BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 2821/16 -
über
die Verfassungsbeschwerde
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des Herrn (…), |
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des (…) e.V., vertreten durch: (…), |
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des Herrn (…), |
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des Herrn (…), |
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des Herrn (…), |
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des Herrn (…), |
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des Herrn (…), |
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des Herrn (…), |
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des (…) e.V., vertreten durch: (…), |
- Bevollmächtigte:
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1. (…)
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2. Rechtsanwalt (…) -
gegen |
Artikel 5 sowie Artikel 1 Ziffer 9 des Gesetzes zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten vom 10. Dezember 2015 (Bundesgesetzblatt I Seite 2218) |
hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
die Richter Paulus,
Christ
und die Richterin Härtel
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der
Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)
am 30. März 2022 einstimmig beschlossen:
- Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen
I.
Die Beschwerdeführer wenden sich mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen die 2015 eingeführten Rechtsnormen des § 202d StGB (Datenhehlerei) und § 97 Abs. 2 Satz 3 StPO a.F. (seit 2017 im Wesentlichen § 97 Abs. 2 Satz 2 StPO n.F.). Sie sind natürliche Personen und Vereine, die selbst oder unterstützend investigativ journalistisch tätig sind, und rügen eine Verletzung der Presse- und Rundfunkfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG, des allgemeinen Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG, der Freiheit der Berufsausübung aus Art. 12 Abs. 1 GG sowie des strafrechtlichen Bestimmtheitsgebots aus Art. 103 Abs. 2 GG.
1. Die Beschwerdeführer tragen vor, im Rahmen ihrer Tätigkeit auf Informationen von sogenannten Whistleblowern angewiesen zu sein, die regelmäßig in Form von Daten an sie herangereicht würden. Aufgrund der Einführung des Straftatbestands der Datenhehlerei, § 202d StGB, sowie der Änderung des § 97 Abs. 2 StPO würde ihre Tätigkeit erschwert, sie selbst und Dritte, die an der Erstellung investigativ journalistischer Veröffentlichungen ebenfalls beteiligt seien, von ihr abgehalten und unter Strafe gestellt.
2. Die angegriffenen Vorschriften lauten in ihrer aktuellen Version wie folgt:
§ 202d StGB - Datenhehlerei
(1) Wer Daten (§ 202a Absatz 2), die nicht allgemein zugänglich sind und die ein anderer durch eine rechtswidrige Tat erlangt hat, sich oder einem anderen verschafft, einem anderen überlässt, verbreitet oder sonst zugänglich macht, um sich oder einen Dritten zu bereichern oder einen anderen zu schädigen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Die Strafe darf nicht schwerer sein als die für die Vortat angedrohte Strafe.
(3) 1 Absatz 1 gilt nicht für Handlungen, die ausschließlich der Erfüllung rechtmäßiger dienstlicher oder beruflicher Pflichten dienen. 2 Dazu gehören insbesondere
1. solche Handlungen von Amtsträgern oder deren Beauftragten, mit denen Daten ausschließlich der Verwertung in einem Besteuerungsverfahren, einem Strafverfahren oder einem Ordnungswidrigkeitenverfahren zugeführt werden sollen, sowie
2. solche beruflichen Handlungen der in § 53 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 der Strafprozessordnung genannten Personen, mit denen Daten entgegengenommen, ausgewertet oder veröffentlicht werden.
§ 97 StPO - Beschlagnahmeverbot
(1) Der Beschlagnahme unterliegen nicht […].
(2) 1 Diese Beschränkungen gelten nur, wenn die Gegenstände im Gewahrsam der zur Verweigerung des Zeugnisses Berechtigten sind, es sei denn, es handelt sich um eine elektronische Gesundheitskarte im Sinne des § 291a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch. 2 Die Beschränkungen der Beschlagnahme gelten nicht, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass die zeugnisverweigerungsberechtigte Person an der Tat oder an einer Datenhehlerei, Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei beteiligt ist, oder wenn es sich um Gegenstände handelt, die durch eine Straftat hervorgebracht oder zur Begehung einer Straftat gebraucht oder bestimmt sind oder die aus einer Straftat herrühren.
[…].
3. Die Beschwerdeführer sind der Ansicht, ihre Verfassungsbeschwerde sei zulässig und begründet, da ihre Tätigkeit von § 202d StGB pönalisiert würde, das Risiko von Strafermittlungsverfahren gegen sie bestehe und aufgrund abschreckender Wirkungen Dritten gegenüber insgesamt eine Behinderung ihrer journalistischen Tätigkeit drohe. Die an der vorliegenden Verfassungsbeschwerde beteiligten Beschwerdeführer seien aufgrund ihrer investigativen journalistischen Tätigkeiten regelmäßig mit Datensätzen aus rechtswidrigen Quellen konfrontiert, die regelmäßig aus sogenannten „Datenleaks“ stammten.
Als typisches Beispiel der durch die Einführung der angegriffenen Vorschriften pönalisierten beruflichen Tätigkeit nennen die Beschwerdeführer etwa eine Recherche und Veröffentlichung aus dem Jahr 2015 zu einem Onlineportal zur Partnersuche mit zugehöriger App. Es sei einem der Beschwerdeführer ein aus 50 Gigabyte an Daten bestehendes Archiv zugespielt worden. Aus diesem habe sich ergeben, dass die Kommunikation mit angeblich auf Partnersuche befindlichen Personen über die App erst nach Zahlung eines Betrags möglich gewesen sei und dass spezielle Computerprogramme gezielt dazu verwendet worden seien, Nutzerinnen der Plattform zu simulieren und somit Nutzer systematisch dazu zu verleiten, gegen Zahlung von Geldbeträgen mit den vermeintlich real existierenden Frauen zu kommunizieren.
Der Beschwerdeführer zu 4) sei neben seiner redaktionellen Tätigkeit im Hörfunk als Ausbilder für junge Journalistinnen und Journalisten auf dem Gebiet der investigativen Recherche tätig. In beiden Funktionen erhalte er regelmäßig „geleakte“ Daten.
4. Die Verfassungsbeschwerde sei zulässig, so die Beschwerdeführer. Insbesondere liege die Beschwerdebefugnis vor, da sie von den angegriffenen Vorschriften selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen seien. Durch die Ausübung ihrer journalistischen Tätigkeit gingen sie ein erhebliches Risiko ein, sich nach § 202d StGB strafbar zu machen. So erhielten sie im Rahmen ihrer Tätigkeit nicht allgemein zugängliche Daten zugespielt, die für sie erkennbar auf rechtswidrige Art und Weise erlangt worden seien. Diese Daten erhielten die Beschwerdeführer in der Regel nicht unmittelbar von der „undichten Stelle“, so dass das vom Tatbestand des § 202d StGB vorausgesetzte Dreiecksverhältnis vorliege. Ob sich die Beschwerdeführer die Daten als bloße Empfänger verschafften, könne dahinstehen. Jedenfalls überließen sie die Daten häufig anderen Journalisten oder externen Experten zum Zweck der Unterstützung bei der jeweiligen Recherche. Insoweit komme die Begehungsvariante des Verbreitens oder Zugänglichmachens in Betracht. Sie handelten zudem mit Schädigungsabsicht, da sie Missstände aufdecken...