Urteil Nr. B 12 R 11/19 R des Bundessozialgericht, 2020-05-12

Judgment Date12 Mayo 2020
ECLIDE:BSG:2020:120520UB12R1119R0
Judgement NumberB 12 R 11/19 R
CourtDer Bundessozialgericht (Deutschland)
Tenor

Die Revisionen der Kläger gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 24. April 2019 werden zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger in seiner Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH (Klägerin) aufgrund Beschäftigung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.

Der Kläger gründete gemeinsam mit R (R.) durch notariell beurkundeten Gesellschaftsvertrag vom 23.10.2013 die klagende GmbH. An deren Stammkapital von 25 000 Euro waren der Kläger zu 90 vH (22 500 Euro) und R. zu 10 vH (2500 Euro) beteiligt. Für die Beschlussfassung genügte die einfache Mehrheit aller Stimmen; lediglich die Änderung des Gesellschaftsvertrages bedurfte einer Mehrheit von 75 vH.

In einem ebenfalls am 23.10.2013 notariell beurkundeten Treuhandvertrag ist bestimmt, dass der Kläger als Treuhänder Geschäftsanteile im Nennbetrag von 15 000 Euro (60 vH) für K und von 5000 Euro (20 vH) für B als Treugeber treuhänderisch verwalten soll. Ferner ist geregelt, dass der Treuhänder diese Geschäftsanteile "an den dies annehmenden Treugeber" anbietet und sie "aufschiebend bedingt auf die vollständige Zahlung des Kaufpreises […] und die Beendigung des Treuhandvertrages an den dies annehmenden Treugeber" abtritt. Der Treuhänder ist verpflichtet, die Rechte und Pflichten der Treugeber in Bezug auf den jeweiligen Geschäftsanteil nach deren Anweisungen auszuüben und darf über die Geschäftsanteile der Treugeber nur nach deren vorheriger Zustimmung verfügen. Der Treuhänder hat die Treugeber unwiderruflich bevollmächtigt, die treuhänderisch gehaltenen Geschäftsanteile sowie die Rechte daran an sich selbst oder einen Dritten abzutreten.

Der Kläger wurde zum Geschäftsführer der Klägerin bestellt. Der insoweit am 6.12.2013 mit Wirkung zum 1.12.2013 zustande gekommene Dienstvertrag sieht vor, dass der Kläger die Geschäfte ua nach den von der Gesellschafterversammlung erteilten Weisungen führt (§ 1 Nr 5), über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgehende Geschäfte der vorherigen Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedürfen (§ 1 Nr 6), er ein jährliches Grundgehalt von 72 000 Euro brutto, zahlbar in 12 Monatsgehältern, erhält (§ 3 Nr 1) sowie Anspruch auf Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall (§ 5), Reisekostenvergütung (§ 6 Nr 2) und Jahresurlaub von 30 Arbeitstagen (§ 7 Nr 1) hat.

Auf den Statusfeststellungsantrag der Kläger stellte die beklagte Deutsche Rentenversicherung Bund fest, dass der Kläger die Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin seit dem 1.12.2013 nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe und insoweit keine Versicherungspflicht in der GRV, gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), sozialen Pflegeversicherung (sPV) und nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe (Bescheide vom 7.5.2014; Widerspruchsbescheide vom 19.11.2014).

Das SG hat die Bescheide abgeändert und die Versicherungspflicht in der GRV sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung festgestellt. Im Übrigen hat es die Klagen abgewiesen (Urteil vom 14.9.2017). Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das Urteil des SG geändert und die Klagen (insgesamt) abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, wegen seines Anteils von 90 vH am Stammkapital habe der Kläger maßgebenden Einfluss auf die GmbH. Hieran ändere auch der Treuhandvertrag nichts. Allein der Kläger sei vollberechtigter und vollverpflichteter Gesellschafter. Über ein schuldrechtliches Weisungsrecht hinausgehende Umstände seien nicht gegeben. Es liege allein in der Hand des Klägers, ob er die Weisungen der Treugeber befolge. Auch die im Treuhandvertrag geregelte Erwerbsoption führe nicht zu einer Rechtsmachtverschiebung zu Lasten des Klägers. Die aufschiebende Bedingung der Beendigung des Treuhandvertrages sei bislang nicht eingetreten (Urteil vom 24.4.2019).

Mit ihren Revisionen rügen die Kläger die Verletzung der §§ 2, 7 und 7a Abs 1 SGB IV sowie der §§ 15, 37 und 46 GmbHG. Der Kläger habe seine Geschäftsführertätigkeit nicht frei ausüben können, sondern sei durch den Dienstvertrag arbeitsvertragstypisch gebunden gewesen. Auch die Regelung des Treuhandvertrages über die antizipierte Abtretung von Gesellschaftsanteilen im Falle eines treuhandvertragswidrigen Verhaltens des Treuhänders verdeutliche das abhängige Beschäftigungsverhältnis. Der Übergang des GmbH-Geschäftsanteils sei dinglich geregelt. Die Treugeber hätten im Falle eines treuhandvertragswidrigen Verhaltens des Klägers die Möglichkeit gehabt, den Übergang des Eigentums an den jeweiligen Gesellschaftsanteilen eintreten zu lassen. Dem Kläger wäre dann nur ein Gesellschaftsanteil von 10 vH geblieben.

Die Kläger beantragen,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 24. April 2019 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 14. September 2017 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,
die Revisionen der Kläger zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Die Beigeladenen stellen keine Anträge.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).

Entscheidungsgründe

Die Revisionen der Kläger sind unbegründet. Zu Recht hat das LSG das Urteil des SG geändert und die Klagen (insgesamt) abgewiesen. Die Bescheide der Beklagten vom 7.5.2014 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 19.11.2014 sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten. In der Zeit vom 1.12.2013 (Beginn des Geschäftsführerdienstvertrages) bis zum 24.4.2019 (Tag der mündlichen Verhandlung vor dem LSG) unterlag der Kläger in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der Klägerin nicht aufgrund Beschäftigung der Versicherungspflicht in der GRV und nach dem Recht der Arbeitsförderung. Nicht mehr streitig ist die (fehlende) Versicherungspflicht in der GKV und sPV. Insoweit ist das die Klage abweisende Urteil des SG mangels Berufungseinlegung durch die Kläger rechtskräftig geworden (vgl § 141 SGG). Nach den für die Statusbeurteilung geltenden Maßstäben (dazu 1.) unterlag der Kläger aufgrund seiner gesellschaftsrechtlichen Rechtsmacht als Mehrheitsgesellschafter der GmbH nicht infolge Beschäftigung der Sozialversicherungspflicht (dazu 2.). Dem steht der Treuhandvertrag nicht entgegen (dazu 3.).

1. Im streitigen Zeitraum unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der GRV und nach dem Recht der...

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