Urteil vom 03.12.2020 - BVerwG 2 WD 4.20

JurisdictionGermany
Judgment Date03 Diciembre 2020
Neutral CitationBVerwG 2 WD 4.20
ECLIDE:BVerwG:2020:031220U2WD4.20.0
Applied RulesSoldUrlV § 1 Satz 1,WDO § 18 Abs. 2, § 38 Abs. 1, § 58 Abs. 7, § 91 Abs. 1 Satz 1, § 120 Abs. 1 Nr. 2, § 121 Abs. 2, § 139 Abs. 2, § 140 Abs. 5 Satz 2,EUrlV § 5 Abs. 1,StPO § 327,WStG § 15,StGB §§ 20, 21
Registration Date07 Abril 2021
Record Number031220U2WD4.20.0
Subject MatterBerufungen nach der WDO
CourtDas Bundesverwaltungsgericht
CitationBVerwG, Urteil vom 03.12.2020 - 2 WD 4.20

BVerwG 2 WD 4.20

  • TDG Süd 4. Kammer - 23.10.2019 - AZ: TDG S 4 VL 18/18

In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in der nichtöffentlichen Hauptverhandlung am 3. Dezember 2020, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt,
Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Henke,
ehrenamtlicher Richter Major Heuchert und
ehrenamtlicher Richter Hauptfeldwebel Brüggemeier,
Leitender Regierungsdirektor ...
als Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwalts,
Rechtsanwalt ...,
als Pflichtverteidiger,
Amtsinspektorin ...
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:

  1. Die Berufung des Soldaten gegen das Urteil der 4. Kammer des Truppendienstgerichts Süd vom 23. Oktober 2019 wird zurückgewiesen.
  2. Der Soldat trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der ihm darin erwachsenen notwendigen Auslagen.
Gründe I

1 Das disziplinargerichtliche Berufungsverfahren betrifft die Ahndung von zwei eigenmächtigen Abwesenheiten, von Betrugstaten zum Nachteil von Kameraden und der Entwendung und Lagerung von Bundeswehrmunition in Privaträumen.

2 1. Der ... geborene Soldat leistete ab 1993 Grundwehrdienst, wurde 1994 Zeitsoldat und 1999 Berufssoldat. 2000 wurde er als Anwärter für die Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes zugelassen und 2005 in die Laufbahn der Unteroffiziere zurückgeführt. Zuletzt wurde er 2015 zum Stabsfeldwebel befördert. Seit November ... ist er vorläufig des Dienstes enthoben. Seine Dienstzeit würde regulär mit Ablauf des Jahres ... enden.

3 2. Das Amtsgericht ... verhängte gegen den Soldaten mit rechtskräftigem Urteil vom 10. August 2016 wegen Betrugs in vier Fällen zu Lasten von drei Kameraden eine neunmonatige Freiheitsstrafe auf Bewährung und mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 27. Januar 2017 wegen zwei Trennungsgeldbetrugstaten eine Gesamtgeldstrafe; nachträglich wurde eine Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten und einer Woche auf Bewährung gebildet. Das Amtsgericht ... verhängte gegen den Soldaten mit rechtskräftigem Urteil vom 25. Juli 2018 wegen zwei eigenmächtiger Abwesenheiten eine Freiheitsstrafe von acht Monaten auf Bewährung. Ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den Soldaten wegen des eigenmächtigen Entnehmens und der Lagerung von Bundeswehrmunition im Privatbereich wurde im Februar 2019 gemäß § 154 StPO eingestellt.

4 3. Der Soldat ist seit 2017 geschieden und wohnt bei seiner Mutter. Er hat sieben Kinder, für die er unterhaltspflichtig ist: drei mit seiner früheren Ehefrau und vier von drei weiteren Frauen. Er geht seit seiner vorläufigen Dienstenthebung keiner beruflichen Tätigkeit nach. Von den in voller Höhe fortgezahlten Dienstbezügen verbleibt ihm nach Abzug von Pfändungsbeträgen für Unterhaltsleistungen, Rückzahlungen von Kameradendarlehen und weiterer Kreditverbindlichkeiten der Mindestselbstbehalt von etwa 1 150 € netto.

5 4. Das Truppendienstgericht hat den Soldaten in dem Ende ... eingeleiteten gerichtlichen Disziplinarverfahren mit Urteil vom 23. Oktober 2019 aus dem Dienstverhältnis entfernt. Es hat nach Ausklammerung der mitangeschuldigten beiden Trennungsgeldbetrugstaten festgestellt:

6 Der Soldat habe seit Mitte 2014 von Kameraden Darlehen erbeten. Er habe es für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen, sie nicht zurückzahlen zu können. Am 15. August 2014 habe er mit dem Oberstabsgefreiten M. einen Darlehensvertrag über 7 500 € geschlossen und eine Rückzahlung bis zum 5. September 2014 nebst 750 € Zinsen zugesichert. Rund zwei Wochen später habe er ihn um ein weiteres Darlehen von 3 500 € gebeten. Er habe keine Rückzahlungen geleistet. Am 24. April 2015 habe ihm der Hauptfeldwebel S., dem er zugesichert habe, das Geld in den nächsten Tagen zurückzuzahlen, ein Darlehen von 1 000 € gewährt. Erst im September 2015 habe der Soldat nach zahlreichen Erinnerungen nur 500 € zurückgezahlt. Am 14. September 2015 habe ihm die Zeugin Hauptfeldwebel W. durch Zahlung an eine Gerichtsvollzieherin ein Darlehen von 7 964,52 € gewährt, nachdem er zugesichert habe, es bis zum 16. Oktober 2015 zurückzuzahlen. Erst auf Betreiben des von der Zeugin informierten Dienstherrn habe er ihr Mitte Dezember 2015 1 700 € gezahlt.

