Beschluss vom 25.02.2015 - BVerwG 6 C 33.13

Judgment Date25 Febrero 2015
ECLIDE:BVerwG:2015:250215B6C33.13.0
Neutral CitationBVerwG 6 C 33.13
CitationBVerwG, Beschluss vom 25.02.2015 - 6 C 33.13
Record Number250215B6C33.13.0
Registration Date17 Abril 2015
Applied RulesGG Art. 12 Abs. 1, 19 Abs. 4 Satz 1, 100 Abs. 1,TKG 2004 §§ 12, 15, 31, 33, 35,VwGO § 113 Abs. 5, § 123
CourtDas Bundesverwaltungsgericht

BVerwG 6 C 33.13

  • VG Köln - 25.09.2013 - AZ: VG 21 K 5903/07

In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 25. Februar 2015
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Neumann
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Heitz, Dr. Möller, Hahn und Prof. Dr. Hecker
beschlossen:

  1. Das Verfahren wird ausgesetzt.
  2. Dem Bundesverfassungsgericht wird gemäß Art. 100 Abs. 1 GG die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob § 35 Abs. 5 Satz 2 und 3 des Telekommunikationsgesetzes ‌- TKG - vom 22. Juni 2004 (BGBl. I S. 1190) in der Fassung des Gesetzes vom 18. Februar 2007 (BGBl. I S. 106) mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 und Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar ist.
Gründe I

1 Die Klägerin betreibt ein Mobilfunknetz nach GSM- und UMTS-Standard, das mit den öffentlichen Telefonnetzen anderer Betreiber zusammengeschaltet ist. Die Entgelte für die Zugangsgewährung bedürfen auf Grund bestandskräftiger Regulierungsverfügung vom 30. August 2006 einer Ex-ante-Entgeltgenehmigung nach Maßgabe des § 31 TKG. Die Klägerin begehrt, die Beklagte zu verpflichten, ihr für den Zeitraum vom 1. Dezember 2007 bis zum 31. März 2009 ein höheres Mobilfunk-Terminierungsentgelt zu genehmigen, als ihr die Bundesnetzagentur bewilligt hat.

2 Am 16. November 2006 genehmigte die Bundesnetzagentur der Klägerin erstmals ein Mobilfunk-Terminierungsentgelt, dessen Höhe sich in dem Genehmigungszeitraum vom 30. August 2006 bis 30. November 2007 auf zuletzt 8,78 Cent/Minute belief. Die Bundesnetzagentur erteilte diese Genehmigung auf der Grundlage einer internationalen Vergleichsmarktbetrachtung. In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren, das die Klägerin hiergegen mit dem Ziel der Erlangung eines höheren Entgelts anhängig gemacht hat, hat der Senat das Verfahren über die Revision der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil der Vorinstanz mit Beschluss vom 10. Dezember 2014 - 6 C 18.13 - (juris) ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG, § 80 BVerfGG die Frage vorgelegt, ob der in § 35 Abs. 5 Satz 2 und 3 TKG vorgesehene Ausschluss der Rückwirkung von auf gerichtlicher Verpflichtung beruhenden Genehmigungen höherer Entgelte mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 und Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar ist.

3 Unter dem 21. September 2007 beantragte die Klägerin die Genehmigung eines Mobilfunk-Terminierungsentgelts in Höhe von 9,58 Cent/Minute für die Zeit vom 1. Dezember 2007 bis zum 31. März 2008 und in Höhe von 8,97 Cent/‌Minute für die Zeit vom 1. April 2008 bis zum 31. März 2009 (Leistung V.1).

