Urteil Nr. XII ZB 131/20 des XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs, 22-07-2020

ECLIECLI:DE:BGH:2020:220720BXIIZB131.20.0
Date22 Julio 2020
Docket NumberXII ZB 131/20
CourtXII. Zivilsenat
ECLI:DE:BGH:2020:220720BXIIZB131.20.0
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XII ZB 131/20
vom
22. Juli 2020
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
GG Art. 1, 2, 3 Abs. 1, 6 Abs. 1; BGB §§ 1303, 1314 Abs. 1, 1315 Abs. 1, 1316;
EGBGB Art. 13 Abs. 1 und 3, Art. 229 § 44
a) Die Aufhebbarkeit einer Auslandsehe, die mit einem Ehegatten geschlossen worden
ist, der bei Eheschließung zwar das 16., aber nicht das 18. Lebensjahr vollendet
hatte, richtet sich nach §§ 1313 ff. BGB in der aktuell geltenden Fassung. Die Über-
leitungsvorschriften der Art. 229 § 44 Abs. 1 und 2 EGBGB sind auf solche Ehen
nicht - auch nicht entsprechend - anzuwenden.
b) Ob einer der von § 1316 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 BGB genannten Gesetzesverstöße vor-
liegt, bei denen die zuständige Verwaltungsbehörde berechtigt ist, einen Antrag auf
Eheaufhebung zu stellen, ist keine Frage der Antragsberechtigung, sondern eine
der Begründetheit des Antrags (Abgrenzung zu Senatsurteil vom 11. April 2012
- XII ZR 99/10 - FamRZ 2012, 940).
c) Für die Bestätigung der Ehe ist zwar die positive Kenntnis des Ehegatten von ihrer
Aufhebbarkeit nicht erforderlich. Er muss aber die den Ehemangel begründenden
Tatsachen kennen und wenigstens ein allgemeines Bewusstsein davon haben, dass
er die Ehe wegen des Eingehungsmangels zur Auflösung bringen kann oder dass
Zweifel an ihrer Gültigkeit bestehen und er durch sein Verhalten ein möglicherweise
vorhandenes Aufhebungsrecht aufgibt.
d) Die Norm des § 1314 Abs. 1 Nr. 1 BGB räumt dem Richter für die Frage, ob die Ehe
bei Vorliegen des Aufhebungsgrundes aufzuheben ist, ein eingeschränktes Ermes-
sen ein. Fehlt in diesen Fällen ein Ausschlussgrund gemäß § 1315 Abs. 1 Satz 1
BGB, kann von einer Eheaufhebung ausnahmsweise dann abgesehen werden,
wenn feststeht, dass die Aufhebung in keiner Hinsicht unter Gesichtspunkten des
Minderjährigenschutzes geboten ist, sondern vielmehr gewichtige Umstände gegen
sie sprechen.
BGH, Beschluss vom 22. Juli 2020 - XII ZB 131/20 - Kammergericht Berlin
AG Tempelhof-Kreuzberg
- 2 -
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. Juli 2020 durch den Vor-
sitzenden Richter Dose, die Richter Schilling, Dr. Botur und Guhling und die
Richterin Dr. Krüger
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss
des 3. Zivilsenats - Senat für Familiensachen - des Kammerge-
richts in Berlin vom 17. Februar 2020 wird mit der Maßgabe zu-
rückgewiesen, dass die Beschwerde gegen den Beschluss des
Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg vom 14. November 2018 als
unbegründet zurückgewiesen wird.
Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtskostenfrei. Au-
ßergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe:
A.
Der Antragsteller begehrt als zuständige Verwaltungsbehörde die Aufhe-
bung der am 10. September 2001 in Haret Hreik, Libanon, geschlossenen Ehe
der Antragsgegner.
Zum Zeitpunkt der Eheschließung waren die Antragsgegner libanesische
Staatsangehörige moslemischen Glaubens. Der Antragsgegner war 21 Jahre
alt, die am 17. November 1984 geborene Antragsgegnerin war 16 Jahre alt. Sie
lebte damals bereits in Deutschland und erwarb im Jahre 2002 die deutsche
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