Urteil Nr. I ZR 141/20 des I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs, 28-07-2022

ECLIECLI:DE:BGH:2022:280722UIZR141.20.0
Date28 Julio 2022
Docket NumberI ZR 141/20
CourtI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs
ECLI:DE:BGH:2022:280722UIZR141.20.0
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 141/20 Verkündet am:
28. Juli 2022
Hemminger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Elektronischer Pressespiegel II
UrhG § 16 Abs. 1, §§ 19a, 31, 44a, 97, 101a; BGB § 242 Be, D
a) Ein allgemeiner Auskunftsanspruch, der auf die Ausforschung der tatsächlichen Grundlagen
und Beweismittel für etwaige Ansprüche gerichtet ist, besteht nicht. Der auf spezialgesetzli-
che Anspruchsgrundlagen wie § 19 MarkenG oder § 101 UrhG gestützte Auskunftsanspruch
ist ebenso wie der aus § 242 BGB hergeleitete Auskunftsanspruch seinem Inhalt nach viel-
mehr grundsätzlich auf die Erteilung von Auskünften über den konkreten Verletzungsfall, das
heißt über die konkrete Verletzungshandlung einschließlich solcher Handlungen beschränkt,
die ihr im Kern gleichartig sind. Ein Anspruch auf Auskunftserteilung besteht nicht auch über
gliche andere Verletzungsfälle, da dies darauf hinausliefe, unter Vernachlässigung allge-
mein gültiger Beweislastregeln der Ausforschung Tür und Tor zu öffnen (Bestätigung der
st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH, Urteil vom 20. Juni 2013 - I ZR 55/12, GRUR 2013, 1235 [juris
Rn. 21] - Restwertbörse II).
b) Der vom Bundesgerichtshof einer Verwertungsgesellschaft zugebilligte weitergehende An-
spruch auf sogenannte Grundauskunft, der nach den Grundsätzen von Treu und Glauben
ausnahmsweise auch dann bestehen kann, wenn der Kläger in entschuldbarer Weise nicht
nur über den Umfang, sondern auch über das Bestehen seines Rechts im Ungewissen ist
(vgl. BGH, Urteil vom 5. Juni 1985 - I ZR 53/83, BGHZ 95, 274 [juris Rn. 34] - GEMA-Ver-
mutung I; Urteil vom 13. Juni 1985 - I ZR 35/83, BGHZ 95, 285 [juris Rn. 15] - GEMA-Ver-
mutung II), liegt in den Besonderheiten begründet, die die Rechtsdurchsetzung durch Ver-
wertungsgesellschaften kennzeichnen. Eine entsprechende Anwendung zugunsten von
Rechtsinhabern, die über eine große Anzahl an gleichartige Werke betreffenden Rechten
verfügen, von denen nachweisbar mehrere Werke von dem Verletzer unerlaubt verwendet
worden sind, kommt nicht in Betracht.
BGH, Urteil vom 28. Juli 2022 - I ZR 141/20 - OLG Hamburg
LG Hamburg
- 2 -
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhand-
lung vom 12. Mai 2022 durch die Richter Feddersen, Dr. Löffler, die Richterinnen
Dr. Schwonke, Dr. Schmaltz und den Richter Odörfer
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten und die Anschlussrevision der Klä-
gerin wird unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel
das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg - 5. Zi-
vilsenat - vom 2. Juli 2020 im Kostenpunkt und insoweit aufgeho-
ben, als hinsichtlich des Klageantrags zu 3 und hinsichtlich der Kla-
geanträge zu 2 und 4 im Hinblick auf das Einscannen (Digitalisie-
ren) der Artikel zum Nachteil der Klägerin sowie hinsichtlich des Kla-
geantrags zu 5 zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.
Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung der Be-
rufung der Klägerin insoweit das Urteil des Landgerichts Hamburg
- Zivilkammer 8 - vom 22. Juni 2018 hinsichtlich des Klageantrags
zu 5 abgeändert und die Klage insoweit abgewiesen.
Im übrigen Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Ver-
handlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an
das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
- 3 -
Tatbestand:
Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen der Verletzung von Urheberrech-
ten in Verbindung mit der Herstellung von elektronischen Pressespiegeln für ge-
werbliche Kunden in Anspruch.
Die Klägerin verlegt die Zeitungen DIE WELT, WELT kompakt, WELT am
Sonntag, BILD und BILD am Sonntag. Bis zur Veräußerung an die Funke
Mediengruppe mit Wirkung zum 1. Mai 2014 war sie auch Verlegerin der Zeitun-
gen Hamburger Abendblatt und Berliner Morgenpost. Die Klägerin ist Gesell-
schafterin der Presse Monitor GmbH (im Folgenden: PMG). Die PMG ist ein Ver-
wertungsunternehmen der deutschen Zeitungs- und Zeitschriftenverlage. Sie
führt eine eigene digitale Pressedatenbank und vermarktet Inhalte und Rechte
von über 700 Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen. Mithilfe der PMG können Pri-
vatpersonen und Unternehmen elektronische Pressespiegel erstellen. Dabei
können sie sich auch Dienstleister, sogenannter "Mittler", bedienen.
Ein solcher Mittler ist die Beklagte, die Dienstleistungen aus dem Bereich
Medienbeobachtung und Medienanalyse erbringt. Sie beobachtet und analysiert
für ihre Kunden alle gängigen Medienformate wie Print, Internet, TV, Radio und
Social Media und beliefert ihre Kunden mit Monitoring-Ergebnissen, redaktionel-
len Medienspiegeln und Medienresonanzanalysen. Sie hat mit der PMG im Jahr
2004 einen sogenannten "Rahmenvertrag" geschlossen, der in § 3 Nr. 1 unter
anderem vorsieht, dass die Beklagte ausschließlich im Rahmen und zum Zweck
der vertraglichen Vereinbarungen, die ihre Kunden mit der PMG abgeschlossen
haben, befugt ist, das Datenbankangebot der PMG zur Erstellung von Presse-
spiegeln für ihre Kunden, die auch Kunden der PMG sind (und sein müssen), zu
nutzen. Weiter heißt es dort:
[Die Beklagte] ist damit nur berechtigt, im Namen und im Auftrag [ihres] Kunden
die Rechte gegenüber der PMG wahrzunehmen, die auch ... Kunden [der Beklag-
ten] als PMG-Kunden zustehen. [Die Beklagte] erwirbt aus dieser Vereinbarung
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