Urteil Nr. B 12 KR 17/18 R des Bundessozialgericht, 2019-02-26

Judgment Date26 Febrero 2019
ECLIDE:BSG:2019:260219UB12KR1718R0
Judgement NumberB 12 KR 17/18 R
CourtDer Bundessozialgericht (Deutschland)
Leitsätze

Die Beitragspflicht auf Einmalzahlungen der betrieblichen Altersversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung verstößt nicht wegen der beitragsrechtlichen Privilegierung betrieblicher "Riesterrenten" durch das Betriebsrentenstärkungsgesetz (juris: BetrRStärkG) gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 24. Juli 2018 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Erhebung von Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und zur sozialen Pflegeversicherung (sPV) auf die Kapitalleistung einer Direktversicherung streitig.

Der am ...1947 geborene Kläger bezieht eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung und eine Betriebsrente der R. GmbH. Er ist seit 1.3.2012 bei der beklagten Krankenkasse in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) gesetzlich kranken- und bei der beigeladenen Pflegekasse pflegeversichert. Zuvor war er wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze freiwillig versichert.

Seine frühere Arbeitgeberin, die L. GmbH, schloss 1997 für ihn als Maßnahme einer betrieblichen Altersversorgung eine Lebensversicherung als Direktversicherung innerhalb eines Gruppenversicherungsvertrags mit Kapitalauszahlung ab (Vertrag Nr ...). Die Beiträge leitete sie einmal jährlich aus dem Entgelt des Klägers an die A. AG weiter. Versicherungsnehmerin war durchgehend die Arbeitgeberin des Klägers. Im Dezember 2011 wurde ihm eine Kapitalleistung von 36 138 Euro ausgezahlt.

Die beklagte Krankenkasse setzte auch im Namen der beigeladenen Pflegekasse für die Zeit ab 1.3.2012 Beiträge zur GKV von 46,68 Euro und zur sPV von 6,63 Euro (gesamt 53,31 Euro) monatlich fest. Dabei legte sie 1/120 des ausgezahlten Betrags zugrunde (Bescheid vom 3.4.2012; Widerspruchsbescheid vom 6.2.2013). In den Folgejahren wurden die Beiträge jeweils zum 1. Januar neu festgesetzt (Bescheide vom 20.2.2013, 28.12.2014, 22.12.2015, 2.1.2017 und 5.1.2018).

Das SG Braunschweig hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 3.12.2015). Das LSG Niedersachsen-Bremen hat die Berufung zurückgewiesen. Die Beklagte habe § 237 S 1 Nr 2 und S 2, § 226 Abs 1 S 1 Nr 3 sowie § 229 Abs 1 S 1 Nr 5 SGB V unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG zutreffend angewandt. Eine eventuelle Ungleichbehandlung dadurch, dass § 229 Abs 1 S 1 Nr 5 SGB V seit 1.1.2018 sog Riesterrenten von der Beitragspflicht ausnehme, sei gerechtfertigt. Zweck der Riesterförderung im Bereich der betrieblichen Altersversorgung sei es, Geringverdienern die Möglichkeit einer zusätzlichen Altersvorsorge zu eröffnen. Auch die Neufassung des § 82 SGB XII belege das legitime Ziel des Gesetzgebers, Altersarmut zu vermeiden (Urteil vom 24.7.2018).

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung von §§ 237, 229 Abs 1 Nr 5 SGB V und des Art 3 Abs 1 GG. Er ist der Auffassung, bei der ihm ausgezahlten Direktversicherung handele es sich nicht um eine Leistung der betrieblichen Altersversorgung. Ungeachtet dessen habe die Arbeitgeberin die Beiträge und die darauf entfallende Lohnsteuer vom Nettolohn abgezogen. Wegen des oberhalb der Entgeltgrenze erzielten Arbeitsentgelts habe er in der Ansparphase nicht von der Beitragsfreiheit in der GKV profitiert. Die Anknüpfung des LSG an einen Zusammenhang zwischen dem Erwerb der Leistung aus der Lebensversicherung und der Berufstätigkeit beruhe auf verfassungswidriger Rechtsprechung des BSG. Betriebs- und Riesterrentner würden ungerechtfertigt ungleich behandelt. Das angefochtene Urteil verstoße unter dem Aspekt des Vertrauensschutzes und des Rückwirkungsverbots gegen Art 20 Abs 3 GG, denn er habe auf den Bestand der Rechtsprechung des BSG zur Beitragsfreiheit von Direktversicherungen vertraut. Die Direktversicherung sei bereits 1997 und damit vor dem 1.1.2004 abgeschlossen worden.

Der Kläger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 24. Juli 2018 und des Sozialgerichts Braunschweig vom 3. Dezember 2015 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 3. April 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Februar 2013 und der Änderungsbescheide vom 20. Februar 2013, 28. Dezember 2014, 22. Dezember 2015, 2. Januar 2017 und 5. Januar 2018 insoweit aufzuheben, als darin Beiträge auf die Kapitalleistung aus der Lebensversicherung bei der A. AG (VersNr 6/656186/4) festgesetzt werden.

Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 SGG). Das LSG hat die Berufung gegen das die Klage abweisende Urteil des SG zu Recht zurückgewiesen. Der Bescheid vom 3.4.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6.2.2013 sowie die Änderungsbescheide vom 20.2.2013, 28.12.2014, 22.12.2015, 2.1.2017 und 5.1.2018 (§§ 96, 153 Abs 1 SGG, § 48 Abs 1 S 1 SGB X) sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Dabei war hinsichtlich des mit Bescheid vom 20.2.2013 für Januar 2013 erhöhten Beitrags zur sPV nicht mehr zu entscheiden, nachdem die Beklagte den Verwaltungsakt insoweit in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zurückgenommen und der Kläger dieses Teilanerkenntnis angenommen hat (§ 101 Abs 2 SGG).

Die Beklagte hat - auch im Namen der Beigeladenen - der Beitragsbemessung zu Recht die auf 120 Monate verteilte Einmalzahlung der A. AG zugrunde gelegt. Die Voraussetzungen der Beitragspflicht liegen vor (dazu 1.). Die Beitragserhebung verstößt nicht gegen Verfassungsrecht (dazu 2.).

1. Rechtsgrundlage für die Beitragserhebung auf die Kapitalleistung sind § 237 S 1 SGB V in der Fassung des Gesundheits-Reformgesetzes (GRG) vom 20.12.1988 (BGBl I 2477), § 57 Abs 1 S 1 SGB XI in der Fassung des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26.3.2007 (BGBl I 378) und § 229 Abs 1 S 1 Nr 5 SGB V in der Fassung des GRG (aaO). Danach wird der Bemessung der Beiträge bei in der GKV pflichtversicherten Rentnern neben dem Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung (Nr 1) ua auch der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen (Nr 2) zugrunde gelegt. Als der Rente vergleichbare Einnahmen (Versorgungsbezüge) gelten auch die "Renten der betrieblichen Altersversorgung", soweit sie wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt werden. Tritt an die Stelle der Versorgungsbezüge eine nicht regelmäßig wiederkehrende Leistung oder ist eine solche Leistung vor Eintritt des Versicherungsfalls vereinbart oder zugesagt worden, gilt nach § 229 Abs 1 S 3 SGB V in der seit 1.1.2004 geltenden Fassung des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz - GMG) vom 14.11.2003 (BGBl I 2190) ein Einhundertzwanzigstel der Leistung als monatlicher Zahlbetrag der Versorgungsbezüge, längstens jedoch für 120 Monate.

a) Die dem Kläger ausgezahlte Lebensversicherung ist eine betriebliche Altersversorgung iS des § 229 Abs 1 Nr 5 SGB V. Wesentliche Merkmale einer Rente der betrieblichen Altersversorgung (als einer mit der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbaren Einnahme) iS des Beitragsrechts der GKV sind, wenn ihr Bezug nicht schon institutionell (Versicherungseinrichtung, Versicherungstyp) vom Betriebsrentenrecht erfasst wird, ein Zusammenhang zwischen dem Erwerb dieser Rente und der früheren Beschäftigung sowie ihre Entgelt-Ersatzfunktion (stRspr; vgl BSG Urteil vom 13.9.2006 - B 12 KR 5/06 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 4 RdNr 11 mwN; BSG Urteil vom 25.5.2011 - B 12 P 1/09 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 14 RdNr 13 mwN; BSG Urteil vom 20.7.2017 - B 12 KR 12/15 R - BSGE 124, 20 = SozR 4-2500 § 229 Nr 21, RdNr 13; zuletzt BSG Urteil vom 4.9.2018 - B 12 KR 20/17 R - Juris RdNr 17). Hierzu gehören auch Leistungen, die aus einer vom Arbeitgeber für den Arbeitnehmer vereinbarten Direktversicherung iS des § 1 Abs 2 Nr 4 BetrAVG gezahlt werden. Um eine solche Direktversicherung handelt es sich, wenn für die betriebliche Altersversorgung eine Lebensversicherung auf das Leben des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber abgeschlossen wird und der Arbeitnehmer oder seine Hinterbliebenen hinsichtlich der Leistung des Versicherers ganz oder teilweise bezugsberechtigt sind. Sie soll die Versorgung des Arbeitnehmers oder seiner Hinterbliebenen im Alter, bei Invalidität oder Tod bezwecken, also der Sicherung des Lebensstandards nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Erwerbsleben dienen. Ein solcher Versorgungszweck kann sich auch aus der vereinbarten Laufzeit ergeben (stRspr; BSG Urteil vom 30.3.2011 - B 12 KR 16/10 R - BSGE 108, 63 = SozR 4-2500 § 229 Nr 12, RdNr 17 und BSG Urteil vom 5.3.2014 - B 12 KR 22/12 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 17 RdNr 19, jeweils mwN).

Die auf den Kläger abgeschlossene Lebensversicherung erfüllt diese Voraussetzungen. Sie wurde nach den nicht angegriffenen und damit den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) von der Arbeitgeberin des Klägers als Direktversicherung zu dessen Gunsten vereinbart. Die im Dezember 2011 ausgezahlte Lebensversicherung diente auch seiner Altersversorgung, da er im Januar 2012 das 65...

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