Urteil Nr. B 8 SO 6/19 R des Bundessozialgericht, 2021-01-28

Judgment Date28 Enero 2021
ECLIDE:BSG:2021:280121UB8SO619R0
Judgement NumberB 8 SO 6/19 R
CourtDer Bundessozialgericht (Deutschland)
Tenor

Die Revision der Beklagten wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Revisionsverfahrens trägt die Beklagte ein Drittel, der Kläger zwei Drittel.

Der Streitwert wird auf 19 801,25 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Im Streit ist die Höhe von Investitionskosten für die vollstationären Pflegeplätze in einer Einrichtung der Beklagten für die Zeit vom 1.6.2016 bis 31.5.2017.

Die Beklagte betreibt seit Juni 2016 eine nach § 72 Sozialgesetzbuch Elftes Buch - Soziale Pflegeversicherung - (SGB XI) zugelassene, landesrechtlich nicht geförderte Pflegeeinrichtung mit ua 52 vollstationären Pflegeplätzen im Kreisgebiet des Klägers. Eigentümerin des Gebäudes, in dem sich die Einrichtung befindet, ist die S. AG, die das gesamte Gebäude an das Wohlfahrtswerk Baden-Württemberg vermietet. Dieses stattete ua die 52 vollstationären Pflegeplätze mit Inventar aus und verpachtet diese "mobile Betriebs- und Geschäftsausstattung" und das Gebäude an die Beklagte (Pachtverträge vom 25.4.2016), die ihre 100%ige Tochter ist.

Die Beklagte machte als gesondert berechenbare Investitionskosten für die 52 Dauerpflegeplätze 28,54 Euro pro Tag geltend und forderte den Kläger vergeblich zur Verhandlung darüber auf; sie rief am 18.8.2016 die Schiedsstelle Baden-Württemberg an, nachdem von Seiten des Klägers keine Reaktion auf ihre Anschreiben erfolgt war. Die Schiedsstelle forderte den Kläger unter Fristsetzung bis 19.9.2016 auf, die von der Beklagten vorgelegten prospektiven Entgeltkalkulationen auf ihre Plausibilität zu prüfen, ggf auf Unschlüssigkeiten hinzuweisen und diese konkret zu belegen. Weiter führte die Schiedsstelle aus, dass sie zur Beurteilung der wirtschaftlichen und leistungsgerechten Vergütungssätze Vergleichsdaten aller vergleichbaren Einrichtungen im Landkreis bzw der betroffenen Region benötige. Der Kläger äußerte sich dazu nicht und beantragte lediglich, die Investitionskosten auf 17,69 Euro festzusetzen. Die Beklagte habe unangemessen hohe Mietkosten geltend gemacht. Nach dem Mietspiegel der Stadt Böblingen könne bei einem Neubau in mittlerer Lage von 9,68 Euro Miete je Quadratmeter ausgegangen werden, während die Beklagte umgerechnet 15,58 Euro je Quadratmeter verlange. Außerdem würden nach der bisherigen Spruchpraxis der Schiedsstelle Mietobjekte so gestellt wie selbst erbaute Objekte.

Die Schiedsstelle setzte die gesondert berechenbaren Investitionskosten für die Zeit vom 1.6.2016 bis 31.5.2017 auf 23,85 Euro pro Tag und Platz fest (Schiedsspruch vom 23.1.2017) und führte zur Begründung aus, Mieterin und Vermieterin seien gesellschaftsrechtlich eng miteinander verwoben, sodass nicht gesichert sei, dass die Mieterin nur eine Miethöhe akzeptiere, die den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit Rechnung trage. Die Heranziehung eines Mietspiegels scheide zur Bewertung der Miethöhe aus, weil sich dieser nur auf freifinanzierte Wohnungen im Landkreis beziehe. Ein externer Vergleich mit anderen Pflegeheimen in der Region sei "sehr schwierig". Die Angemessenheit des Investitionskostensatzes lasse sich deshalb nur durch das von der Schiedsstelle seit vielen Jahren verwendete Berechnungsverfahren bewerten, das unterstelle, die Einrichtung würde das Gebäude nicht mieten, sondern selbst erstellen. Die sich daraus ergebenden fiktiven Anschaffungs- und Herstellungskosten würden ermittelt und als Vergleichswert der Miete gegenübergestellt. Das Berechnungsverfahren orientiere sich an den ehemaligen Förderbedingungen des Landes für Pflegeheime.