4 Mit Beschluss vom 30. November 2007 genehmigte die Bundesnetzagentur ein einheitliches Terminierungsentgelt in Höhe von lediglich 7,92 Cent/Minute mit einer Befristung zum 31. März 2009 und lehnte den Genehmigungsantrag der Klägerin im Übrigen ab: Das beantragte Entgelt habe auf der Grundlage des § 35 Abs. 3 TKG nur teilweise genehmigt werden können. Die vorgelegten Kostenunterlagen hätten für eine Prüfung anhand des Maßstabs der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung nicht ausgereicht. Gleichwohl sei von einer Versagung der Entgeltgenehmigung nach § 35 Abs. 3 Satz 3 TKG wegen der damit für die Klägerin und ihre Zusammenschaltungspartner verbundenen finanziellen Unsicherheiten abgesehen worden. Zwar habe ein Kostenmodell, das § 35 Abs. 1 TKG als alternative Methode zur Ermittlung der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung vorsehe, nicht zur Verfügung gestanden. Jedoch habe eine Vergleichsmarktbetrachtung, bei der es sich ebenfalls um eine alternative Kostenermittlungsmethode im Sinne des § 35 Abs. 1 TKG handele, durchgeführt werden können, und zwar eine solche im nationalen Rahmen, die einem internationalen Vergleich vorzuziehen sei. Als nationaler Vergleichsmarkt sei derjenige für Terminierungen im Mobilfunknetz der Betreiberin O2 herangezogen worden. Den auf diesem Markt maßgeblichen Preis stelle das Terminierungsentgelt dar, das O2 mit Beschluss vom gleichen Tag auf der Grundlage prüffähiger Kostenunterlagen für die Zeit vom 1. Dezember 2007 bis zum 31. März 2009 in Höhe von 8,80 Cent/Minute genehmigt worden sei. Von diesem Entgelt sei ein Abschlag in Höhe von 10 Prozent zu Lasten der Klägerin vorzunehmen, da O2 als E-Netz-Betreiberin im Vergleich mit der Klägerin als D-Netz-Betreiberin infolge unterschiedlicher Markteintrittsdaten (1998 und 1992) mit unterschiedlichen Frequenzerstausstattungen (1 800 MHz und 900 MHz) ein geringeres Terminierungsvolumen aufweise und deshalb mit höheren Stückkosten belastet sei.

5 Ebenfalls mit Beschlüssen vom 30. November 2007 genehmigte die Bundesnetzagentur auch die Entgelte der weiteren deutschen Mobilfunknetzbetreiber T-Mobile und E-Plus für den hier in Rede stehenden Genehmigungszeitraum auf Grund eines Tarifvergleichs mit dem Entgelt von O2.

