Beschluss vom 27.06.2019 - BVerwG 2 B 7.18

JurisdictionGermany
Judgment Date27 Junio 2019
Neutral CitationBVerwG 2 B 7.18
ECLIDE:BVerwG:2019:270619B2B7.18.0
Applied RulesBBesG 2002 §§ 27, 28,LBesG BW 2010 §§ 31 bis 36,AGG § 7 Abs. 1, § 15 Abs. 2 und 4, § 24 Nr. 1 und 2,VwGO § 86 Abs. 1 Satz 1, § 108 Abs. 1 und 2, § 132 Abs. 2 Nr. 1 bis 3,GG Art. 3 Abs. 1, Art. 33 Abs. 2, 4 und 5, Art. 97, 98 Abs. 3, Art. 103 Abs. 1,BBesG 2006 §§ 37, 38,RL 2000/78/EG Art. 2 Abs. 1 und 2, Art. 6 Abs. 1, Art. 17
Registration Date21 Agosto 2019
Record Number270619B2B7.18.0
Subject MatterBesoldungsrecht
CourtDas Bundesverwaltungsgericht
CitationBVerwG, Beschluss vom 27.06.2019 - 2 B 7.18

BVerwG 2 B 7.18

  • VG Stuttgart - 16.03.2016 - AZ: VG 8 K 4304/13
  • VGH Mannheim - 21.11.2017 - AZ: VGH 4 S 926/16

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 27. Juni 2019
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden und Dollinger
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 21. November 2017 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 109 196,16 € festgesetzt.
Gründe

1 Die auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Divergenz und Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO) gestützte Beschwerde des Klägers ist zulässig, aber unbegründet.

2 1. Den 1975 geborenen Kläger berief das beklagte Land 2006 zum Richter auf Probe. Dabei setzte der Beklagte das Besoldungsdienstalter des Klägers gemäß der damals geltenden Rechtslage auf den 1. März 2002 als den Beginn des Monats nach Vollendung des 27. Lebensjahres fest und stufte ihn in die dritte Lebensaltersstufe der Besoldungsgruppe R 1 ein. Im Jahr 2009 wurde der Kläger zum Staatsanwalt ernannt, mit Wirkung zum 1. Januar 2013 folgte seine Ernennung zum Richter am Landgericht.

3 Im Dezember 2012 - das maßgebliche Landesrecht war inzwischen auf eine Besoldung nach Erfahrungsstufen umgestellt - widersprach der Kläger seiner Besoldung der Höhe nach mit der Begründung, auch die Besoldung nach Erfahrungsstufen sei altersdiskriminierend. Er beantragte beim Beklagten rückwirkend die Besoldung aus der höchsten Stufe der Besoldungsgruppe R 1, hilfsweise eine höhere, nicht altersdiskriminierende Besoldung. Der Beklagte wies den Widerspruch zurück.

4 Das dagegen vom Kläger angestrengte Klageverfahren ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Begründung u.a. ausgeführt, dem Kläger stünden die geltend gemachten Ansprüche nicht zu. Er habe keinen Anspruch auf ein "festes Richtergehalt", ein Verbot einer Richterbesoldung nach Erfahrungsstufen gebe es nicht. Die dem Kläger gewährte Besoldung sei mit Verfassungs- und Unionsrecht vereinbar. Zwar habe es hinsichtlich der Anknüpfung an das Lebensalter für die erstmalige Zuordnung zu einer Lebensaltersstufe nach der Tabelle des Grundgehalts der Besoldungsgruppe R 1 im Jahr 2006 noch an einem gültigen Bezugssystem gefehlt. Ein Anspruch des Klägers auf ein festes Richtergehalt oder eine höhere Besoldung ergebe sich gleichwohl weder aus Art. 33 Abs. 5 GG unmittelbar, noch aus anderen Verfassungsprinzipien oder aus den §§ 35, 36 LBesG BW 2010 oder aus Unionsrecht. Dass seine Besoldung die amtsangemessene Alimentation unterschreite, habe der Kläger nicht substanziiert dargelegt; nach Maßgabe der aktuellen Rechtsprechung lägen dafür auch keine hinreichenden Anhaltspunkte vor.

