Urteil Nr. B 11 AL 6/20 R des Bundessozialgericht, 2021-05-12

Judgment Date12 Mayo 2021
ECLIDE:BSG:2021:120521UB11AL620R0
Judgement NumberB 11 AL 6/20 R
CourtDer Bundessozialgericht (Deutschland)
Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs bei Arbeitsentgelt - Unterhaltsbeihilfe eines Rechtsreferendars - öffentlich-rechtliches Ausbildungsverhältnis - Arbeitsentgelt - Weitergewährung für den laufenden Monat der zweiten juristischen Staatsprüfung - Beendigung des öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnisses mit Bestehen der zweiten Staatsprüfung
Leitsätze

Der Bezug von Unterhaltsbeihilfe über das Ende des Rechtsreferendariats hinaus bis zum Ende des Examensmonats führt nicht zum Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 14. Juli 2020 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten auch des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

Das Revisionsverfahren betrifft die Frage, ob der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld (Alg) zwischen dem 8. und 30.9.2015 wegen der Fortzahlung von Unterhaltsbeihilfe nach Ablegung des zweiten juristischen Staatsexamens ruhte.

Der Kläger absolvierte ab dem 2.9.2013 ein Rechtsreferendariat in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis zum Land Niedersachsen. Er bestand das zweite juristische Staatsexamen am 7.9.2015. Am 8.9.2015 meldete sich der Kläger bei der Beklagten persönlich arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Alg. Die Oberfinanzdirektion Niedersachsen bescheinigte die letztmalige Auszahlung eines "beitragspflichtigen Bruttoarbeitsentgelts" für den Zeitraum vom 1. bis zum 7.9.2015 in Höhe von 260,73 Euro sowie ein "Arbeitsentgelt über das Beschäftigungsverhältnis hinaus" für die Zeit "bis einschließlich: 30.09.2015 (856,70 )" (Arbeitsbescheinigung vom 23.9.2015).

Die Beklagte lehnte den Antrag auf Alg wegen des Ruhens des Alg-Anspruchs des Klägers für den Zeitraum vom 8. bis zum 30.9.2015 gemäß § 157 SGB III ab (Bescheid vom 1.10.2015). Der Kläger habe vom Arbeitgeber noch bis einschließlich 30.9.2015 Arbeitsentgelt erhalten. Solange ruhe der Anspruch. Mit gesondertem Bescheid bewilligte die Beklagte dem Kläger Alg für den Zeitraum vom 1.10.2015 bis zum 30.9.2016 (Bescheid vom 2.10.2015).

Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 1.10.2015 zurück (Widerspruchsbescheid vom 14.10.2015). Es sei zusätzlich zum bescheinigten Arbeitsentgelt in Höhe von 260,73 Euro für den Zeitraum vom 1. bis zum 7.9.2015 Arbeitsentgelt auch für die Zeit bis einschließlich 30.9.2015 in Höhe von 856,70 Euro gezahlt worden. Die Gesamtsumme in Höhe von 1117,43 Euro entspreche dem seit Juni 2015 erhaltenen monatlichen Arbeitsentgelt.

Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 20.6.2017). Der Anspruch auf Alg ruhe gemäß § 157 Abs 1 SGB III. Die Ausbildung des Klägers habe mit dem Tag der Bekanntgabe des Bestehens der zweiten Staatsprüfung geendet, dem Kläger habe aber auch für die Zeit nach Beendigung der Ausbildung bis zum Monatsende die den Referendaren gewährte Unterhaltsbeihilfe zugestanden. An der somit für den gesamten Monat vom Land Niedersachsen geschuldeten Unterhaltsbeihilfe, die einem Arbeitsentgelt iS des § 157 Abs 1 SGB III entspreche, ändere sich auch nichts dadurch, dass der Kläger aufgrund der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses ab dem 8.9.2015 nicht mehr zur Erbringung einer Arbeitsleistung verpflichtet gewesen sei.

Das LSG hat auf die vom SG zugelassene Berufung das Urteil des SG aufgehoben und die Beklagte unter Änderung der Bescheide der Beklagten vom 1. und 2.10.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.10.2015 verpflichtet, dem Kläger Alg für die Zeit vom 8.9.2015 bis zum 30.9.2015 in Höhe von kalendertäglich 25,49 Euro zu bewilligen (Urteil vom 14.7.2020). Der Alg-Anspruch habe zwischen dem 8.9. und 30.9.2015 nicht geruht. § 157 Abs 1 SGB III erfasse nur Ansprüche, die sich auf Zeiträume beziehen, in denen faktisch keine Beschäftigung ausgeübt werde, jedoch rechtlich ein Arbeitsverhältnis bestehe. Für den Streitzeitraum habe der Kläger aber aufgrund der mit dem Bestehen des zweiten juristischen Staatsexamens eingetretenen Beendigung nicht in einem Ausbildungs- bzw Arbeitsverhältnis gestanden. Für den streitigen Zeitraum seien auch nicht die Ruhensvoraussetzungen des § 158 SGB III erfüllt.

Hiergegen richtet sich die vom LSG zugelassene Revision der Beklagten. Sie rügt eine Verletzung des § 157 Abs 1 SGB III iVm § 14 Abs 1 Satz 1 SGB IV. Das LSG sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass von § 157 SGB III nur Ansprüche umfasst sein könnten, die sich auf Zeiträume bezögen, in denen faktisch keine Beschäftigung ausgeübt werde, jedoch rechtlich ein Arbeitsverhältnis bestanden habe. § 157 SGB III bezwecke, den Bezug von Doppelleistungen auszuschließen. Zweck der Unterhaltsbeihilfe sei aber die Sicherung der finanziellen Lebensgrundlage für einen besonderen Personenkreis für einen jeweils von vorneherein begrenzten Zeitraum ab Ausscheiden aus dem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis bis zum Ende des laufenden Monats.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 14. Juli 2020 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 20. Juni 2017 zurückzuweisen.

Der Kläger hat sich nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Das LSG hat zu Recht unter Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung einen Anspruch des Klägers auf Gewährung von Alg für die Zeit vom 8. bis 30.9.2015 bejaht.

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind neben den vorinstanzlichen Entscheidungen die Bescheide vom 1.10.2015 und 2.10.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.10.2015 (§ 95 SGG). Der "Ruhensbescheid" vom 1.10.2015 und der Bewilligungsbescheid vom 2.10.2015 bilden eine Einheit (vgl zum Sperrzeitrecht BSG vom 13.3.2018 - B 11 AL 12/17 R - BSGE 125, 170 = SozR 4-4300 § 159 Nr 5, RdNr 10; BSG vom 27.6.2019 - B 11 AL 17/18 R - BSGE 128, 262 = SozR 4-4300 § 159 Nr 8, RdNr 13). Daher ist es unschädlich, dass der Kläger Widerspruch (und später Klage) nur gegen den Ruhensbescheid vom 1.10.2015 erhoben hat.

2. Der Entscheidung des Senats steht nicht entgegen, dass die dem Kläger gewährte Unterhaltsbeihilfe ihren Rechtsgrund im nicht revisiblen Landesrecht hat. Dies gilt schon deshalb, weil das hier einschlägige Landesrecht auf § 60 BBesG und damit auf revisibles Bundesrecht (§ 162 SGG) verweist. In der...

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