Auf die dagegen von beiden Beteiligten erhobene Klage hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) den Schiedsspruch aufgehoben und die Klage im Übrigen, soweit die Beklagte beantragt hat festzustellen, dass der Investitionsbetrag 28,54 Euro beträgt, abgewiesen (Urteil vom 19.12.2018). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, es könne dahingestellt bleiben, ob der Schiedsspruch bereits deswegen formell rechtswidrig sei, weil er keine hinreichende Begründung dafür enthalte, warum der "externe Vergleich" nicht durchgeführt worden sei. Er sei aber jedenfalls materiell-rechtlich rechtswidrig. Dabei könne offenbleiben, ob die Schiedsstelle grundsätzlich berechtigt sei, die Wirtschaftlichkeit der Pachtkosten in einem Vergleich mit Kosten zu bewerten, wie sie für Eigentümer anfielen. Denn nicht mehr vom Entscheidungsfreiraum der Schiedsstelle sei gedeckt, bei Anwendung des sog Eigentümermodells nicht marktgerechte Annahmen wie der Verwendung des fortgeschriebenen Kostenrichtwerts Stand August 2016 anstelle eines die Entwicklung der Baupreise bezogen auf die tatsächliche Bauzeit abbildenden Baupreisindex zugrunde zu legen.

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 75 Abs 5 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) iVm § 82 Abs 4 SGB XI und von Art 12 Abs 1 Grundgesetz (GG). Die Schiedsstelle habe die Investitionskosten anhand eines fiktiven Vergleichs mit einer Eigentumseinrichtung ermittelt, ohne sich mit der Angemessenheit und Wirtschaftlichkeit der tatsächlichen Mietkosten zu befassen. Ob die Anwendung des Eigentümermodells rechtlich zulässig sei, habe das LSG rechtsfehlerhaft offengelassen. Tatsächlich liege nicht die Anmietung eines Objekts von einem verbundenen Unternehmen vor, das Eigentümer der Immobilie sei und ggf die Anwendung des sog Eigentümermodells rechtfertigen könne. Vielmehr miete auch die Muttergesellschaft der Beklagten das Gebäude von einem von ihr gesellschaftsrechtlich unabhängigen Dritten. Diese Miete reiche sie an sie, die Beklagte, lediglich weiter. Als gemeinnütziges Unternehmen dürfe die Vermieterin ohnedies keinen Gewinn aus der Vermietung fremder Immobilien erzielen. Es liege ein Verstoß gegen das Gebot der Leistungsgerechtigkeit der Vergütung vor.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 19. Dezember 2018 in den Gründen nach Maßgabe ihrer eigenen Revisionsbegründung zu ändern.

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Zur Begründung führt er aus, es liege bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise kein Mietverhältnis mit einem unbeteiligten Dritten vor und die zwischen Muttergesellschaft und Eigentümerin vereinbarte Pacht werde nicht "nur weitergereicht". Der von der Schiedsstelle vorgenommene interne Vergleich sei sachgerecht.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist zulässig; die Beklagte und Widerklägerin ist durch das LSG-Urteil beschwert, obwohl dieses formal ihrem Klageantrag auf Aufhebung des Schiedsspruchs entsprochen hat. Die Beschwer liegt in der maßgeblichen Begründung für die Aufhebung des Schiedsspruchs, an die die Revisionsklägerin und der Revisionsbeklagte wegen der Besonderheiten des Verfahrens (vgl § 77 Abs 1 Satz 5 SGB XII hier in der bis 31.12.2019 geltenden Fassung, die die Norm...

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