5 Die Annahme des Klägers, das Bundesverfassungsgericht habe in seiner Rechtsprechung aus der "Einheit des Richteramts" einen "Grundsatz der festen Richterbesoldung" entwickelt, sei unzutreffend. Die Rechtsprechung zur Beamtenbesoldung sei trotz der Strukturunterschiede auf die Richterbesoldung übertragbar. Richter seien keine Beamten. Das habe zur Folge, dass die für Beamte übliche Beförderungsskala nach gestufter Verantwortung auf Richter nicht anwendbar sei und deshalb die Beförderung eines Richters ohne Aufgabenänderung ausgeschlossen sei. Das Bundesverfassungsgericht habe aber seine zur Beamtenbesoldung entwickelten Grundsätze auf diejenigen zur Richterbesoldung übertragen.

6 Auch aus den Stichtags- und Überleitungsregelungen der §§ 98, 100 LBesG BW ergebe sich nichts anderes. Von der Neuordnung der Besoldung gehe keine belastende Wirkung für den Kläger aus, weil ihm auch rückwirkend keine höhere Besoldung zugestanden habe. Die Stichtags- und Überleitungsvorschriften seien mit Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 33 Abs. 5 GG vereinbar. Denn das seit dem 1. Januar 2011 geltende Besoldungsrecht habe ein diskriminierungsfreies Besoldungssystem geschaffen, indem es die bisherige, am Lebensalter orientierte Stufenzuordnung durch eine altersunabhängige, an beruflichen Erfahrungswerten orientierte Zuordnung ersetzt habe.

7 Schließlich stehe dem Kläger auch der unionsrechtliche Haftungsanspruch nicht zu, weil es für die Zeit vor dem 8. September 2011 - d.h. für die Zeit vor der Verkündung des Urteils des EuGH in der Rechtssache Hennigs und Mai - an einem hinreichend qualifizierten Verstoß gegen das Unionsrecht fehle. Für die Zeit ab 2011 stehe das neue Besoldungsrecht des Beklagten mit Unionsrecht in Einklang.

8 2. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die ihr die Beschwerde zumisst.

9 Grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine - vom Beschwerdeführer zu bezeichnende - grundsätzliche, bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder einer Weiterentwicklung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf und die für die Entscheidung des Revisionsgerichts erheblich sein wird (stRspr, BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91 f.>). Das ist hier nicht der Fall.

