Urteil Nr. I ZB 75/22 des I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs, 27-07-2023

ECLIECLI:DE:BGH:2023:270723BIZB75.22.0
Date27 Julio 2023
Docket NumberI ZB 75/22
CourtI. Zivilsenat
ECLI:DE:BGH:2023:270723BIZB75.22.0
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
I ZB 75/22 Verkündet am:
27. Juli 2023
Hemminger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Verfahren
auf Feststellung der Unzulässigkeit des Schiedsverfahrens
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Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhand-
lung vom 17. Mai 2023 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Koch, den Rich-
ter Feddersen, die Richterinnen Pohl und Dr. Schmaltz sowie den Richter Odörfer
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin wird unter Zurück-
weisung des weitergehenden Rechtsmittels der Beschluss des
19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 1. September
2022 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als hinsichtlich des
Antrags zu 2 zum Nachteil der Antragsgegnerin erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird der Antrag zu 2 auf Feststellung,
dass jegliches schiedsrichterliche Verfahren zwischen dem Antrag-
steller und der Antragsgegnerin auf der Grundlage von Art. 26
Abs. 3 und 4 ECV unzulässig ist, als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Antragsteller zu 1/3 und die
Antragsgegnerin zu 2/3.
Der Wert des Beschwerdegegenstands wird auf 30 Mio. € festge-
setzt.
Gründe:
A. Der Antragsteller ist das Königreich der Niederlande (nachfolgend "Nie-
derlande"). Die Antragsgegnerin hat ihren satzungsmäßigen Sitz in der Bundes-
republik Deutschland (nachfolgend "Deutschland"). Sie investiert unter anderem
in die konventionelle Stromerzeugung aus Kohle.
Die Antragsgegnerin sieht ihre Investitionen in das im Staatsgebiet des
Antragstellers bei G. im Hafen von E. gelegene Kohlekraftwerk
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aufgrund der regulatorischen Entscheidung des Antragstellers, bis 2030 aus der
Kohleverstromung auszusteigen, geschädigt. Sie reichte daher am 20. Januar
2021 mit einer weiteren Schiedsklägerin einen Antrag auf Einleitung eines
Schiedsverfahrens gegen den Antragsteller auf Grundlage des Energiecharta-
Vertrags beim Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkei-
ten (International Centre for Settlement of Investment Disputes; nachfolgend
"ICSID" bzw. "Zentrum") ein. Das Verfahren wurde am 2. Februar 2021 zum Ak-
tenzeichen ICSID ARB/21/4 registriert; das Schiedsgericht konstituierte sich am
2. Juni 2021. Die Schiedsklägerinnen bezifferten ihre Ansprüche auf 1,4 Mrd. .
Der Energiecharta-Vertrag ist ein multilaterales Abkommen zur Koopera-
tion im Energiesektor, das von 49 Staaten sowie der Europäischen Union (EU)
und der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom) ratifiziert wurde und am
16. April 1998 in Kraft trat. Seit diesem Tag ist der Energiecharta-Vertrag nach
Zustimmung durch Gesetz vom 20. Dezember 1996 (BGBl. II 1997 S. 4) auch in
Deutschland (BGBl. II 1998 S. 3009; nachfolgend "ECV") und, nach Ratifikation
am 11. Dezember 1997, in den Niederlanden in Kraft.
In Art. 10 ECV sichern sich die Vertragsparteien die Förderung und den
Schutz von Investitionen durch die Schaffung stabiler, gerechter, günstiger und
transparenter Bedingungen für Investoren anderer Vertragsstaaten zu. In Art. 13
ECV wird unter anderem Schutz vor entschädigungslosen Enteignungen ge-
währt. Beide Regelungen finden sich in Teil III des Energiecharta-Vertrags. Nach
Art. 26 ECV besteht für den Investor aus einem Vertragsstaat die Möglichkeit,
einen anderen Vertragsstaat wegen möglicher Verletzungen des Energiecharta-
Vertrags im Wege eines Schiedsverfahrens in Anspruch zu nehmen. Die Vor-
schrift lautet auszugsweise:
(1) Streitigkeiten zwischen einer Vertragspartei und einem Investor einer anderen
Vertragspartei über eine Investition des letzteren im Gebiet der ersteren, die
sich auf einen behaupteten Verstoß der ersteren Vertragspartei gegen eine
Verpflichtung aus Teil III beziehen, sind nach Möglichkeit gütlich beizulegen.
(2) Können solche Streitigkeiten nicht innerhalb von drei Monaten nach dem Zeit-
punkt, zu dem eine der Streitparteien um eine gütliche Beilegung ersucht hat,
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