Urteil Nr. B 3 KR 3/21 R des Bundessozialgericht, 2022-08-03

Judgment Date03 Agosto 2022
ECLIDE:BSG:2022:030822UB3KR321R0
Judgement NumberB 3 KR 3/21 R
CourtDer Bundessozialgericht (Deutschland)
Krankenversicherung - Fertigarzneimittel - Generikaabschlagspflicht bei Verantwortlichkeit für einheitlichen Apothekenabgabepreis - vom Zulassungsinhaber als örtlicher Vertreter bestellter pharmazeutischer Unternehmer
Leitsätze

Wer für den einheitlichen Apothekenabgabepreis eines zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegebenen Fertigarzneimittels verantwortlich zeichnet, ist als pharmazeutischer Unternehmer auch dann generikaabschlagspflichtig, wenn er von dem Zulassungsinhaber als örtlicher Vertreter bestellt worden ist.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 2. September 2020 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

Im Streit steht die Generikaabschlagspflicht der Klägerin nach § 130a Abs 3b SGB V.

Die Klägerin ist ein in Deutschland ansässiges Unternehmen der pharmazeutischen Industrie, dem vertraglich der Vertrieb des Wirkstoffs "insulin lispro" unter dem Handelsnamen Liprolog® in eigenem Namen und auf eigene Rechnung gestattet ist. Für dieses Präparat besteht eine zentrale europarechtliche Gemeinschaftszulassung, deren Inhaber ein in den Niederlanden ansässiges Unternehmen ist. Nachdem zwischen der Klägerin und dem beklagten Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung nicht mehr streitig ist, dass Liprolog® als Arzneimittel grundsätzlich unter die Generikaabschlagspflicht fällt (vgl BSG vom 20.12.2018 - B 3 KR 11/17 R - SozR 4-2500 § 130a Nr 12), steht nunmehr im Streit, ob die Klägerin Schuldner des Abschlags ist. Sie sei - was zutrifft - von dem niederländischen Zulassungsinhaber zum örtlichen Vertreter bestellt; deshalb fungiere sie lediglich als Kontaktadresse in Deutschland für den Inhaber der europarechtlichen Zulassung. Bei zentral zugelassenen Arzneimitteln könne es nur einen pharmazeutischen Unternehmer geben, das sei hier der niederländische Zulassungsinhaber. Ein örtlicher Vertreter im Sinne des § 9 Abs 2 AMG sei für die Zulassung des Arzneimittels und das Arzneimittel selbst rechtlich nicht verantwortlich. Zutreffend sei sie auf der Umverpackung des Arzneimittels nicht als pharmazeutischer Unternehmer, sondern als örtlicher Vertreter gekennzeichnet.

Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 31.5.2013). Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen: Die Klägerin sei pharmazeutischer Unternehmer im Sinne des § 130a Abs 3b SGB V und unterliege ohne Rücksicht auf ihre Bestellung als örtlicher Vertreter der Zahlungspflicht des Generikaabschlags. Der örtliche Vertreter entspringe als Rechtsfigur dem europäischen Gemeinschaftsrecht und habe keinen Einfluss auf die Definition oder Pflichten des pharmazeutischen Unternehmers im Sinne des AMG. Rabattpflichtig im Sinne des § 130a SGB V sei, wer als pharmazeutischer Unternehmer im Sinne des § 4 Abs 18 AMG den Apothekenabgabepreis bestimme, an den die Preisvorschriften des AMG anknüpften. Dies sei die Klägerin, die den Abgabepreis für Liprolog® bestimme und das Arzneimittel unter ihrem Namen mit eigener Pharmazentralnummer in Verkehr bringe sowie in der Lauer-Taxe als Anbieter gelistet sei (Urteil vom 2.9.2020).

Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 130a Abs 3b SGB V. Als örtlicher Vertreter des Zulassungsinhabers und aufgrund entsprechender europarechtlicher Kennzeichnung komme eine Abschlagszahlungspflicht nicht in Betracht. Sie bringe das Arzneimittel als ein Unternehmen der Vertriebskette zwar in ihrem Namen, aber nicht unter ihrem Namen in den Verkehr; sie vermarkte es unter dem Namen des Zulassungsinhabers als dessen Großhändler. Zur Bestimmung des pharmazeutischen Unternehmers sei allein auf § 4 Abs 18 AMG abzustellen. Entscheidend sei, dass sie das Arzneimittel nicht mit ihrem Namen als pharmazeutischer Unternehmer gekennzeichnet habe. Unerheblich sei hingegen, mit wessen Pharmazentralnummer das Arzneimittel versehen sei und wer in der Lauer-Taxe als Anbieter geführt werde. Bestätigt werde dies auch aufgrund der Praxis bei Rabattverträgen nach § 130a Abs 8 SGB V. Den Krankenkassen reiche es hier nicht aus, dass ein Unternehmen als Anbieter eines Arzneimittels in der Lauer-Taxe gelistet sei, vielmehr müsse das Unternehmen nachweisen, dass es pharmazeutischer Unternehmer im Sinne des § 4 Abs 18 AMG sei.

Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 2. September 2020 und des Sozialgerichts Berlin vom 31. Mai 2013 zu ändern sowie festzustellen, dass sie nicht verpflichtet war und ist, für das Arzneimittel Liprolog® den Abschlag nach § 130a Abs 3b SGB V zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Die Klägerin sei ungeachtet ihrer Benennung als örtlicher Vertreter des Zulassungsinhabers durch ihr Verhalten bezüglich des Inverkehrbringens des Arzneimittels in Deutschland jedenfalls als pharmazeutischer Unternehmer im Sinne des § 130a Abs 3b SGB V anzusehen und nur darauf komme es hier an.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Zutreffend haben die Vorinstanzen entschieden, dass die Klägerin als pharmazeutischer Unternehmer der Generikaabschlagspflicht nach dem SGB V für das Arzneimittel Liprolog® unterliegt, obwohl sie nicht dessen Zulassungsinhaber ist. Wer für den einheitlichen Apothekenabgabepreis eines zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegebenen Fertigarzneimittels verantwortlich zeichnet, ist als pharmazeutischer Unternehmer auch dann generikaabschlagspflichtig, wenn er von dem Zulassungsinhaber als örtlicher Vertreter bestellt worden ist.

1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens sind die Urteile der Vorinstanzen sowie das Begehren der Klägerin auf Feststellung, nicht der Zahlungspflicht des Generikaabschlags für Liprolog® zu unterliegen, das sie mit der zulässigen Feststellungsklage (§ 55 Abs 1 Nr 1 SGG) zutreffend gegen den beklagten Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung gerichtet hat (vgl dazu näher bereits BSG vom 20.12.2018 - B 3 KR 11/17 R - SozR 4-2500 § 130a Nr 12 RdNr 17 ff).

2. Rechtsgrundlage der streitigen Abschlagspflicht ist § 130a Abs 3b SGB V. Danach haben pharmazeutische Unternehmer den Krankenkassen Rabatte ("einen Abschlag") einzuräumen ua für in Apotheken zu ihren Lasten abgegebene Fertigarzneimittel, der sich für patentfreie, wirkstoffgleiche Arzneimittel (sog Generika) auf 10 vom Hundert "des Abgabepreises...

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