10 Der Kläger sieht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache in folgenden Fragen:
a) "Verstößt § 38 BBesG in der Fassung vom 31.08.2006 gegen das Verbot der Altersdiskriminierung sowie gegen die hergebrachten Grundsätze des Richterrechts?" (Beschwerdeschrift Rn. 87).
b) "Ist Art. 23 GG dahingehend auszulegen, dass es der Anwendungsvorrang des Unionsrechts erfordert, bei einem Verstoß der Richterbesoldung gegen die unmittelbar anwendbare Richtlinie 2000/78/EG die nationale Regelung (§ 38 BBesG 2006) unionsrechtskonform so anzuwenden, dass alle Bezüge zum Lebensalter gestrichen werden und sich daraus ein Anspruch auf eine feste Besoldung aus dem Endgrundgehalt ergibt?" (Beschwerdeschrift Rn. 157).
c) "Liegt, solange der zuständige Landesgesetzgeber die in § 38 BBesG 2006 begründete Diskriminierung wegen Alters nicht beseitigt hat, ein hinreichender qualifizierter Verstoß gegen Art. 2 Absatz 1 und 2 der RL 2000/78/EG und/oder gegen Art. 21 Absatz 1 GRCh vor und löst dies Schadensersatzansprüche nach den Grundsätzen des unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs aus?" (Beschwerdeschrift Rn. 407).
d) "Folgt aus dem Grundsatz, dass bis zur Abhilfe der Ungleichbehandlung den Angehörigen der benachteiligten Gruppe dieselben Vorteile zu gewähren sind wie denjenigen der privilegierten Gruppe, im Falle der Richterbesoldung ein Anspruch nach den Grundsätzen des unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs oder nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz auf 'Anpassung nach oben'?" (Beschwerdeschrift Rn. 557).
e) "Verstößt die Richterbesoldung nach Erfahrungszeiten gemäß § 36 i.V.m. § 31 bis 34 LBesG BW gegen die Rechte aus Art. 33 Absatz 5 und Art. 3 Absatz 1 GG derjenigen Richter, die nicht nach dem Endgrundgehalt bezahlt werden?" (Beschwerdeschrift Rn. 581).
f) "Ist Art. 33 Absatz 5 GG dahingehend auszulegen, dass die zu beachtenden Grundsätze des Richterrechts eine entsprechend der Diensterfahrung abgestufte Besoldung von Richtern derselben Besoldungsgruppe trotz des weiten Gestaltungsspielraums des Besoldungsgesetzgebers ausschließen?" (Beschwerdeschrift Rn. 582).
g) "Ist Artikel 3 GG dahingehend auszulegen, dass trotz des weiten Gestaltungsspielraums des Besoldungsgesetzgebers Richter mit unterschiedlicher Diensterfahrung miteinander vergleichbar und deshalb gleich zu behandeln sind?" (Beschwerdeschrift Rn. 582).
h) "Ist Artikel 33 Absatz 5 GG weiter dahingehend auszulegen, dass der eine Erfahrungsbesoldung einführende Besoldungsgesetzgeber die Sachverhaltsermittlung für die Besoldungsmaßstäbe zu dokumentieren hat, auch wenn dies gemeinschaftsrechtlich nicht erforderlich ist, und die verfassungsrechtliche Prüfung von Rechtfertigungsgründen einer Ungleichbehandlung gemäß Artikel 3 GG hierauf zu beschränken ist?" (Beschwerdeschrift Rn. 582).
i) "Ist Artikel 98 Absatz 1 GG dahingehend auszulegen, dass bei einer strukturellen Neuausrichtung der Richterbesoldung von einer günstigen Anwendung neuer Besoldungsmaßstäbe, mit der eine Diskriminierung beseitigt werden würde, auf Richter abgesehen werden darf, wenn dies zu einem erheblichen Verwaltungsaufwand bei der Einordnung in die Besoldungstabelle führen würde, weil auch Beamte neu eingeordnet werden sollen?" (Beschwerdeschrift Rn. 1238).
j) "Begründen sich die Ansprüche des durch ein Gesetz wegen des Alters diskriminierten Beamten oder Richters auf § 7 AGG oder auf § 15 AGG?" (Beschwerdeschrift Rn. 1379).
k) "Beginnt die Ausschlussfrist des § 15 Absatz 4 AGG bei einem Dauertatbestand mit der Kenntnis des Beschäftigten oder erst mit der Beendigung der Diskriminierung?" (Beschwerdeschrift Rn. 1415).
l) "Ist die Richtlinie 2000/78/EG dahingehend auszulegen, dass sie einer nationalen Vorschrift wie § 15 Absatz 1 AGG entgegensteht, die den Anspruch auf Entschädigung von einem Verschulden des Arbeitgebers abhängig macht, jedenfalls wenn es sich bei dem Arbeitgeber um den Mitgliedstaat handelt?" und
"Falls ja, welcher Maßstab an das Vertretenmüssen der Pflichtverletzung im Sinn von § 15 Absatz 1 Satz 2 AGG (ist) bei Behauptung eines Rechtsirrtums anzulegen?" (Beschwerdeschrift Rn. 1489).

11 Die aufgeworfenen Fragen sind, soweit sie entscheidungserheblich und klärungsbedürftig sind, durch die Rechtsprechung...

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