Urteil Nr. B 12 KR 13/18 R des Bundessozialgericht, 2019-02-26

Judgment Date26 Febrero 2019
ECLIDE:BSG:2019:260219UB12KR1318R0
Judgement NumberB 12 KR 13/18 R
CourtDer Bundessozialgericht (Deutschland)
Kranken- und Pflegeversicherung - Beitragspflicht von Kapitalleistungen aus einer als Direktversicherung abgeschlossenen Lebensversicherung - Betriebseinstellung - Gewerbeabmeldung - betriebliche Altersversorgung - beitragsrechtliche Privilegierung sogenannter "Riesterrentner" durch Artikel 4 BetrRStärkG - Verfassungsmäßigkeit
Leitsätze

Der institutionelle Rahmen des Betriebsrentenrechts bleibt bei einer vom Arbeitgeber abgeschlossenen und nicht vom Arbeitnehmer als Versicherungsnehmer weitergeführten Direktversicherung auch nach einer Betriebseinstellung oder Gewerbeabmeldung erhalten.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 24. Juli 2018 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Erhebung von Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und zur sozialen Pflegeversicherung (sPV) auf die Kapitalleistung aus einer Direktversicherung streitig.

Die im September 1948 geborene Klägerin ist bei der beklagten AOK in der Krankenversicherung der Rentner kranken- und bei der beigeladenen Pflegekasse pflegeversichert. Für sie schloss ihr Ehemann als Arbeitgeber im Oktober 1982 im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung eine Lebensversicherung als Direktversicherung bei der Rechtsvorgängerin der S. ab. Nachdem das Unternehmen seine Tätigkeit im Jahr 1992 eingestellt und daraufhin das Arbeitsverhältnis der Klägerin geendet hatte, zahlte sie selbst die Versicherungsbeiträge. Nach der Gewerbeabmeldung im Jahr 1997 wurde die Klägerin zum 1.8.2006 Versicherungsnehmerin der Direktlebensversicherung. Aus dieser Versicherung erhielt sie am 29.8.2013 eine Kapitalleistung in Höhe von 25 297,60 Euro. Hiervon entfallen 12 778,79 Euro auf die bis zur Gewerbeabmeldung und 20 074,42 Euro auf die bis zum Wechsel der Versicherungsnehmereigenschaft gezahlten Beiträge.

Die beklagte Krankenkasse setzte - auch im Namen der beigeladenen Pflegekasse - für die Zeit ab 1.9.2013 monatliche Beiträge zur GKV sowie sPV in Höhe von insgesamt 55,51 Euro fest. Dabei legte sie als Bemessungsgrundlage ua ein Einhundertzwanzigstel von 20 074,42 Euro (167,29 Euro) zugrunde (Bescheid vom 19.11.2013, Widerspruchsbescheid vom 21.5.2014). Für die Zeit ab 1.1.2015 wurden die Beiträge auf 56,14 Euro monatlich festgesetzt (Bescheid vom 28.1.2015).

Die auf Verbeitragung derjenigen Kapitalleistung gerichtete Klage, die auf den bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Jahr 1992, hilfsweise bis zur Gewerbeabmeldung im Jahr 1997 gezahlten Beiträgen beruht, hat das SG Stade abgewiesen (Urteil vom 29.9.2015). Nachdem im Berufungsverfahren die Beiträge zur GKV und sPV für die Zeit ab 1.1.2017 auf 56,78 Euro monatlich festgesetzt worden waren (Bescheid vom 14.1.2017), hat das LSG Niedersachsen-Bremen die Berufung zurückgewiesen. Nur Kapitalleistungen einer Direktversicherung, die auf Beitragszahlungen eines Arbeitnehmers als Versicherungsnehmer beruhten, seien nach der Rechtsprechung des BVerfG nicht beitragspflichtig. In die Stellung des Versicherungsnehmers sei die Klägerin erst zum 1.8.2006 eingerückt. Eine eventuelle Ungleichbehandlung dadurch, dass § 229 Abs 1 S 1 Nr 5 SGB V seit 1.1.2018 sog "Riesterrenten" von der Beitragspflicht ausnehme, sei gerechtfertigt. Zweck der Riesterförderung im Bereich der betrieblichen Altersversorgung sei es, Geringverdienern die Möglichkeit einer zusätzlichen Altersvorsorge zu eröffnen und damit Altersarmut zu vermeiden .

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 229 Abs 1 S 1 Nr 5 SGB V und des Art 3 Abs 1 GG. Beiträge dürften nur auf den Teil der Kapitalleistung erhoben werden, der auf den Beitragszahlungen bis 1992 oder allenfalls bis 1997 beruhe. Der frühere Arbeitgeber habe mit der faktischen Betriebseinstellung, spätestens mit der Gewerbeabmeldung nicht mehr existiert. Damit sei die Eigenschaft als Versicherungsnehmer entfallen und auf sie übergegangen. Ungeachtet dessen seien bereits Beiträge aus ihrem Arbeitseinkommen gezahlt worden. Ein die Ungleichbehandlung gegenüber einer riestergeförderten betrieblichen Altersversorgung rechtfertigender Grund liege nicht vor. Die Riesterförderung sei nicht auf ein bestimmtes Einkommen beschränkt und nicht mit anderen Versicherungen der betrieblichen Altersversorgung vergleichbar.

Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 24. Juli 2018 und des Sozialgerichts Stade vom 29. September 2015 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 19. November 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Mai 2014 und der Änderungsbescheide vom 28. Januar 2015 und 14. Januar 2017 insoweit aufzuheben, als Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung aus der Kapitallebensversicherung bei der S. (Nr .) festgesetzt worden sind, die auf nach 1992, hilfsweise nach 1997 gezahlten Beiträgen beruht.

Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 SGG). Das LSG hat deren Berufung gegen das die Klage abweisende Urteil des SG zu Recht zurückgewiesen. Die angefochtenen Bescheide vom 19.11.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.5.2014 sowie der Änderungsbescheide vom 28.1.2015 und 14.1.2017 (§§ 96, 153 Abs 1 SGG) sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagte hat die Beiträge zur GKV und sPV für die Zeit ab 1.9.2013 zutreffend dem Grunde und der Höhe nach festgesetzt (dazu 1.). Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 3 Abs 1 GG liegt nicht vor (dazu 2.).

1. Bei in der GKV pflichtversicherten Rentnern - wie der Klägerin - werden nach § 237 S 1 Nr 2 und S 2 SGB V in der Fassung des Gesundheits-Reformgesetzes (GRG) vom 20.12.1988 (BGBl I 2477) in Verbindung mit § 57 Abs 1 S 1 SGB XI in der Fassung des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26.3.2007 (BGBl I 378) der Beitragsbemessung der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen zugrunde gelegt. Als der Rente vergleichbare Einnahmen (Versorgungsbezüge) gelten nach § 229 Abs 1 S 1 Nr 5 SGB V in der Fassung des GRG (aaO) "Renten der betrieblichen Altersversorgung", soweit sie wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt werden. Tritt an die Stelle der Versorgungsbezüge eine nicht regelmäßig wiederkehrende Leistung oder ist eine solche Leistung vor Eintritt des Versicherungsfalls vereinbart oder zugesagt worden, gilt nach § 229 Abs 1 S 3 SGB V in der seit 1.1.2004 geltenden Fassung des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz - GMG) vom 14.11.2003 (BGBl I 2190) ein...

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