7 Nach seiner Kommandierung an eine andere Dienststelle sei der Soldat ab dem 11. April 2017 unentschuldigt nicht zum Dienst erschienen und erst am 24. April 2017 von Feldjägern aufgegriffen worden. Ihm sei bewusst gewesen, eigenmächtig abwesend zu sein. Er habe versucht, sich bis zum Aufgreifen eine möglichst schöne Zeit zu machen. Nach seiner Rückführung sei er bis zum 15. Mai 2017 im Bundeswehrzentralkrankenhaus ... und anschließend bis zum 31. Mai 2017 krankgeschrieben gewesen. In dieser Zeit habe er sich nach ... begeben, wo er im Sanitätsversorgungszentrum ... am 1. Juni 2017 für diesen Tag und nach erneuter Vorstellung am 2. Juni 2017 auch für diesen Tag krankgeschrieben worden sei. Sodann sei er ab dem 6. Juni 2017 erneut bewusst eigenmächtig abwesend gewesen, obwohl ihm befohlen worden sei, zu seiner Einheit zurückzukehren und ihm dafür eine Fahrkarte dienstlich zur Verfügung gestellt worden sei. Der Soldat habe sich eine "Auszeit" genommen, bis er am 18. August 2017 erneut im Bundeswehrzentralkrankenhaus ... vorstellig geworden sei.

8 Schließlich habe der Soldat zu nicht feststellbaren Zeitpunkten - nicht vor 1997, aber vor dem 6. bzw. 9. Juni 2017 - aus Bundeswehrbeständen Munition entnommen und unerlaubt bis zum 6. bzw. 9. Juni 2017 in seinen Kellerräumen gelagert. Seine Einlassung, es habe sich um zur Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Ausbildungsbetriebs angelegte Schwarzbestände gehandelt, rechtfertige sein Verhalten nicht.

9 Der Soldat habe vorsätzlich unter den erschwerenden Voraussetzungen des § 10 SG durch die Betrugstaten seine Kameradschaftspflicht und durch die weiteren Taten seine Pflicht zum treuen Dienen sowie jeweils zugleich seine innerdienstliche Wohlverhaltenspflicht verletzt.

10 Das Dienstvergehen wiege äußerst schwer. Angesichts der wiederholten eigenmächtigen Abwesenheiten trotz des bereits eingeleiteten gerichtlichen Disziplinarverfahrens, der extrem langen Dauer der zweiten eigenmächtigen Abwesenheit, der erheblichen Erschütterung des dienstlichen Vertrauensverhältnisses durch die Betrugstaten zum Nachteil seiner Kameraden einschließlich eines Mannschaftsdienstgrads und der wegen des Dienstvergehens erfolgten vorläufigen Dienstenthebung sei auch unter Berücksichtigung einer seelischen Ausnahmesituation des Soldaten während der eigenmächtigen Abwesenheiten, einer verminderten Schuldfähigkeit zu Beginn der ersten eigenmächtigen Abwesenheit, der stets herausragenden dienstlichen Leistungen, der Geständigkeit, Reue und Einsicht des Soldaten ein Verbleiben im Dienstverhältnis nicht vertretbar.

11 5. Der Soldat macht mit seiner auf die Bemessung der Disziplinarmaßnahme beschränkten Berufung geltend, er sei krankheitsbedingt vermindert schuldfähig gewesen und habe sich in einer seelischen Ausnahmesituation befunden. Während seiner eigenmächtigen Abwesenheiten habe er Suizidgedanken gehabt. Angemessen sei eine Dienstgradherabsetzung.

12 6. Der Bundeswehrdisziplinaranwalt tritt dem unter Verweis auf ein planvolles Vorgehen und die eigene Verantwortung des Soldaten für seine schwierige Lebenssituation, in der sich allgemeine Risiken verwirklicht hätten, entgegen. Er ist der Ansicht, dass das Vertrauensverhältnis zwischen dem Soldaten und seinem Dienstherrn angesichts der wiederholten und schwerwiegenden Verletzung dienstlicher Kernpflichten zerstört und daher die Höchstmaßnahme geboten ist.

13 7. Hinsichtlich der Einzelheiten zur Person des Soldaten, zur Anschuldigung und...

Um weiterzulesen

FORDERN SIE IHR PROBEABO AN

VLEX uses login cookies to provide you with a better browsing experience. If you click on 'Accept' or continue browsing this site we consider that you accept our cookie policy. ACCEPT