6 Einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 35 Abs. 5 Satz 2 TKG i.V.m. § 123 Abs. 1 VwGO hat die Klägerin nicht gestellt. Die Verpflichtungsklage, mit der die Klägerin ihr Entgeltgenehmigungsbegehren weiterverfolgt, hat das Verwaltungsgericht zwar trotz des insoweit eingreifenden Rückwirkungsausschlusses nach § 35 Abs. 5 Satz 2 und 3 TKG für zulässig, jedoch aus folgenden Gründen für unbegründet erachtet: Die Bundesnetzagentur habe in dem angegriffenen Beschluss ausführlich und plausibel begründet, dass die von der Klägerin vorgelegten Kostenunterlagen für die Bestimmung der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung nicht ausgereicht hätten. Die Behörde habe indes in ermessensfehlerfreier Entscheidung den Entgeltgenehmigungsantrag der Klägerin nicht nach § 35 Abs. 3 Satz 3 TKG abgelehnt, sondern über diesen gestützt auf die Ermächtigung des § 35 Abs. 1 Satz 2 TKG entschieden. Dabei habe sie in fehlerfreier Ausübung des ihr nach § 35 Abs. 1 TKG zustehenden Auswahlermessens als alternative Methoden zur Ermittlung der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung eine nationale Vergleichsmarktbetrachtung, eine internationale Vergleichsmarktbetrachtung und die Anwendung eines Kostenmodells in Betracht gezogen, einleuchtende Gründe für das Fehlen eines Kostenmodells benannt und sich in nachvollziehbarer Weise für die erstgenannte Methode entschieden. Der Bundesnetzagentur seien bei der Anwendung der nationalen Vergleichsmarktbetrachtung keine Rechtsfehler unterlaufen. Eine Vergleichsmarktbetrachtung sei auch dann zulässig, wenn es sich bei dem Vergleichsmarkt - wie hier - um einen Monopolmarkt handele, dessen Preise nicht im freien Wettbewerb gebildet, sondern ex ante reguliert würden. Die Bundesnetzagentur habe das Entgelt für die Terminierungsleistung im Mobilfunknetz von O2 auf der Grundlage hinreichender Kostenunterlagen ermittelt. Dieses Entgelt sei für die entsprechende Leistung der Anrufzustellung auf einem Terminierungsmarkt mit weithin deckungsgleichen und im Übrigen in ihrer Unterschiedlichkeit erkannten, die Heranziehung als Vergleichsmarkt jedoch nicht ausschließenden Bedingungen tatsächlich erhoben worden. Selbst wenn die Bundesnetzagentur der Mobilfunknetzbetreiberin O2, wie von der Klägerin geltend gemacht, wegen eines zu niedrigen Kostenansatzes für den Erwerb der UMTS-Lizenz oder wegen eines zu niedrigen Kapitalkostenansatzes ein zu geringes Terminierungsentgelt genehmigt haben sollte, bedeute dies nicht, dass dieses Entgelt als untaugliche, weil zu schmale Basis für einen Preisvergleich angesehen werden müsse. Für die Vergleichsmarktbetrachtung komme es auf den im Genehmigungszeitraum tatsächlich geltenden Preis in Form des genehmigten Entgelts an und nicht auf die Kosten des Vergleichsunternehmens bzw. deren Berücksichtigungsfähigkeit im Rahmen der Entgeltgenehmigung. Ließe man für regulierte Vergleichsentgelte den Einwand der zu niedrigen Festsetzung zu, wäre die Vergleichsmarktbetrachtung keine praktisch taugliche Grundlage für eine Entgeltgenehmigung. Eine nachträgliche Veränderung des Vergleichsentgelts durch gerichtliche Entscheidung könne den Wettbewerb in dem zurückliegenden Genehmigungszeitraum nicht mehr beeinflussen. In dem Umstand, dass ein Unternehmen als Adressat einer Entgeltgenehmigung, die wegen nicht hinreichender Kostenunterlagen auf der Grundlage einer Vergleichsmarktbetrachtung ergangen sei, nicht mit Einwänden gegen die Höhe des herangezogenen Vergleichsentgelts gehört werde, liege keine unverhältnismäßige Einschränkung des in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG garantierten effektiven Rechtsschutzes. Denn das betroffene Unternehmen könne eine Präklusion seiner Einwendungen dadurch vermeiden, dass es sich im Entgeltgenehmigungsverfahren entsprechend seiner Verpflichtung aus § 33 TKG verhalte und der Bundesnetzagentur die Überprüfung der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung auf der Grundlage hinreichender Kostenunterlagen ermögliche. Die Frage, ob die Heranziehung des Vergleichsentgelts als eine dann zu schmale Basis ausnahmsweise ausscheiden müsse, wenn dessen Genehmigung offensichtlich rechtswidrig sei, könne auf sich beruhen, da hier ein solcher Fall nicht gegeben sei.

7 Durch den Abschlag in Höhe von 10 Prozent, den die Bundesnetzagentur zu Lasten der Klägerin auf das herangezogene Vergleichsentgelt angebracht habe, habe die Behörde im Rahmen ihres insoweit bestehenden Regulierungsermessens als Besonderheit des Vergleichsmarkts das im Vergleich mit der Klägerin als D-Netz(900 MHz)-Betreiberin geringere Terminierungsvolumen von O2 als E-Netz(1800 MHz)-Betreiberin berücksichtigt. Die in dieser Hinsicht bestehende Differenz sei auf die unterschiedlichen Marktanteile der betroffenen Unternehmen zurückzuführen und habe Auswirkungen auf die Höhe der Stückkosten. Die Bundesnetzagentur...

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