Urteil Nr. KZR 66/12 des Kartellsenat des Bundesgerichtshofs, 17-12-2013

Date17 Diciembre 2013
Docket NumberKZR 66/12
CourtKartellsenat
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
KZR 66/12 Verkündet am:
17. Dezember 2013
Bürk
Amtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Stromnetz Berkenthin
GWB § 20 Abs. 1 aF; EnWG § 46 Abs. 1, 2
a) Als marktbeherrschende Anbieter der Wegenutzungsrechte in ihrem Gebiet sind die Ge-
meinden verpflichtet, den Konzessionär für den Betrieb eines Energieversorgungsnetzes in
einem diskriminierungsfreien Wettbewerb auszuwählen. Die Auswahl muss in einem trans-
parenten Verfahren erfolgen und ist vorrangig an Kriterien auszurichten, die das Ziel des § 1
Abs. 1 EnWG (Gewährleistung einer sicheren, preisgünstigen, verbraucherfreundlichen, effi-
zienten und umweltverträglichen leitungsgebundenen örtlichen Versorgung der Allgemein-
heit mit Elektrizität und Gas) konkretisieren.
b) Genügt die Konzessionsvergabe diesen Verpflichtungen nicht, liegt eine unbillige Behinde-
rung derjenigen Bewerber vor, deren Chancen auf die Konzession dadurch beeinträchtigt
worden sind.
c) Konzessionsverträge, mit deren Abschluss die Gemeinde andere Bewerber unbillig behin-
dert, sind gemäß § 134 BGB grundsätzlich nichtig.
d) Der Überlassungsanspruch aus § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG aF setzt einen wirksamen Kon-
zessionsvertrag mit dem neuen Netzbetreiber voraus.
e) Der Durchsetzung des Anspruchs auf Netzüberlassung aus einer Endschaftsbestimmung
steht der Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegen, wenn eine Auswahlentschei-
dung der Gemeinde zu Lasten des bisherigen Netzbetreibers gegen das Gebot diskriminie-
rungsfreien Zugangs nach § 46 Abs. 1 EnWG und damit gegen § 20 Abs. 1 GWB aF ver-
stößt.
BGH, Urteil vom 17. Dezember 2013 - KZR 66/12 - OLG Schleswig
LG Kiel
- 2 -
Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhand-
lung vom 17. Dezember 2013 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-
Beck sowie die Richter Prof. Dr. Strohn, Dr. Kirchhoff, Dr. Bacher und
Dr. Deichfuß
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des Kartellsenats des Schleswig-
Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 22. Novem-
ber 2012 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin ist eine hundertprozentige Tochter der Vereinigten Stadt-
werke GmbH, deren Anteile wiederum zu jeweils gleichen Teilen von der Stadt
Bad Oldesloe (Eigenbetrieb Stadtwerke), der Stadtwerke Mölln GmbH und der
Stadtwerke Ratzeburg GmbH gehalten werden, in deren Gebieten die Klägerin
bereits die Stromverteilungsnetze betreibt.
Die Beklagte ist Eigentümerin des Stromversorgungsnetzes in den
36 Gemeinden der Ämter Sandesneben-Nusse und Berkenthin (nachfolgend
Netzgebiet). Die jeweilige Endschaftsbestimmung der gleichlautenden Wege-
nutzungsverträge zwischen der Schleswag AG, der Rechtsvorgängerin der Be-
klagten, und diesen Gemeinden sieht vor, dass die Gemeinde berechtigt und
auf Verlangen der Schleswag verpflichtet ist, die ausschließlich der Stromvertei-
lung im Gemeindegebiet dienenden Anlagen zum Sachzeitwert zu übernehmen.
1
2
- 3 -
Mit Blick auf das Auslaufen der Wegenutzungsverträge in den Jahren
2009 oder 2010 - nur mit der Gemeinde Groß Boden war eine Laufzeit bis zum
14. Dezember 2012 vereinbart - schrieben die Gemeinden die Neuvergabe der
Wegerechte aus. In dem auch an die Beklagte übersandten "Verfahrensbrief"
des Amtes Berkenthin vom 1. September 2009 wurden die Beurteilungskriterien
für die Angebote und ihre Gewichtung bei der einheitlichen Auswahlentschei-
dung wie folgt mitgeteilt:
1.
Wegenutzungsvertrag
100
1.1
Endschaftsbestimmung
15
1.2
Kaufpreisregelung
15
1.3
Konzessionsabgabe
5
1.4
Gemeinderabatt
5
1.5
Abschlagszahlungen
5
1.6
Folgekostenübernahme
5
1.7
Vertragslaufzeit
5
1.8
Beseitigung von Verteilanlagen
5
1.9
Zusatzleistungen
5
1.10
Auskunftsansprüche
10
1.11
Rechtsnachfolge
5
1.12
Regionale Präsenz
10
1.13
Bemühung um störungsfreien Netzbetrieb
10
2.
Geschäftsmodell Netzgesellschaft
70
2.1
Höhe des kommunalen Anteils an Netzen
15
2.2
Mitgestaltungsrechte/Einflussmöglichkeiten
10
2.3
Kommunaler Vermögenszuwachs
10
2.4
Höhe des kommunalen Kapitaleinsatzes für den Netzerwerb
15
2.5
Höhe der wirtschaftlichen Risiken
10
2.6
Möglichkeiten der Geschäftsfelderweiterung
10
Die Klägerin, die Beklagte und mehrere andere Betreiber bewarben sich.
Die Gemeinden entschieden sich einheitlich für die Klägerin. In der öffentlichen
Bekanntmachung dieser Entscheidung durch die Ämter Berkenthin und San-
desneben-Nusse vom 31. März 2010 heißt es zum Angebot der Klägerin unter
anderem, diese habe bei der vergleichenden Bewertung die insgesamt höchste
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