanforderungen von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechenden Weise dargelegt ist. Soweit der Kläger die grundsätzliche Bedeutung darin sieht, dass das erstinstanzliche Urteil von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Art. 28 GG abweiche, formuliert er schon keine für die angefochtene Entscheidung des Berufungsgerichts entscheidungserhebliche konkrete, fallübergreifende und bislang ungeklärte Rechtsfrage, die im Revisionsverfahren geklärt werden könnte.

3 2. Die Revision ist auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen, weil das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht.

4 Eine solche Divergenz liegt nur vor, wenn das Berufungsgericht sich in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz zu einem in der herangezogenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Widerspruch gesetzt hat. Daran fehlt es.

5 Nach Ansicht des Klägers weicht das Berufungsgericht im Hinblick auf den Maßstab der Fristenkontrolle vom Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Januar 2008 - 6 B 51.07 - (Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 261 Rn. 2 f.) ab.

6 Danach ist der Anwalt gehalten, Fehlerquellen bei der Behandlung von Fristsachen soweit wie möglich auszuschließen. Zur Vermeidung der Fristversäumung aufgrund von Fehlern, die bei der Ermittlung und der Eingabe der zutreffenden Telefaxnummer leicht unterlaufen können, hat der Anwalt die möglichen und zumutbaren organisatorischen Vorkehrungen zu treffen. Hierzu muss er für eine Büroorganisation sorgen, die eine Überprüfung der per Telefax übermittelten Schriftsätze auch auf die Verwendung einer zutreffenden Empfängernummer gewährleistet (BVerwG, Beschluss vom 9. Januar 2008 - 6 B 51.07 - Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 261 Rn. 2 f.).

7 Die Abweichung von diesem Rechtssatz stützt der Kläger darauf, dass der Verwaltungsgerichtshof der Sache nach den Rechtssatz aufstelle, der Rechtsanwalt müsse in jedem Einzelfall eine entsprechende konkrete Anweisung gegeben haben, während nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts die Schaffung einer geeigneten Büroorganisation genüge. Ein solcher Rechtssatz ist der Berufungsentscheidung jedoch nicht zu entnehmen. Vielmehr geht das Berufungsgericht offenbar davon aus, dass im vorliegenden Einzelfall einer Vertretung des für die fristgerechte Versendung von Schriftsätzen per Telefax und deren Kontrolle zuständigen Assistenten die zumutbaren organisatorischen Vorkehrungen einer ordnungsgemäßen Büroorganisation eine konkrete Weisung erfordert hätten, mit der die Vertretung zur Kontrolle der Empfangsnummer angehalten worden wäre. Ein abstrakter Rechtssatz des Berufungsgerichts, nach dem im Widerspruch zu dem vom Kläger genannten Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts für jede Übermittlung von Schriftsätzen per Telefax eine Einzelweisung erforderlich sein soll, lässt sich daraus nicht ableiten.

8 Soweit der Kläger anders als der Verwaltungsgerichtshof die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Büroorganisation als erfüllt ansieht, macht er lediglich eine fehlerhafte Anwendung eines Rechtssatzes geltend; dies kann eine Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht rechtfertigen (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14).

9 3. Die Revision kann auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen eines Verfahrensmangels zugelassen werden, der vorliegt und auf dem die Entscheidung beruhen kann.

10 a) Kein Verfahrensmangel liegt darin, dass das Berufungsgericht dem Kläger keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 Abs. 1 VwGO gewährt hat.

11 Dabei kann dahinstehen, ob der Verwaltungsgerichtshof verfahrensfehlerhaft davon ausgegangen ist, dass der Wiedereinsetzungsantrag bereits nach § 60 Abs. 3 VwGO unzulässig war, weil er erst später als ein Jahr seit dem Ende der versäumten Berufungsbegründungsfrist gestellt wurde und die Antragstellung vor Ablauf der Jahresfrist nicht infolge höherer Gewalt unmöglich war. Insbesondere braucht nicht entschieden zu werden, ob die Wiedereinsetzung deshalb nicht ausgeschlossen war, weil die Ursache für die Versäumung der Jahresfrist in der Sphäre des Gerichts liegt (BVerwG, Beschluss vom 2. April 1992 - 5 B 50.92 - Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 177 S. 50; Urteil vom 25. April 2012 - 8 C 18.11 - BVerwGE 143, 50 Rn. 20), soweit es den Kläger auf die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist erst nach 15 Monaten hingewiesen hat, oder ob § 60 Abs. 3 VwGO nach seinem Sinn und Zweck mangels unangemessener Verfahrensverzögerung nicht greift. Denn der Verwaltungsgerichtshof hat die Möglichkeit der Wiedereinsetzung nicht nur nach § 60 Abs. 3 VwGO, sondern auch nach § 60 Abs. 1 VwGO verneint. Dies ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.

12 aa) War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm nach § 60 Abs. 1 VwGO auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Verschuldet ist eine Fristversäumung, wenn der Beteiligte nicht die Sorgfalt hat walten lassen, die für einen gewissenhaften, seine Rechte und Pflichten sachgerecht wahrnehmenden Beteiligten geboten und ihm nach den gesamten Umständen zuzumuten ist (BVerwG, Beschluss vom 3. Dezember 2001 - 4 BN 32.01 - Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 241 S. 32 m.w.N.). Nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO steht dabei das Verschulden des Prozessbevollmächtigten dem Verschulden des Beteiligten gleich. Hingegen muss sich ein Beteiligter ein Verschulden von Hilfskräften, derer sich sein Prozessbevollmächtigter bedient, nicht zurechnen lassen (BVerwG, Beschluss vom 4. August 2000 - 3 B 75.00 - Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 235 S. 23). Von einem Verschulden des Prozessbevollmächtigten ist daher dann nicht auszugehen, wenn der Prozessbevollmächtigte einfache technische Verrichtungen wie die Übermittlung eines fristgebundenen Schriftsatzes per Telefax und die Auswahl der richtigen Telefaxnummer einer zuverlässigen, hinreichend geschulten und überwachten Bürokraft überlässt. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass der Prozessbevollmächtigte Fehlerquellen bei...

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